Flug überbucht: Jetzt gibts bis zu 900 Franken
Seit Mitte Februar haben Fluggäste bei Überbuchung, Annullierung oder grosser Verspätung Geld zugut. Doch Schweizer Airlines wenden die Regeln nur zum Teil an - ausser Helvetic Airways.
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K-Tipp 6/2005
23.03.2005
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Allzu oft endet die Ferienfreude schon am Flughafen. Zum Beispiel, wenn es am Check-in-Schalter heisst, der Flieger stehe wegen eines technischen Defekts noch in Istanbul und die Verspätung betrage mindestens fünf Stunden.
Oder wenn dem Passagier von der Anzeigetafel das Wort «Cancelled» entgegenblinkt, die Gesellschaft den Flug also gestrichen hat. Eine Massnahme, zu der Airlines auch dann greifen, wenn ein Flug schlecht gebucht ist.
Oder wenn der dritte Ferien...
Allzu oft endet die Ferienfreude schon am Flughafen. Zum Beispiel, wenn es am Check-in-Schalter heisst, der Flieger stehe wegen eines technischen Defekts noch in Istanbul und die Verspätung betrage mindestens fünf Stunden.
Oder wenn dem Passagier von der Anzeigetafel das Wort «Cancelled» entgegenblinkt, die Gesellschaft den Flug also gestrichen hat. Eine Massnahme, zu der Airlines auch dann greifen, wenn ein Flug schlecht gebucht ist.
Oder wenn der dritte Ferienlustverderber zuschlägt: Flug überbucht. Davon sind allein in der EU jedes Jahr rund 250 000 Personen betroffen. Sie müssen am Boden bleiben, weil die Airlines durchschnittlich 10 bis 20 Prozent mehr Tickets verkaufen, als ihre Maschinen Plätze haben.
Gegen solche Passagierärgernisse macht die EU nun mobil - mit einer neuen Verordnung, die seit dem 17. Februar 2005 in Kraft ist. Sie gilt sowohl für Linien- als auch für Charterflüge im Rahmen von Pauschalreisen, wenn entweder
- der Abflugort in der EU liegt oder
- der Ankunftsort in der EU liegt und eine EU-Airline den Flug durchführt (Beispiel: Zürich-Frankfurt mit der Lufthansa).
Sofern eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist, kommen auch Schweizer Fluggäste in den Genuss der neuen Regeln. Nicht profitieren kann hingegen, wer mit der Swiss ab der Schweiz fliegt. Im Einzelnen haben Passagiere, die ein gültiges Ticket mit OK-Vermerk haben und rechtzeitig einchecken, neu folgende Rechte:
Bei Überbuchung
1. Sitzen gelassene Reisende können wählen zwischen
- dem Umbuchen auf einen - frühestmöglichen oder späteren - Ersatzflug und
- einem Verzicht auf den Flug gegen Rückerstattung des Preises für alle nicht zurückgelegten Flugstrecken. Wer auf einem Umsteigeflughafen strandet, kann zudem eine Rückerstattung für bereits zurückgelegte Strecken verlangen, sofern die Reise zwecklos geworden ist. In diesem Fall hat er auch Anspruch auf einen kostenlosen Rückflug zum ersten Abflugort.
2. Zusätzlich haben zurückgewiesene Fluggäste eine Entschädigung zugut von
- 250 Euro (rund 375 Franken) bei Flügen bis 1500 km;
- 400 Euro (rund 600 Franken) bei Flugstrecken zwischen 1500 und 3500 km;
- 600 Euro (rund 900 Franken) bei Flügen über 3500 km.
Die Airlines dürfen diese Ansätze halbieren, wenn ein Passagier dank eines Alternativflugs - je nach Distanz - mit maximal zwei, drei oder vier Stunden Verspätung am Ziel landet.
3. Schliesslich haben sitzen gelassene Reisende je nach Wartezeit Anspruch auf
- Mahlzeiten und Getränke
- und - falls nötig - auf eine Hotelunterkunft samt Transport zum Hotel
- zwei unentgeltliche Telefongespräche oder das Versenden von zwei Faxen oder E-Mails ermöglichen.
Wer freiwillig auf einen überbuchten Flug verzichtet, hat nur das unter 1. erwähnte Wahlrecht zwischen Umbuchung und Rückerstattung. Alles Weitere muss er mit der Airline aushandeln. Aber: Da die Fluggesellschaften gemäss Verordnung verpflichtet sind, Freiwillige zu suchen, bevor sie jemanden gegen seinen Willen zurückweisen, kann man als Kunde versuchen, ein Zückerchen herauszuholen - etwa in Form eines Fluggutscheins.
Bei Flugannullierung
Betroffene einer Flugannullierung haben fast die gleichen Rechte wie Überbuchungsopfer. Eine Entschädigung steht ihnen jedoch in vier Fällen nicht zu:
- Wenn die Airline die Absage mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Abflug bekannt gibt.
- Wenn die Fluggesellschaft zwischen 14 und 7 Tage vor dem Abflugtermin über die Annullierung informiert und eine Alternative anbietet, mit der Reisende höchstens zwei Stunden früher abfliegen und maximal vier Stunden später ankommen.
- Wenn die Airline weniger als sieben Tage im Voraus informiert und einen Flug anbietet, mit dem der Passagier nicht mehr als eine Stunde früher als vorgesehen abfliegt und nicht mehr als zwei Stunden später landet.
- Wenn die Annullierung auf aussergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, welche die Airline mit allen zumutbaren Massnahmen nicht verhindern konnte.
Was das heisst, ist umstritten. Swiss etwa will laut ihrem Sprecher Dominik Werner nur zahlen, wenn sie einen Flug «aus kommerziellen Gründen» streicht. Alles andere wie schlechtes Wetter, Streik, überlastete Flugstrassen und ein technischer Defekt seien aussergewöhnliche Umstände.
«Ob diese Ansicht zutrifft, ist fraglich», kommentiert Fürsprecher Rolf Metz, Autor mehrerer reiserechtlicher Publikationen. «Einige Fachleute sagen, ungewöhnlich könne nur sein, was die Airline nicht beeinflussen kann.» Eine technische Panne oder ein Streik im eigenen Haus würde nicht darunterfallen.
Bei Verspätung
1. Wartende Passagiere haben Anspruch auf Verpflegung und nötigenfalls Hotelübernachtung sowie auf zwei Gratis-Telefongespräche, -Faxe oder -Mails, wenn
- ein Flug bis 1500 km mindestens zwei Stunden verspätet ist;
- ein Flug zwischen 1500 und 3500 km mindestens drei Stunden verspätet ist;
- ein Flug über 3500 km mindestens vier Stunden verspätet ist.
2. Beträgt die Verspätung mindestens fünf Stunden, kann der Reisende
- auf den Flug verzichten und verlangen, dass der Preis für den unbenutzten Teil des Tickets zurückerstattet wird.
- Ist ein Anschlussflug verspätet, kann man auch eine Rückerstattung für bereits zurückgelegte Strecken verlangen, sofern die Reise zwecklos geworden ist. Dann hat man überdies Anspruch auf einen kostenlosen Rückflug zum ersten Abflugort.
Den Airlines sind diese neuen Passagierrechte ein Dorn im Auge. Sie schätzen, dass Mehrkosten von über einer Milliarde Euro pro Jahr auf sie zukommen. Deshalb hat ihr Verband, die Iata, die Verordnung angefochten. Der Europäische Gerichtshof wird voraussichtlich in einigen Monaten über die Klage entscheiden. Bis dahin bleibt die Verordnung auf jeden Fall in Kraft.
Kein besserer Schutz für Passagiere
Wer von der Schweiz aus mit Helvetic Airways oder einer EU-Airline fliegt, ist bei Überbuchung, Annullierung und Verspätung besser geschützt als mit Swiss.
Swiss-Passagiere profitieren nur auf Flügen von einem EU-Land in die Schweiz von den verbesserten Passagierrechten in der EU (siehe Haupttext). Denn bei diesen Flügen muss sich Swiss an die neue Verordnung halten.
In umgekehrter Richtung gilt das nicht. Hier hält sich Swiss vorderhand an die von der Schweiz im Jahr 2002 übernommene EU-Überbuchungs-Verordnung. Daran würde eine Übernahme der Swiss durch die Lufthansa nichts ändern.
Die Folge: Passagiere solcher Swiss-Flüge haben bei Überbuchung nur eine etwa halb so hohe und bei Annullierung gar keine Entschädigung zugut. Und falls sie unterwegs stranden und die Reise nutzlos wird, können sie weder eine Rückerstattung des Ticketpreises noch einen Gratis-Rückflug an den Ausgangsort verlangen.
Nicht besser fliegen Passagiere von Edelweiss und Belair: Diese Airlines gewähren die zusätzlichen Rechte ebenfalls nur bei Flügen ab EU-Airports. Bei Helvetic Airways ist das anders: «Wir halten uns auf dem ganzen Streckennetz an die neuen Regeln», sagt Chef Thomas Frischknecht.