Heikler Einsatz im Heim
14-jährige Schülerinnen, die in den Ferien und am Wochenende ein Pflegeteam im Altersheim unterstützen: Das ist verboten. Trotzdem wird in Inseraten nach solchen Arbeitskräften gesucht.
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K-Tipp 14/2006
06.09.2006
Natalie Avanzino - natalie.avanzino@ktipp.ch
Das Alters- und Pflegeheim St. Johann in Hergiswil (LU) suchte im April per Inserat «Schülerinnen ab 14 Jahren für die Betreuung». In der Zwischenzeit wurden tatsächlich junge Frauen angestellt, die dem Pflegepersonal im Heim «zur Hand gehen».
Eine K-Tipp-Redaktorin gab sich als interessierte Mutter aus und fragte nach: Die Schülerinnen arbeiten am Wochenende und in den Ferien, helfen zum Beispiel Tee ausschenken, machen Handreichungen, spielen Karten oder fahren Bewohner ...
Das Alters- und Pflegeheim St. Johann in Hergiswil (LU) suchte im April per Inserat «Schülerinnen ab 14 Jahren für die Betreuung». In der Zwischenzeit wurden tatsächlich junge Frauen angestellt, die dem Pflegepersonal im Heim «zur Hand gehen».
Eine K-Tipp-Redaktorin gab sich als interessierte Mutter aus und fragte nach: Die Schülerinnen arbeiten am Wochenende und in den Ferien, helfen zum Beispiel Tee ausschenken, machen Handreichungen, spielen Karten oder fahren Bewohner des Heims, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, spazieren - «bei Eignung auch mehr», so die telefonische Auskunft. Im «St. Johann» arbeiten die Schülerinnen teils mehr als acht Stunden am Tag, dies für einen Stundenlohn von Fr. 8.60.
Inserateformulierung: «Ungeschickt»
Laut Gesetz dürfen Jugendliche erst ab 15 Jahren (maximal) acht Stunden am Tag arbeiten. Schülerinnen und Schülern ab 13 Jahren sind lediglich Botengänge und leichte Arbeiten während zwei bis drei Stunden gestattet - generell zwischen 6 und 20 Uhr und nur an Werktagen, nicht aber am Wochenende (Sonntagsarbeit ist bis zum 19. Lebensjahr generell verboten).
Während der Schulferien darf ab dem 14. Altersjahr jeweils acht Stunden am Tag gearbeitet werden, aber während höchstens der Hälfte der (mindestens drei Wochen dauernden) Schulferien (siehe auch Tabelle).
Elsbeth Wandeler, Präsidentin des Schweizerischen Verbandes der Pflegefachfrauen und -männer (SBK), spricht im Zusammenhang mit solchen Jobs von «Missbrauch». Sie beanstandet, dass in Pflegeheimen aufgrund des Kostendrucks oft mit unzureichend ausgebildetem Personal gearbeitet werde. Für Wandeler ist ebenso klar: Selbst die so genannt leichteren Arbeiten müssten zwingend vom Pflegepersonal begleitet werden. Wandeler kritisiert und fordert zugleich:
- Die Patientensicherheit sei durch unquali?ziertes Personal gefährdet.
- Personal ohne jegliche Erfahrung dürfe in Alters- und Pflegeheimen selbst für leichte Arbeiten nicht angestellt werden, da Arbeit im Pflegebereich eine psychisch stark belastende Aufgabe darstelle.
- Durch günstige Arbeitskräfte würden die ohnehin bereits tiefen Löhne im Langzeitpflegebereich zusätzlich gedrückt.
Der Leiter des «St. Johann», Peter Heer, wiegelt ab. Auf Anfrage sagt er, dass ihm die gesetzlichen Alterslimiten für Arbeiten von Jugendlichen durchaus bekannt seien. Laut Heer sind keine 14-jährigen Schülerinnen angestellt worden. Er bezeichnet die Formulierung im Inserat als «ungeschickt». In Zukunft werde man den Text auf «ab 15 Jahren» anpassen.
«Mit solch einem Job überfordert»
Der Heimleiter betont, er habe bis anhin aber nur positive Erfahrungen gemacht: Die Schülerinnen möchten etwas verdienen, und die Heimbewohner pro?tierten vom Kontakt mit jungen Menschen. «So gesehen, sind alle Beteiligten Gewinner», ist Heer überzeugt.
Ob 14- oder 15-jährig: Margrit Kessler von der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO) ist über diese Praxis entsetzt und bezweifelt die «Qualität einer jugendlichen Betreuungsperson» grundsätzlich. Kessler ist überzeugt, dass «ein Kind, ohne Begleitung der Eltern, mit solch einem Job überfordert ist». Deshalb könne der Beruf der Pflegefachfrau auch erst mit 18 Jahren erlernt werden.