Halbe Leistung zum vollen Tarif
Viele Internet-Surfer erhalten nicht die Geschwindigkeit, für die sie zahlen. Reklamieren lohnt sich.
Inhalt
K-Tipp 15/2009
13.09.2009
Letzte Aktualisierung:
21.09.2009
Bernhard Raos
Andres Siegenthaler wohnt im abgelegenen Schwendibach BE, einem Dorf mit 260 Einwohnern. Eine Kehrseite der ländlichen Idylle: Sein Swisscom-Abo DSL Standard bringt ihn nur sehr langsam ins Internet. Die Download-Geschwindigkeit liegt durchschnittlich bei 2400 Kilobit pro Sekunde (kbit/s) – laut Vertrag sollten es 5000 kbit/s sein. Dafür zahlt er pro Monat 49 Franken. «Mich ärgert, dass die Swisscom die vollen Abogebühren verlangt, aber nur die halbe Leistung e...
Andres Siegenthaler wohnt im abgelegenen Schwendibach BE, einem Dorf mit 260 Einwohnern. Eine Kehrseite der ländlichen Idylle: Sein Swisscom-Abo DSL Standard bringt ihn nur sehr langsam ins Internet. Die Download-Geschwindigkeit liegt durchschnittlich bei 2400 Kilobit pro Sekunde (kbit/s) – laut Vertrag sollten es 5000 kbit/s sein. Dafür zahlt er pro Monat 49 Franken. «Mich ärgert, dass die Swisscom die vollen Abogebühren verlangt, aber nur die halbe Leistung erbringt», sagt Siegenthaler. Je langsamer die Download-Rate, desto länger dauert das Herunterladen von Internetseiten.
Keine Garantien im Kleingedruckten
Dass Internetkunden zu wenig Leistung erhalten, ist gang und gäbe. Dies zeigen 80’000 Messungen bei mehr als 10’000 Surfern. Den Test durchgeführt hat die Hochschule für Technik in Rapperswil («Saldo» 19/08). Demnach erreichen nur 20 bis 40 Prozent der 5000-kbit/s-Anschlüsse die in den Verträgen erwähnte Geschwindigkeit. Auf 4000 kbit/s bringen es weniger als zwei Drittel der Kunden. Pikant: Die Swisscom als grösster Anbieter von Breitbandanschlüssen behauptet, bereits 80 Prozent der Schweizer Haushalte mit Downloadraten von mehr als 8000 kbit/s zu versorgen.
Liest man hingegen das Kleingedruckte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Abo-Verträge der Provider, wirds unverbindlich:
- Swisscom: «Die Übertragungsgeschwindigkeiten sind bestmögliche Leistungen und können nicht garantiert werden.»
- Sunrise: «Wir können keine Gewährleistung für ein unterbruchs- und störungsfreies Funktionieren der Dienstleistung oder für bestimmte Kapazitäten übernehmen.»
- Cablecom: «Bei den angegebenen Downstream- und Upstream-Geschwindigkeiten handelt es sich um Maximalwerte, deren Erreichbarkeit wir nicht garantieren können.»
Im Klartext: Die Telecomfirmen geben im Vertrag nicht Minimal-, sondern Maximalleistungen an. Sie bieten also nicht eine bestimmte Leistung zu einem bestimmten Preis an, sondern eine unklare Leistung zu einem fixierten Preis. Wie wenn ein Lebensmittelladen «maximal 2 Kilo Kartoffeln für 6 Franken» anbieten würde.
Rechtlich sind solche Verträge fragwürdig. Denn gültig ist ein Vertrag nur, wenn Leistung und Gegenleistung ausreichend bestimmt sind. Verschiedene vom K-Tipp angefragte Juristen bezweifeln die Wirksamkeit solcher widersprüchlicher Klauseln, in denen die Anbieter etwas versprechen, ohne dafür geradestehen zu wollen. Die Kunden stehen deshalb nicht schutzlos da. Daniel Häusermann von der Uni St. Gallen hält fest: «Wenn die versprochene Maximalleistung massiv und dauernd unterschritten wird, ist eine Preisreduktion gerechtfertigt.»
Entgegenkommen der Swisscom
Das wissen offenbar auch die Anbieter. Andres Siegenthaler hat Swisscom vorgeschlagen, als Ausgleich gratis im Schweizer Festnetz telefonieren zu dürfen. Swisscom war schliesslich bereit, zwölf Monate lang die Telefonrechnung um 10 Franken zu senken. Swisscom-Sprecherin Myriam Ziesack betont jedoch, dies sei eine Ausnahme.
Trotzdem lohnt es sich, zu verhandeln. Reinhard Perle – er surft in Buhwil TG mit 1300 statt 5000 kbit/s – offerierte Swisscom drei Gratismonate. Hier spricht Ziesack von einem «Neukundenangebot», denn Perle interessiert sich für ein teureres Internet-Abo.
So schnell ist Ihr Anschluss wirklich
Auf www.cnlab.ch/speedtest test können Sie überprüfen, wie schnell Ihr Internet-Anschluss effektiv ist. Die Seite verbindet mit den Geschwindigkeitsmessern mehrerer Provider (u.a. Swisscom, Sunrise, Cablecom). Liegen Ist- und Sollgeschwindigkeiten Ihres Anschlusses weit auseinander, lohnt sich allenfalls ein günstigeres Abo. Oder schlagen Sie Ihrem Anbieter eine Reduktion der Monatspauschale vor. Lehnt er ab, entscheiden Sie selbst über die Höhe des Abzugs. Beharrt der Anbieter auf dem vollen Betrag, müsste er diesen gerichtlich einklagen und belegen, dass er die vertraglich versprochene Leistung erbringt.