Granit - aus Kinderhand
Ob als Fliesen, Grabstein oder für die Küchenkombination - Granit ist begehrt. Das Problem: In Indien schuften Kinder dafür. Ein neues Label will dem ein Ende setzen.
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K-Tipp 14/2006
06.09.2006
Bennie Koprio, Wolfgang Wettstein
Sie sind sieben Tage die Woche ohrenbetäubendem Lärm und Staub ausgesetzt, halten zu dritt den 45-Kilo-Bohrhammer, weil ein Kind allein dafür zu schwach ist: Die Kinder ruinieren in indischen Steinbrüchen ihre Gesundheit für die Gewinnung von Granit, den auch Schweizer kaufen.
«Kinder, die in Steinbrüchen arbeiten, haben eine Lebenserwartung von 35 bis 38 Jahren», sagt Benjamin Pütter. Als Händler getarnt hat er vor drei Jahren im Auftrag des deutschen Hilfswerks Misereo...
Sie sind sieben Tage die Woche ohrenbetäubendem Lärm und Staub ausgesetzt, halten zu dritt den 45-Kilo-Bohrhammer, weil ein Kind allein dafür zu schwach ist: Die Kinder ruinieren in indischen Steinbrüchen ihre Gesundheit für die Gewinnung von Granit, den auch Schweizer kaufen.
«Kinder, die in Steinbrüchen arbeiten, haben eine Lebenserwartung von 35 bis 38 Jahren», sagt Benjamin Pütter. Als Händler getarnt hat er vor drei Jahren im Auftrag des deutschen Hilfswerks Misereor solche Steinbrüche in Indien besucht und war schockiert: Bis zu zwei Drittel der Arbeiter waren Kinder, die jüngsten erst elf Jahre alt. Viele sind eigentliche Sklaven: Weil die Eltern vom Besitzer des Steinbruchs Geld geliehen haben, muss die ganze Familie die Schulden abarbeiten.
Für diese Missstände sind die Europäer mitverantwortlich, schliesslich beziehen auch sie günstigen Granit aus Indien.
Steinproduzent Marco Marazzi aus Kreuzlingen TG verkauft jährlich etwa 300 Tonnen Granit für die Herstellung von Grabsteinen - jeder dritte Stein kommt aus einem indischen Steinbruch. Und bei Küchenhersteller Arbonia Forster können Kunden aus 72 Granitmustern wählen - jedes vierte stammt aus Indien. Edgar Oehler von Arbonia Forster beteuert, er habe bis vor kurzem nicht gewusst, dass in indischen Steinbrüchen Kinder arbeiten. Und Marazzi ist überzeugt, dass sein Granit aus Steinbrüchen ohne Kinderarbeit stamme, das habe ihm sein Lieferant versichert.
Der Haken: Ob der Stein in Indien von Kinderhänden gebrochen wurde oder nicht, können Schweizer Käufer laut Oehler nicht sicherstellen: Sie beziehen die Ware über Zwischenhändler, das verschleiert die Herkunft des Steins.
Xertifix - neues Label für Natursteine
Dem will ein neues Gütesiegel nun ein Ende bereiten (weitere Sozial-Labels, die unter anderem auch Kinderarbeit verbieten, siehe Kasten): Xertifix, ein Label für Natursteine, geschaffen von Steinmetzen und Misereor. Es verspricht, dass das Produkt unter sozialverträglichen Bedingungen zustande kam.
In Deutschland gibts bereits zwei Händler mit Xertifix-Lizenz. Auch Schweizer Firmen können sich zertifizieren lassen: «Der Importeur meldet sich bei Xertifix», so Pütter. «Dann gehen wir zu seinem indischen Exporteur, schauen uns die Steinbrüche an und kontrollieren, dass dort keine Kinder- und Sklavenarbeit herrscht.»
Diesen Labels kann man vertrauen
Fair hergestellte Waren: Von Bonbons bis Textilien
Für Konsumenten sind sie eine Orientierungshilfe, für Anbieter ein Verkaufsargument: Labels des fairen Handels gibt es viele. Doch nicht alle halten, was sie vollmundig versprechen.
«Ein Knackpunkt ist die Kontrolle», sagt Esther Habermacher von «labelinfo. ch», einer Informationsstelle der Stiftung für praktischen Umweltschutz. Denn bei einigen Labels ist unklar, wer das Einhalten der sozialen Bedingungen wie überprüft. Ausserdem haben es Kontrolleure, etwa bei Textilien, extrem schwer, weil die Herstellung auf verschiedene Länder verteilt ist.
Laut Habermacher ist ein seriöses Gütesiegel daran zu erkennen, dass die Kontrollinstanz unabhängig ist, die Bedingungen für die Zertifizierung klar formuliert sind und über das gesetzliche Minimum hinausgehen.
Da kaum ein Laie die Glaubwürdigkeit eines Gütezeichens selber bewerten kann, betreibt Labelinfo eine Datenbank, auf der die einzelnen Labels und ihre Beurteilung durch verschiedene Organisationen ersichtlich sind. Glaubwürdige Soziallabels sind demnach:
Claro: Gütezeichen für Kunsthandwerk und Lebensmittel, erhältlich in Claro- und Weltläden. Empfohlen von WWF, Schweizer Tierschutz, Stiftung für Konsumentenschutz, Fédération romande des consommateurs.
Naturaline: Coops Label für Textilien aus Bio-Baumwolle mit unabhängiger Kontrollinstanz. Empfehlung: WWF (Ratgeber «Non Food Label», siehe auch K-Tipp 19/05).
Flower Label Program:
ein internationales Gütesiegel für Blumen aus fairem Handel und umweltschonender Produktion. Empfehlung: WWF.
Gebana: Die Marke einer Handelsorganisation für Nahrungsmittel aus Entwicklungsländern. Empfehlung: WWF, Schweizer Tierschutz, Stiftung für Konsumentenschutz und Fédération romande des consommateurs.
Max Havelaar: Internat.
Gütesiegel für die verschiedensten Produkte: von Lebensmitteln über Pflanzen bis zu Textilien. Empfehlung: WWF, Schweizer Tierschutz, Stiftung für Konsumentenschutz, Fédération romande des consommateurs.
Naturtextil: Branchenlabel für Textilien aus Naturfasern (Naturtextil best: Naturfasern aus kontrolliert biologischem Anbau). Empfehlung: deutsche Verbraucher Initiative, deutscher Nachhaltigkeitsrat.
Step: Fair Trade Label für Teppichfirmen - getragen von diversen Hilfsorganisationen. Empfehlung: WWF.
Transfair: Internat. Siegel für fairen Handel für Produkte von Fussbällen über Bonbons bis Kaffee. Empfehlung: Verbraucher Initiative, Nachhaltigkeitsrat und Ökotest.
(ko)