«Für Diebe ein gefundenes Fressen»
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K-Tipp 14/2000
06.09.2000
Einige Kreditkarten-Anbieter verschicken PIN-Codes nicht mehr eingeschrieben
Die Credit Suisse, Cornèr Bank und Viseca sparen Millionenbeträge beim Versand der PIN-Codes für Kreditkarten - und nehmen Fälle von Kartenmissbrauch in Kauf.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Wenn es um die Sorgfaltspflicht geht, verstehen die Kreditkarten-Institute keinen Spass. «Der Inhaber verpflichtet sich, die Karte jederzeit sorgfältig aufzubewahren, den PIN-Code ...
Einige Kreditkarten-Anbieter verschicken PIN-Codes nicht mehr eingeschrieben
Die Credit Suisse, Cornèr Bank und Viseca sparen Millionenbeträge beim Versand der PIN-Codes für Kreditkarten - und nehmen Fälle von Kartenmissbrauch in Kauf.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Wenn es um die Sorgfaltspflicht geht, verstehen die Kreditkarten-Institute keinen Spass. «Der Inhaber verpflichtet sich, die Karte jederzeit sorgfältig aufzubewahren, den PIN-Code geheim zu halten und ihn an einem sicheren Ort, getrennt von der Karte, aufzubewahren», heisst es etwa im klein Gedruckten der Eurocard-Herausgeberin Viseca. Wer sich nicht daran hält, haftet im Fall eines Missbrauchs unbegrenzt.
Die Viseca selber nimmt es mit der Sorgfalt weniger genau. Das Gemeinschaftsunternehmen von Kantonalbanken, Raiffeisenbanken, Migros- und Coop-Bank verschickte 700 000 neue Plastikkarten und ebenso viele PIN-Codes - alle nicht eingeschrieben. Teilweise landeten Karte und Code sogar gleichzeitig im Briefkasten des Kunden.
Viseca beschwichtigt: «Es war ein Fehler»
So erhielten die Eurocard-Besitzer Dorli und Rudolf Schardl aus Winterthur ZH am 9. Juni gleich vier Couverts von der Viseca: je eine Karte sowie je einen PIN-Code für den Bargeldbezug am Automaten. «Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Couverts in falsche Hände geraten wären», empört sich Dorli Schardl.
Viseca-Geschäftsführer Hans J. Willi beschwichtigt: «Bei einem Missbrauch hätten die Kunden selbstverständlich nicht gehaftet.» Es sei ein «Fehler» gewesen, dass Karte und PIN-Code bei einigen Kunden gleichzeitig eingetroffen seien. Normalerweise würde der Code - wie bei allen andern Instituten - einige Tage nach der Karte verschickt.
Für den uneingeschriebenen Weg hatte sich die Viseca laut Willi entschieden, um ihren Kunden «das mühsame Abholen des Briefes bei der Post zu ersparen». Trotzdem erwägt sie derzeit eine Rückkehr zum alten System.
Der Entscheid fällt schwer. Denn dank des normalen Postversands konnte die Viseca ihre Portokasse um mehrere Millionen Franken entlasten. «Ein eingeschriebener Versand der PIN-Codes hätte uns 3,5 Millionen zusätzlich gekostet», bestätigt Willi.
Für dieses Geld nahm die Viseca das höhere Missbrauchsrisiko in Kauf. Sie rechnete damit, dass selbst mehrere Schadenfälle zusammen nur einen Bruchteil der gesparten 3,5 Millionen Franken ausmachen würden.
Gleich kalkulieren auch die Cornèr Bank und die Credit Suisse (CS), letztere seit einem Jahr. «Nun sparen wir bei einem Massenversand 3 bis 4 Millionen Franken», freut sich Jean-Marc Hensch, Sprecher von Swisscard, einem Joint Venture von CS und American Express. Nicht nur das Zusatzporto entfalle, sondern auch der Aufwand für das Bearbeiten nicht abgeholter Einschreibebriefe. Einzig die Codes zu den EC-Karten verschickt die CS nach wie vor eingeschrieben - wie alle anderen Banken auch.
Bei Post und UBS geht die Sicherheit vor
Kosten sparen beim Kartenversand, das tönt auch für die Post verlockend. «Aber», so Postfinance-Sprecher Alex Josty, «die Sicherheit geht vor.» Deshalb verschickt die Post die Codes zu ihren Kreditkarten und zur Postcard (Kontokarte des Postkontos) immer eingeschrieben. Alles andere sei «ein gefundenes Fressen für Diebe».
Auch die UBS gibt nach wie vor Millionen aus, um die PIN-Codes zu ihren Visa-Karten und Eurocards per Einschreiben zu verschicken. Weshalb? «Wir verlangen von unseren Kunden, dass sie mit dem Code sorgfältig umgehen», erklärt Sprecher Felix Oeschger. «Da wollen wir nicht mit dem schlechten Beispiel vorangehen.»
KARTEN-Missbrauch - Der Kunde haftet
Die Kreditkarten-Herausgeberin Viseca hat ihr Versprechen nicht gehalten, das sie im K-Tip abgegeben hat. Auch die überarbeiteten Geschäftsbedingungen sind nicht kundenfreundlich.
Die Karteninhaber seien bei der Viseca immer die Dummen, kritisierte der K-Tip in Ausgabe 9/00. Der Grund: Laut allgemeinen Geschäftsbedingungen haftete der Kunde für «alle Schäden aus Telefon-, Internet- oder Korrespondenzkäufen, welche aus mangelnder Berechtigung oder aus missbräuchlicher Verwendung der Karte entstehen».
Im Artikel räumte Viseca-Marketingleiter Peter Renggli ein, die Bestimmung sei «weder im Sinne der Kunden noch der Viseca»; sie werde «überarbeitet». Tatsächlich hat die Viseca die «missbräuchliche Verwendung» der Karte inzwischen gestrichen. Nach wie vor muss der Kunde aber für alle Belastungen aufkommen, die aus «mangelnder Berechtigung» eines Dritten - zum Beispiel eines Diebes - entstehen.
Wo liegt der Unterschied zwischen missbräuchlicher Verwendung und mangelnder Berechtigung? Bei der Viseca weiss man auf Anhieb keine Antwort und verweist auf eine kulante Haltung im Schadenfall. Fazit: Die Viseca hat zwar ihre Bedingungen «überarbeitet», dem Kunden nützts aber nichts.
(thm)