Ganzer Rechtsschutz zum halben Preis
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K-Tipp 7/2001
11.04.2001
Helsana und Coop haben ein attraktives Angebot zusammengestellt
Eine RechtsschutzVersicherung für die ganze Familie für nur 175 Franken pro Jahr? Die Krankenkasse Helsana machts möglich - und beunruhigt damit die ganze Branche.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Solche Prämien waren bisher kaum denkbar. Gerade mal 118 Franken im Jahr kostet die Versicherung «Advocare plus» für Erwachsene ab 26 Jahren. Ehe- und Konkubinatspartner im gleichen Haush...
Helsana und Coop haben ein attraktives Angebot zusammengestellt
Eine RechtsschutzVersicherung für die ganze Familie für nur 175 Franken pro Jahr? Die Krankenkasse Helsana machts möglich - und beunruhigt damit die ganze Branche.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Solche Prämien waren bisher kaum denkbar. Gerade mal 118 Franken im Jahr kostet die Versicherung «Advocare plus» für Erwachsene ab 26 Jahren. Ehe- und Konkubinatspartner im gleichen Haushalt zahlen sogar nur Fr. 87.50 pro Person. Kinder bis 18 Jahre sind gratis, Jugendliche von 19 bis 25 kommen mit 59 Franken davon.
Damit ist die Helsana etwa halb so teuer wie die meisten anderen Rechtsschutz-Versicherungen. Zum Vergleich: Bei der teuersten Gesellschaft, der DAS, kostet eine Familienversicherung stolze 389 Franken im Jahr.
Die grösste Schweizer Krankenkasse lanciert «Advocare plus» in Zusammenarbeit mit der Coop-Rechtsschutz-Versicherung, welche die Schadenfälle bearbeitet. Das Angebot umfasst sowohl Verkehrs- als auch Privatrechtsschutz.
Der Haken daran: «Advocare plus» richtet sich nur an Personen, die bei der Helsana oder einer ihrer Partnerkassen (Klug, Progrès, Smuv-Krankenkasse) eine Krankenpflege-Zusatzversicherung «Top» oder «Completa» abgeschlossen haben. Das sind aber immerhin rund 900 000 Personen.
Weshalb kann ihnen die Helsana so günstige Prämien anbieten? «Wir haben tiefere Verwaltungs- und Vertriebskosten, weil wir den Rechtsschutz in bestehende Policen integrieren», erklärt Kommunikationsleiter Christian Beusch.
Konkurrenten sehen allerdings noch einen weiteren Grund: «Die Helsana geht davon aus, dass viele Kunden Schadenfälle nicht anmelden, weil sie mangels separater Rechnung und Police gar nicht realisieren, dass sie eine Rechtsschutz-Versicherung haben», vermutet Patrik Andrey, Kundendienst-Leiter der Protekta.
Ins gleiche Horn stösst Fortuna-Chef Zdenek Vokurka: «Ich nehme an, dass die Helsana mit einer tiefen Schadenfrequenz rechnet - wegen Unwissenheit der Kunden über ihren Versicherungsschutz.» Die Helsana bestreitet dies.
Ob die Rechnung der grössten Schweizer Krankenkasse aufgeht, ist für Patrik Andrey «fraglich». Der Kostendruck werde nämlich steigen, sobald das neue Anwaltsgesetz - gleichzeitig mit den bilateralen Verträgen - in Kraft tritt. Es sieht vor, dass Anwälte, die bei RechtsschutzVersicherungen angestellt sind, keine Klienten mehr vor Gericht vertreten dürfen.
Die Versicherungen müssen dann vermehrt mit externen Anwälten zusammenarbeiten. «Das wird die Schadenkosten in die Höhe treiben», prophezeit auch Assista-Direktor Max Plattner. Er will daher wie viele seiner Kollegen nicht vorschnell die Prämien senken - Helsana hin oder her.
Kaum Kritik äussern die Konkurrenten hingegen am Deckungsbereich von «Advocare plus». Ein Blick auf das klein Gedruckte zeigt denn auch, dass das Angebot nicht mehr Stärken oder Schwächen hat als die Produkte der übrigen Gesellschaften.
- Negativ schlägt zu Buche, dass die Helsana im Nachbarrecht und bei Fahrzeugverträgen (Kauf, Reparatur, Leasing) höchstens 3000 Franken übernimmt. Für Haus- und Wohnungseigentümer sowie für Auto-Leasingnehmer ist das Angebot daher weniger geeignet.
- Für die meisten Rechtsgebiete gilt ein Mindeststreitwert von 300 Franken. Andere Versicherungen kennen keine solche Grenze.
- Positiv fällt auf, dass Helsana-Kunden ihren Anwalt frei wählen können, sofern der Beizug eines Rechtsvertreters im konkreten Fall nötig ist.
- Ausserdem zahlt die Gesellschaft einen bestimmten Betrag, wenn ein Versicherter infolge eines Gewaltverbrechens stirbt oder invalid wird.
Pro Streitfall übernimmt die Helsana maximal den branchenüblichen Betrag von 250 000 Franken. Damit zahlt sie Anwaltshonorare, Gerichtskosten und Prozessentschädigungen an die Gegenpartei.
Aber Achtung: Wie bei allen anderen Anbietern sind längst nicht alle Rechtsstreitigkeiten gedeckt. Bank- und Börsengeschäfte, Steuerverfahren, Strafverfahren sowie Käufe und Verkäufe von Liegenschaften sind im klein Gedruckten ausdrücklich ausgeschlossen. Bei Erb- und Familienstreitigkeiten (Scheidung) haben Kundinnen und Kunden nur Anspruch auf eine Beratung im Wert von maximal 300 Franken.
Wer trotzdem vom «Advocare plus»-Angebot profitieren und zu diesem Zweck eine Krankenpflege-Zusatzversicherung bei der Helsana abschliessen will, muss wissen, dass nur vollständig Gesunde eine solche Versicherung erhalten (K-Tipp 6/01). Deshalb der Tipp: Kündigen Sie eine bereits laufende Zusatzversicherung erst, wenn Sie von der Helsana die schriftliche Aufnahmebestätigung erhalten haben.
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Rechtsschutz-Versicherung: Nur einjährige Verträge abschliessen
- Holen Sie mehrere Offerten ein und vergleichen Sie das klein Gedruckte im Hinblick auf Ihr persönliches Risikoprofil. Wer viel reist, sollte beispielsweise darauf achten, dass Reiseverträge gedeckt sind.
- Klären Sie ab, unter welchen Voraussetzungen Sie im Schadenfall einen Anwalt beiziehen können und wie er ausgewählt wird. Nur die Allianz und die Assista des Touring-Clubs der Schweiz (TCS) erlauben ihren Kunden, von Anfang an einen Anwalt ihrer Wahl zu beauftragen. Details dazu finden Sie im K-Dossier «So sind Sie richtig versichert».
- Prämienmässig am günstigsten fahren Helsana-Kunden, die bereits über eine Zusatzversicherung «Top» oder «Completa» verfügen. Preiswerte Angebote haben aber auch die Assista (für TCS-Mitglieder), die DAS (für ACS-Mitglieder) und die Protekta (für VCS-Mitglieder). Wer keinem dieser Clubs angehört, findet bei der Protekta ein günstiges Angebot.
- Schliessen Sie nur einjährige Verträge ab. Solche Verträge verlängern sich ohne Kündigung automatisch um jeweils ein weiteres Jahr.
- Denken Sie daran: Nach der Unterschrift gibt es in der Regel kein Zurück mehr. Nur Coop Rechtsschutz und Winterthur-Arag gewähren ein siebentägiges Rücktrittsrecht.
- Achtung: Während der ersten drei Monate des Vertrages besteht für die meisten Rechtsgebiete keine Deckung. Es nützt also nichts, für bereits laufende Auseinandersetzungen noch schnell eine Versicherung abzuschliessen.
- Wenn Sie in einem konkreten Fall Rechtsschutz benötigen, müssen Sie sich sofort schriftlich bei der Versicherung melden. Sonst riskieren Sie, dass die Gesellschaft ihre Leistungen kürzt oder den Fall ganz ablehnt.
- Lassen Sie sich nicht abspeisen, wenn die Versicherung sagt, Ihr Fall sei aussichtslos. Sie können verlangen, dass ein neutraler Schiedsrichter die Erfolgsaussichten beurteilt. Darauf muss Sie die Versicherung bei der Ablehnung ausdrücklich hinweisen. Tut sie dies nicht, muss sie den Fall so oder so übernehmen.
- Die Kündigungsfrist beträgt bei den meisten Gesellschaften drei Monate. Wenn Sie also beispielsweise auf Ende Jahr kündigen wollen, muss Ihr Schreiben spätestens Ende September bei der Versicherung eintreffen.