Grosse Worte sind nur blauer Dunst
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K-Tipp 13/2000
23.08.2000
Auf die neuen Versprechen der Zigaretten-Industrie folgen kaum Taten
Jeder zweite starke Raucher stirbt an den Folgen des Rauchens. Jetzt verspricht die Tabak-Lobby, sie wolle mit den Behörden zusammen das Rauchen bekämpfen. Doch das sind meistens nur Lippenbekenntnisse.
Urs P. Gasche upgasche@k-tip.ch
Die Tabak-Konzerne sind in der Defensive. Auf Druck von Konsumenten-Organisationen musste die Zigaretten-Industrie in Dänemark 37 benutzte Zusatzsto...
Auf die neuen Versprechen der Zigaretten-Industrie folgen kaum Taten
Jeder zweite starke Raucher stirbt an den Folgen des Rauchens. Jetzt verspricht die Tabak-Lobby, sie wolle mit den Behörden zusammen das Rauchen bekämpfen. Doch das sind meistens nur Lippenbekenntnisse.
Urs P. Gasche upgasche@k-tip.ch
Die Tabak-Konzerne sind in der Defensive. Auf Druck von Konsumenten-Organisationen musste die Zigaretten-Industrie in Dänemark 37 benutzte Zusatzstoffe offen legen. Einige dieser Stoffe machen - so der Kopenhagener Toxikologe Sven Edelfors - die Raucher schneller abhängig und regen zu vermehrtem Rauchen an. Die Weltgesundheits-Organisation WHO wirft der Tabak-Lobby vor, Gesundheitsprogramme bekämpft und Wissenschaftler der WHO bestochen zu haben.
Aufklärungs-Kampagnen, Warnhinweise, Werbe-Einschränkungen und hohe Tabaksteuern schmälern die Umsätze: Der Anteil der Rauchenden unter den Erwachsenen ist in den USA seit den 60er-Jahren um über 40 Prozent zurückgegangen - in der Schweiz nur um rund 10 Prozent. Warnhinweise kamen bei uns spät und zurückhaltend und die Tabak-Werbung war lange Zeit intensiv.
Nach Angaben von Steven Parrish, Vizepräsident von Philip Morris für die USA, unterstützt seine Firma jetzt schärfere Gesetze. Und David Davies, Vizepräsident für Europa, meinte kürzlich im Schweizer Fernsehen sogar, dass es ihm am liebsten wäre, wenn niemand mehr rauchen würde. Er unterstütze heute die Behörden.
Hinter den Kulissen aber bekämpft Philip Morris zusammen mit anderen Tabak-Konzernen stark erhöhte Steuern, zusätzliche Werbe-Einschränkungen und auffälligere Warnhinweise.
Entsprechende Vorschläge der EU-Kommission will Edgar Oehler, CVP-Politiker und Präsident der Vereinigung der Zigarettenindustrie, bei uns nicht unterstützen: «Solange wir nicht in der EU sind, bin ich für autonome Regelungen.»
Meistens sind es nur Lippenbekenntnisse
Dass Tabak-Konzerne häufig nur Lippenbekenntnisse ablegen, zeigt sich am extremsten in Entwicklungsländern und in Oststaaten: Dort nützen Firmen wie Philip Morris, RJ Reynolds oder BAT Gesetzeslücken schamlos aus. Schreibt zum Beispiel ein Staat nicht pingelig vor, dass und wie die Zigaretten-Industrie vor den Risiken warnen muss, bleibt von Warnhinweisen nicht viel übrig. Über 80 Prozent aller Raucher leben heute in Entwicklungsländern. Die Zigaretten-Verkäufe verdoppelten sich innert zehn Jahren.
Eigentlich müssten die Firmen besonders augenfällig vor den Risiken warnen: Die Bevölkerung in Entwicklungsländern ist darüber viel schlechter informiert. Doch die Zigarettenindustrie will sich ihre Umsätze nicht mit freiwilligen Warnhinweisen oder freiwilligem Werbeverzicht vermiesen. Ein kürzlicher Vergleich der Zigaretten-Packungen hat ein klares Resultat ergeben: In der Dritten Welt warnt die Industrie auf ihren Packungen versteckter und diffuser als in Industriestaaten. In Ländern wie Indien, Indonesien, Pakistan, Nigeria, Kenya, Rumänien oder in der Ukraine informieren die Firmen überhaupt nicht ernsthaft über die Risiken. Wenn überhaupt ein kleiner Hinweis steht, dann meistens klein gedruckt auf der schmalen Seite des Päckchens.
Nur in zwei Entwicklungsländern muss sich die Industrie an scharfe Vorschriften halten: In Südafrika steht auf der Vorderseite der Packung eine unübersehbare Warnung und auf der Rückseite eine detaillierte Beschreibung der Risiken einschliesslich einer Telefonnummer für Tipps zum Aussteigen.
An ähnlich scharfe Vorschriften müssen sich die Zigaretten-Firmen in Thailand halten.
Unter den Industriestaaten ist Japan die grosse Ausnahme: Keine Vorschriften - also kaum eine Warnung. Auf den Packungen steht lediglich: «Rauchen kann Ihrer Gesundheit schaden, rauchen Sie deshalb nicht zu viel.»
Die klarere Warnung «Rauchen tötet» findet man in Industriestaaten viermal häufiger als in Entwicklungsländern. Auf das Risiko für Schwangere, auf die Gefahr von Lungenkrebs und darauf, dass Rauchen abhängig macht, weisen die Zigaretten-Hersteller praktisch nur in Ländern hin, welche dies ausdrücklich vorschreiben.
Freiwillig unternimmt die Zigaretten-Industrie wenig
In Italien steht auf den Packungen: «Jedes Jahr tötet Rauchen mehr Leute als der Verkehr.»
Fazit: Freiwillig unternimmt die Zigaretten-Industrie wenig, um ihre Kunden vom Rauchen abzuhalten. Es ist ihr offensichtlich egal, dass weltweit bald mehr Menschen am Rauchen sterben als an Verkehrsunfällen, Tuberkulose, Aids und an Gewalttaten zusammen.
Internet-Adresse: Die Originalstudie des Vergleichs der Packungsanschriften ist für 8 Dollar zu beziehen bei http://tc.bmjjournals.com/cgi/content/full/8/4/368
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