Hohe Richter stützen hohe Preise
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K-Tipp 2/2000
09.02.2000
Kasten: Schweiz und England im Vergleich
So viel teurer ists bei uns (ohne Mehrwertsteuer):
Gillette Mach 3: + 45 %
Kodak Gold: + 16 %
Pampers: + 73 %
Bundesgericht verbietet konsumentenfreundliche Parallelimporte - mit Hilfe von SP-Richtern Das Bundesgericht hat dem Parallelimport von Windeln, Markenfilmen oder Rasierklingen den Riegel geschoben. Ein Paket "Pampers" kostet somit in der Schweiz wohl weiterhin rund 73 Prozent mehr als in ...
Kasten: Schweiz und England im Vergleich
So viel teurer ists bei uns (ohne Mehrwertsteuer):
Gillette Mach 3: + 45 %
Kodak Gold: + 16 %
Pampers: + 73 %
Bundesgericht verbietet konsumentenfreundliche Parallelimporte - mit Hilfe von SP-Richtern Das Bundesgericht hat dem Parallelimport von Windeln, Markenfilmen oder Rasierklingen den Riegel geschoben. Ein Paket "Pampers" kostet somit in der Schweiz wohl weiterhin rund 73 Prozent mehr als in England.
Der Entscheid des höchsten Gerichts fiel mit drei zu zwei Stimmen nur knapp. Und laut Kassensturz haben neben Gerichtspräsident Hans Peter Walter (FDP) ausgerechnet SP-Richterin Kathrin Klett und SP-Richter Jean-Jacques Leu den Konsumentinnen und Konsumenten die kalte Schulter gezeigt. Lediglich der Freisinnige Bernard Corboz und SVP-Vertreter Franz Nyffeler urteilten markt-
und konsumentenfreundlich.
Nach dem jüngsten Verdikt aus Lausanne müssen Verkäufer in der Schweiz alle patentierten Produkte über die vom Hersteller bestimmten Vertriebskanäle beziehen. Der Parallelimport, der tiefere Verkaufspreise erlaubt, weil Markenartikel wie Kodak-Filme, Pampers-Windeln und Gillette-Rasierklingen im Ausland oft deutlich günstiger sind, ist illegal.
Für SP-Nationalrat und Preisüberwacher Werner Marti steht fest: "Bleibt es bei der Regelung des Bundesgerichts, haben die Konsumenten das Nachsehen, während die Marken- produzenten absahnen."
Konzerne kassieren zulasten der Konsumenten
Der Präsident der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), SP-Nationalrat Peter Vollmer, doppelt nach: "Die Konzerne kassieren immer noch Kartellrenten zulasten der Konsumenten, und das ist skandalös."
"Überrascht" beziehungsweise "irritiert" zeigen sich die SP-Vertreter Marti und Vollmer aber auch über die Bundesrichterin und den Bundesrichter aus ihrer Partei, die ja hinter dem umstrittenen Lausanner Entscheid stehen.
Das Zürcher Handelsgericht hatte zuvor im Rechtsstreit zwischen Kodak Schweiz und der Jumbo-Markt AG noch für die Konsumenten entschieden. Sein Urteil ist nach dem Richterspruch aus Lausanne Makulatur - und der Schweiz bleiben die hohen Preise erhalten: Das Paket "Pampers" zum Beispiel ist im englischen Supermarkt ohne Mehrwertsteuer für 6.65 Pfund zu haben, wie George Knight, Spezialist für Parallelimporte, im Kassensturz erklärte. Das sind umgerechnet rund Fr. 17.70. In der Schweiz kosten dieselben Windeln ohne Mehrwertsteuer Fr. 30.60 - also 73 Prozent mehr (siehe Kasten).
Mit seinem Urteil wollte das Bundesgericht unter anderem eine schweizerische Vorreiterrolle in Bezug auf Parallelimporte verhindern. Die Markenhersteller wiederum begründeten die in der Schweiz verlangten hohen Preise gemäss Kassensturz mit höheren Lohn-, Werbe- und Marketingkosten. Zudem machten sie geltend, Parallelimporte kämen oft weniger den Konsumenten als vielmehr den Grauhändlern zugute, die ihre eigene Marge vergrössern wollten.
Preisüberwacher fordertneues Patentrecht
Der Bundesrat sieht das offenbar anders: Bei den Arzneimitteln etwa plant er den Parallelimport explizit zu-zulassen, um die Gesundheitskosten zu senken.
Nach dem "Njet" aus Lausanne kommt die freie Einfuhr laut Preisüberwacher Marti aber bloss noch für Medikamente in Frage, die nicht (mehr) unter Patentschutz stehen.
Wie solls jetzt weitergehen? Sowohl für Marti als auch für den SKS-Präsidenten Vollmer steht fest: Der Gesetzgeber darf das konsumentenfeindliche Urteil des höchsten Gerichts nicht einfach hinnehmen. Es brauche eine rasche Änderung des Patentrechts, sagt Vollmer und fügt hinzu: "Ich bin überzeugt, dass der Bund das jetzt anpackt."
Eine solche Revision ist jedoch alles andere als ein Spaziergang. Zumal, wenn - wie SP-Nationalrätin und SKS-Geschäftsführerin Simonetta Sommaruga festgestellt hat - etwa die Pharmaindustrie im Parlament bereits "heftig an der Arbeit ist, dass die hohen Medikamentenpreise in der Schweiz ja nicht ins Rutschen geraten".
Gery Schwager