«Herr Couchepin, bitte mehr Engagement!»
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K-Tipp 12/2001
20.06.2001
Konsumenten-Organisationen kritisieren den Bundesrat
Pascal Couchepin will den Konsumenten-Organisationen erst dann mehr Geld geben, wenn sie mehr Mitglieder haben. Die Leiterinnen der Organisationen kontern: «Wir haben genug Rückhalt in der Bevölkerung.»
«Der freie Markt bietet den Konsumenten am meisten Schutz», sagt Bundesrat Couchepin. Das stimmt nicht.
Ohne die Konsumentenorganisationen wären heute Lebensmittel kaum deklariert. Preise wär...
Konsumenten-Organisationen kritisieren den Bundesrat
Pascal Couchepin will den Konsumenten-Organisationen erst dann mehr Geld geben, wenn sie mehr Mitglieder haben. Die Leiterinnen der Organisationen kontern: «Wir haben genug Rückhalt in der Bevölkerung.»
«Der freie Markt bietet den Konsumenten am meisten Schutz», sagt Bundesrat Couchepin. Das stimmt nicht.
Ohne die Konsumentenorganisationen wären heute Lebensmittel kaum deklariert. Preise wären lausig oder gar nicht angeschrieben. Gentechnisch veränderte Lebensmittel würden vermutlich zu unserem Alltag gehören. Es gäbe kein griffiges Gesetz, welches den unlauteren Wettbewerb verbietet. Niemand würde gegen Firmen vorgehen, die Konsumentinnen und Konsumenten mit falschen Versprechen über den Tisch ziehen. Niemand würde opponieren, wenn Banken klammheimlich das klein Gedruckte abändern.
Kurz: Wer, ausser den Konsumentenorganisationen, würde sich für den Konsumentenschutz, wie er in der Verfassung verankert ist, einsetzen?
Das Recht auf gesunde Nahrungsmittel, sichere Produkte, Information und Wahlfreiheit sind zwar Grundrechte. Doch es braucht jemanden, der dafür kämpft.
Als oberster Konsumentenschützer sollte man von Herrn Couchepin adoch etwas mehr Engagement erwarten dürfen!
7 Rappen pro Kopf sind zu wenig.
Ein schlagkräftiger Konsumentenschutz stärkt die Wirtschaft, denn er vermiest schwarzen Schafen das Leben, sichert die Bürgerrechte und fördert das wirtschaftliche Wohlergehen. Auch die beste Politik ist nicht automatisch eine gute Konsumentenpolitik, wie uns Bundesrat Couchepin weismachen will.
Der freie Markt kann nicht gleichzeitig eigene und Konsumenteninteressen wahrnehmen. Das Missverhältnis zwischen Wirtschaft und Käufern ist dermassen gross, dass regulierende Einflüsse gerechtfertigt sind - selbst staatliche.
Heute unterstützt die Eidgenossenschaft die Konsumentenverbände mit 7 Rappen pro Einwohner. Im Verhältnis zu den 50 Rappen, die der deutsche Staat da- für spricht, ist das äusserst bescheiden.
Die knappen Mittel hindern die Konsumentenorganisationen zum Beispiel, gerichtlich gegen unseriöse Waren- und Dienstleistungsanbieter vorzugehen, denn Prozesse sind teuer. Das ist ein enormer Nachteil für Konsumentinnen und Konsumenten, aber ebenso für vertrauenswürdige Unternehmen.
Mündige Bürger brauchen unabhängige Informationen von starken Organisationen, Herr Couchepin!
Auch das Konsumentenforum setzt auf mündige Konsumenten. Aber nur ein informierter Konsument ist ein mündiger Konsument.
Im heutigen Konsumdschungel kann sich der Einzelne kaum mehr Informationen in allen Gebieten selbst beschaffen. Diese Aufgabe übernehmen die Konsumentenorganisationen für ihn.
Seriöse, verständliche Information und hilfreiche Einkaufsratgeber setzen Knowhow voraus. Von unserer Tätigkeit profitieren auch Nichtmitglieder und der Staat. Wer anders als die Konsumentenorganisationen können neue Gesetze und Verordnungen auf ihre Konsumentenfreundlichkeit prüfen und in Kommissionen und Arbeitsgruppen die Interessen der Konsumenten vertreten?
Für die Gesundheitsfürsorge wird von jedem Krankenkassen-Mitglied über ein Franken für Prävention abgezweigt. Wie wäre es, den gleichen Betrag für sachliche, unabhängige Information und konstruktive Interessenvertretung durch die Konsumentenorganisationen einzusetzen?
Unser Einsatz für die Konsumenten ist nicht überflüssig!
Die Subventionen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements machen 6 Prozent unseres Budgets aus. Ist das bereits zu viel?
Im Gegensatz zu Herrn Couchepins Ansicht arbeiten die Konsumentenorganisationen keineswegs ohne Rückhalt in der Bevölkerung. Sie wirken vielmehr täglich an einem besseren Schutz für die Konsumentinnen und Konsumenten mit - und zwar mit deren Unterstützung. Die Konsumentinnen und Konsumenten werden sehr wohl aktiv, wenn sie auf Probleme stossen; sie wenden sich an uns, damit wir ihre Interessen verteidigen!
Am 14. Juni 1981 haben sie sich klar dafür ausgesprochen, dass der Bund Massnahmen trifft mit dem Ziel, sie zu schützen. Die Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds war in den vergangenen 20 Jahren nicht derart günstig und verlässlich, dass unser Einsatz heute überflüssig wäre: Die 14000 Personen, die uns letztes Jahr um Hilfe und Rat ersucht haben, beweisen, dass die rechtlichen Lücken noch immer zahlreich sind und dass der freie Markt keineswegs automatisch für Transparenz und grösseren Schutz sorgt.