Hersteller pfuschen, der Bund jedoch zögert
Inhalt
K-Tipp 8/2002
17.04.2002
Fehlerhafte Gebrauchsgüter: Schweizer Konsumenten werden schlecht informiert
Stromschläge, Verbrennungen, Brüche: Mangelhafte Produkte können gefährlich sein. Doch der Bund hats mit griffigen Massnahmen nicht eilig.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Der Fall, der im K-Tipp vor drei Jahren geschildert wurde, ist hässlich. Er betrifft eine 32-jährige Frau, der ein mangelhafter Elektro-Mixer den rechten Zeigefinger heftig verdrehte. Die vierfache M...
Fehlerhafte Gebrauchsgüter: Schweizer Konsumenten werden schlecht informiert
Stromschläge, Verbrennungen, Brüche: Mangelhafte Produkte können gefährlich sein. Doch der Bund hats mit griffigen Massnahmen nicht eilig.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Der Fall, der im K-Tipp vor drei Jahren geschildert wurde, ist hässlich. Er betrifft eine 32-jährige Frau, der ein mangelhafter Elektro-Mixer den rechten Zeigefinger heftig verdrehte. Die vierfache Mutter war über längere Zeit zu 100 Prozent arbeitsunfähig und musste mehrmals wöchentlich den Physiotherapeuten aufsuchen.
Ein Einzelschicksal? Keineswegs. Im Oktober 2001 breitete die Zeitschrift «Beobachter» eine Vielzahl von Fällen aus, in denen Konsumgüter wegen gravierender Mängel vom Markt verschwinden mussten. Und das nicht selten, nachdem sie Unfälle verursacht hatten.
60 Rückrufe von Autotypen in 9 Monaten
So erlitt zum Beispiel ein Ehepaar schwere Verbrennungen, weil eine Serie von Rechaud-Gasdosen ungenügende Ventile aufwies. Und ein Mann lag 24 Stunden auf der Intensivstation des Spitals, nachdem er via Computer-Bildschirmkabel einen Stromschlag erlitten hatte.
Sicher: Nicht immer zeitigen Produktemängel derart gravierende Folgen. Zu denken geben sollte aber zum Beispiel schon, dass der TCS kürzlich innert neun Monaten 60 Rückrufe von Fahrzeugtypen verzeichnete oder dass das Eidgenössische Starkstrominspektorat jährlich Dutzende Verkaufsverbote für teils lebensgefährliche Haushaltgeräte und Lampen verhängt.
Doch der Bund lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Berns Mühlen mahlen langsam. Sehr langsam. Bereits 1993 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD), einen Bericht über die allgemeine Sicherheit der Konsumgüter zu erarbeiten. Konkret war zu klären, ob unser Land die EU-Richtlinie über die allgemeine Produktesicherheit übernehmen solle.
Die Richtlinie verpflichtet Hersteller, nur sichere Güter in Verkehr zu bringen. Und sie enthält eine Liste von Massnahmen und Sanktionen, mit denen die EU-Staaten durchsetzen können, dass die Sicherheitsauflagen auch eingehalten werden.
So weit wollte man hierzulande aber nicht gehen. Anfang 1996 riet ein Zwischenbericht sinngemäss: Hände weg von der EU-Richtlinie! Die Autoren empfahlen lediglich, «angesichts der grossen Bedeutung des ganzen Bereichs» die Frage der Produktesicherheit weiter zu analysieren. Was dann auch geschah. Und zwar ausgiebig.
Im Sommer 2000 legte die zuständige Arbeitsgruppe endlich ihren Schlussbericht vor. Dessen Fazit: Die Übernahme der EU-Richtlinie über die allgemeine Produktesicherheit dränge sich - wie schon im Zwischenbericht von 1996 festgehalten - wirklich nicht auf.
Ein bisschen Handlungsbedarf ortete die Arbeitsgruppe dann doch noch. Unter anderem empfahl sie zu prüfen, ob die Schweiz Anschluss an die EU-Meldesysteme Rapex und Ehlass/ Euphin suchen solle.
Rapex ist ein im ganzen EU-Raum geltendes Schnellinformationssystem, das in Gang gesetzt wird, sobald «ein Erzeugnis eine ernste und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit oder die Gesundheit der Verbraucher darstellt». Die zuständigen Behörden aller EU-Staaten erhalten so jeweils unverzüglich Kenntnis über gravierende Produktemängel - und können rasch handeln.
Das Meldesystem Ehlass/ Euphin ergänzt Rapex mit Daten über Heim- und Freizeitunfälle, die oft auf fehlerhafte oder falsch eingesetzte Geräte zurückgehen.
Für den Bund ist eine Umsetzung «verfrüht»
Und was hält der Bundesrat von dieser Sache? Vor wenigen Tagen hat er das in Pascal Couchepins EVD untergebrachte Büro für Konsumentenfragen beauftragt, künftig Infos, Fragen und Klagen aus der Bevölkerung zur Sicherheit der Konsumgüter zu sammeln und an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Zudem soll das Büro eine öffentlich zugängliche Gesetzesdatenbank zur Produktesicherheit schaffen.
Was hingegen den ungleich wichtigeren Anschluss an Rapex und Ehlass/Euphin oder die Einrichtung vergleichbarer schweizerischer Meldesysteme betrifft, schreibt der Bundesrat: «Es wäre verfrüht, eine solche Umsetzung an die Hand zu nehmen, weil einerseits diese Systeme gegenwärtig in der EU neu evaluiert werden und andererseits ein bilaterales Abkommen ausgehandelt werden müsste.»
Das Warten geht weiter.