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K-Tipp 6/2002
20.03.2002
Bio-Bauern streiten sich: Knospe für «tote Konservenmilch»?
UHT-Milch und Bio-Bauern: Für die einen ein zweifelhaftes Produkt, für die anderen ein wirksames Mittel, um den Biomilch-Absatz anzukurbeln.
Pia Seiler pseiler@ktipp.ch
UHT-Milch ist praktisch. Sie ist bei Zimmertemperatur bis sechs Monate lang haltbar: Dazu wird sie hoch erhitzt, homogenisiert, bactofugiert - und ist danach keimfrei. Heute geht denn auch knapp die Hälfte der Milch als ...
Bio-Bauern streiten sich: Knospe für «tote Konservenmilch»?
UHT-Milch und Bio-Bauern: Für die einen ein zweifelhaftes Produkt, für die anderen ein wirksames Mittel, um den Biomilch-Absatz anzukurbeln.
Pia Seiler pseiler@ktipp.ch
UHT-Milch ist praktisch. Sie ist bei Zimmertemperatur bis sechs Monate lang haltbar: Dazu wird sie hoch erhitzt, homogenisiert, bactofugiert - und ist danach keimfrei. Heute geht denn auch knapp die Hälfte der Milch als UHT über den Ladentisch - Tendenz steigend.
An dieser Milch scheiden sich die Geister:
- Die einen Biobauern sehen neue Absatzchancen und möchten ihre Milch in Zukunft auch als UHT mit Knospe-Label verkaufen.
- Die anderen sprechen von «toter Konservenmilch» und warnen vor einer Verwässerung der Bionormen.
Nach heftigen Diskussionen entscheiden nun am 10. April die Delegierten von Bio Suisse, der Vereinigung der Biolandbauern: Darf UHT-Milch auch mit Knospe verkauft werden?
Für Christof Dietler, Geschäftsleiter von Bio Suisse, «kein einfacher Entscheid». Die Zeit sei jedoch reif, den gesellschaftlichen Realitäten und Essgewohnheiten der Konsumenten Rechnung zu tragen. So argumentiert auch Bio-Suisse-Präsidentin Regina Fuhrer. Sie verweist auf Convenience-Nahrungsmittel wie Fertigpizza und Pommes Chips, die heute schon mit Knospe erhältlich sind.
Wichtig sei es, die Milch deutlich als UHT zu kennzeichnen. Zudem wolle man das schonendste UHT-Verfahren einführen, sagt Christof Dietler, für den der Beschluss «keine Schicksalsfrage» ist. «Wir lassen ja auch die Pasteurisation zu. Und wer UHT-Milch kauft, weiss, dass er zu einer Konserve greift».
Zwischen Pasteurisation und UHT gibt es für den Berner Kantonschemiker Urs Müller einen gewichtigen Unterschied: Die konventionelle Past-Milch wird auf 85 Grad erhitzt - und enthält nach wie vor eine grosse Zahl naturbelassener Keime.
Im Ultrahoch-Temperatur-Verfahren UHT hingegen wird die Milch mit Dampf auf 150 Grad erhitzt. Dabei sterben alle Keime ab. «Die Pasteurisation ist deshalb ein weit schonenderes Verfahren als UHT», so Müller.
Zudem werden beim UHT-Prozess die Milch-Eiweisse verändert - in einem höheren Mass als bei der Pasteurisation. Des Weiteren benötigt man für die Packung Alufolie als Lichtschutz - ein Material, das im Biolandbau verpönt ist.
«UHT-Verfahren passt nicht zum Begriff Bio»
Fazit von Urs Müller: «Ein solches Verfahren passt nicht zum Begriff Bio. Der Eingriff in das Naturprodukt Milch ist zu massiv.»
Gleicher Meinung ist Ernst Frischknecht, Biobauer und bis letzten Sommer Präsident von Bio Suisse. Viel schlimmer noch als die Zerstörung aller Keime ist für ihn, dass sich die Eiweiss-Struktur beim UHT-Prozess verändert. «Und bis die Wissenschaft nicht das Gegenteil beweisen kann, behaupte ich: Diese denaturierten Eiweisse schaden dem Menschen.»
«Was wollen wir mit der Knospe?», fragt Biobauer Frischknecht. «Wollen wir mit zweifelhaften Produkten eine möglichst schnelle Expansion anstreben und dafür die Richtlinien verwässern?» Frischknecht gibt die Antwort selber: «Die Knospe war bisher Garant für schonend produzierte und schonend weiterverarbeitete Produkte. Ich bin dagegen, diese Grundsätze mutwillig preiszugeben.»
Dies erst recht, weil für Frischknecht durchaus eine Alternative für eine gut haltbare Milch besteht - nämlich die Pastmilch.
Milch ist nicht gleich Milch - Die Unterschiede zwischen Rohmilch, Pastmilch und UHT-Milch
- Rohmilch gibt es heute fast nur noch frisch ab Bauernhof. Sie ist drei bis vier Tage haltbar und muss vor dem Konsumieren aufgekocht werden (Marktanteil rund 15 Prozent).
- Pastmilch wird auf 72 bis 85 Grad erhitzt und homogenisiert. Sie enthält nach der Pasteurisation noch immer viele Keime und ist gekühlt 10 Tage haltbar (Marktanteil rund 35 Prozent).
- UHT-Milch durchläuft einen Ultrahochtemperatur-Prozess, bei dem sich die Milch geschmacklich leicht verändert. Beim direkten Verfahren wird die Milch mit Dampf auf 150 Grad erhitzt. Es gilt als schonender als das indirekte Verfahren, bei dem die Milch 140 Grad erreicht und langsamer abkühlt. UHT-Milch ist keimfrei und ungekühlt sechs Monate haltbar (Marktanteil ca. 50 Prozent).