Guillotinen am Strassenrand
Für stürzende Motorrad- und Rollerfahrer sind Leitplanken Todesfallen oder sie verursachen unnötig schwere Verletzungen. In einigen Kantonen soll sich das nun ändern.
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K-Tipp 7/2004
07.04.2004
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Der Frühling ist da und mit ihm beginnt in der Schweiz für fast 600000 Töff- und Rollerfans beiderlei Geschlechts die schönste Zeit des Jahres. Aber: Im Herbst, am Ende der Motorradsaison, werden rund 5000 von ihnen mehr oder weniger schwere Verletzungen erlitten haben und gegen 90 werden tot sein - die Statistik der letzten Jahre lässt leider keinen andern Schluss zu.
Einfach hinnehmen will dies die noch junge Interessengemeinschaft (IG) Motorrad jedoch nicht. «Von Mai bis ...
Der Frühling ist da und mit ihm beginnt in der Schweiz für fast 600000 Töff- und Rollerfans beiderlei Geschlechts die schönste Zeit des Jahres. Aber: Im Herbst, am Ende der Motorradsaison, werden rund 5000 von ihnen mehr oder weniger schwere Verletzungen erlitten haben und gegen 90 werden tot sein - die Statistik der letzten Jahre lässt leider keinen andern Schluss zu.
Einfach hinnehmen will dies die noch junge Interessengemeinschaft (IG) Motorrad jedoch nicht. «Von Mai bis Oktober werden wir jeden Monat auf drei besonders gefährliche Strecken hinweisen», sagt Präsident Peter Metzinger. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Leitplanken. Sie sind dafür gebaut, im Notfall sogar Lastwagen vor dem Sturz ins Tobel oder den Strassengraben zu bewahren. Doch was für Autos gut ist, ist für Töfffahrer lebensbedrohlich. Wer nach einem Sturz nämlich unter eine Leitplanke schlittert, riskiert, dass ihm an den fest im Boden verankerten scharfkantigen Eisenpfosten Arme und Beine abgerissen, der Rücken oder das Genick beim Aufprall gebrochen werden.
Und es trifft viele, denn Leitplanken werden in der Regel immer entlang heikler Strassenabschnitte wie Kurven und Bergstrecken gebaut, also genau dort, wo Töfffahrer entsprechend häufig zu Fall kommen.
Unterfahrschutz ist billiger als Invalidität
Mitte der 90er-Jahre wurden in Frankreich Motorradunfälle genau ausgewertet und festgestellt: Jeder zehnte tödlich verunfallte Töfffahrer starb nicht wegen des Sturzes an sich, sondern weil er danach an einem Leitplanken-Pfosten hängen blieb, einige wurden von den T-Eisen regelrecht guillotiniert. Und ebenfalls fast jeder zehnte Verletzte kam an ebensolchen Eisenstangen zu Schaden. Weitere Untersuchungen aus Deutschland, Belgien und England bestätigen dies.
In der Schweiz gibt es dazu keine Untersuchung. Aber die braucht es auch nicht. «Wir wissen, dass Leitplanken für Töfffahrer gefährlich sind», sagt Ingenieur Christian Huber, der sich im Auftrag des Bundesamtes für Strassen (Astra) Gedanken über Verbesserungen macht. Seiner Meinung nach sollten Leitplanken an typischen Töffstrecken und kurvenreichen Passstrassen allesamt mit einem so genannten Unterfahrschutz nachgerüstet werden. In Frankreich und Deutschland werde das seit wenigen Jahren gezielt gemacht.
Ein Unterfahrschutz besteht im Wesentlichen aus einem Blechband, das auf Bodenhöhe vor den gefährlichen Stangen montiert wird. Nach einem Unfall rutscht der Fahrer dann - ohne an einem Pfosten hängen zu bleiben - dieser Planke entlang. Zudem nimmt das relativ weiche Blech dabei die Bewegungsenergie auf und baut sie ab. Mit andern Worten: Der Unterfahrschutz erhöht die Chance, dass gestürzte Töfffahrer ihre Glieder behalten.
Das ist nicht nur aus menschlicher, sondern auch aus finanzieller Sicht wünschenswert. Ein Invalider kommt die Volkswirtschaft nämlich wesentlich teurer zu stehen als ein paar Meter Unterfahrschutz. Nicht zuletzt auch darum setzt sich Daniel Kümpel, stellvertretender Strasseninspektor des Kantons Luzern, dafür ein, die Strassen sicherer zu machen.
Der Kanton Luzern macht vorwärts
Mit Erfolg, denn an der Autobahn-Ausfahrt Sempach LU, wo schon mehrmals Motorradfahrer verunfallten, weiht er zusammen mit der IG-Motorrad Ende dieses Monats die erste mit einem Unterfahrschutz nachgerüstete Leitplanke ein.
In Sempach wurden 120 Meter Unterfahrschutz angebracht, gekostet hat das rund 7000 Franken. «Da stimmt das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen», meint Kümpel. Darum wird diesen Sommer gleich noch eine beliebte Töffstrecke im Entlebuch mit einem Unterfahrschutz nachgerüstet.
Zur Freude von IG-Motorrad-Präsident Metzinger ist Luzern nicht mehr der einzige Kanton, der sich um mehr Sicherheit für Motorradfahrerinnen und -fahrer bemüht. Mittlerweile plant nämlich auch der Kanton Graubünden ein ähnliches Projekt entlang der Prättigauerstrasse.
Lesen Sie zum Thema Motorradhelme auch den Test auf Seite 15.