Es wurde viel Druck gemacht», erinnert sich Benjamin Mürner aus Biel. Er war im März 2005 mit der Firma Sunshine Touristik in der Südtürkei. Der Besuch der Teppichfabrik Tavas Hali in Denizli gehörte zum festen Programm. Dort wurde der Schweizer schon bald von gerissenen Verkäufern in Beschlag genommen.
«Ich habe mich nicht frei gefühlt», sagt Mürner. Am Schluss war er allein mit einem Verkäufer in einem Einzelraum, die Tür war zu, und draussen stand ein Wächter. «Ich war wie ein Gefangener in einem gesicherten Raum.» Schliesslich unterschrieb er einen Teppich-Kaufvertrag über 9000 Franken.
Aber: Mürner hat nicht das erhalten, was man ihm versprochen hat. Die Anzahl Knoten ist kleiner als im «Zertifikat für Qualitäts Nachweis» angegeben, und der Teppich stammt nicht aus der Türkei, sondern aus der iranischen Stadt Ghom. In der Schweiz würde er nur 5800 Franken kosten.
Dies alles steht in einem Gutachten der Expertenkommission der schweizerischen Interessengemeinschaft Orienttepich (IGOT). Seit der K-Tipp im Januar 2005 über solche Teppichkäufe berichtet hatte, ist bei der IGOT die Zahl der Dossiers mit Rat suchenden Türkeireisenden auf rund 300 gestiegen.
«Türkischer» Teppich stammt aus China
Die gemeinsamen Merkmale der Fälle sind gemäss IGOT:
- Im Schnitt haben die Kunden im Vergleich zum Detailhandelswert in der Schweiz ein Drittel zu viel bezahlt,
- oft erhalten sie nur zweite oder dritte Qualität,
- die Knotenzahl stimmt nicht oder
- das vermeintlich türkische Stück stammt aus China (wo die Herstellung massiv billiger ist).
Benjamin Mürner darf sich - im Gegensatz zu vielen andern - noch Hoffnung machen: Weil er nur 2000 Franken angezahlt hat, wird sich IGOT-Präsident Bruno Meier beim Verkäufer für eine Preisreduktion einsetzen. Die Firma hat Entgegenkommen signalisiert.
9000 Franken bezahlt - 5500 Franken zu viel
Für eine Frau aus Embrach ZH hingegen kommt jede Hilfe zu spät: Sie hat bereits die vollen 9000 Franken überwiesen für einen Teppich, der nicht wie angegeben 160 000 Knoten pro Quadratmeter hat, sondern nur 65 000. In der Schweiz würde er gemäss IGOT-Schätzung 3500 Franken kosten. Sie ist mit Castor gereist, gekauft hat sie bei Honaz Hali in Denizli.
Enttäuscht ist auch C.K., die im November vor einem Jahr mit Vögele in der Südtürkei war. Sie hat bei Yeni Kolleksiyon für rund 10 000 Franken einen Teppich gekauft, der gemäss IGOT eindeutig aus China stammt und in der Schweiz nur 7000 Franken kosten würde. «Die Reiseveranstalter müssten die Kunden besser schützen, damit sie nicht übers Ohr gehauen werden», lautet ihr bitteres Fazit.
Die Fälle zeigen: Auf billigen Türkei-Trips riskiert man, Ramsch zu kaufen. Das gilt übrigens auch für Schmuck, wie der K-Tipp in der Ausgabe 2/05 gezeigt hat.
Das sind die wichtigsten Tipps für Leute, die den Teppichverkäufern nicht widerstehen können:
- Verlangen Sie nebst dem Kaufvertrag vor Ort auch einen unterschriebenen Produktebeschrieb mit Angaben über Herkunftsland, Knüpfort, Mass, Material und Knotenzahl.
- Machen Sie höchstens eine kleine Anzahlung.
- Wenn der Teppich in der Schweiz ausgeliefert wird, sind Sie gemäss Gesetz verpflichtet, die Lieferung genau zu prüfen, um festzustellen, ob sie dem entspricht, was Sie bestellt haben. Falls Sie dazu ein Gutachten der IGOT brauchen, muss der Überbringer bzw. Verkäufer so lange auf die Restzahlung warten.
- Zahlen Sie den Restbetrag nicht an der Tür, sondern nur per Einzahlungsschein.
- Verlangen Sie, dass der Kaufvertrag ein Rücktrittsrecht innert sieben Tagen enthält. Solche Käufe gelten auch nach türkischem Recht als Haustürgeschäfte.
- Die meisten Teppichverträge enthalten keinen Hinweis auf ein Rücktrittsrecht. Das ist eine Chance für Käuferinnen und Käufer. Sie können auch nachträglich noch - sogar Monate später - vom Kaufvertrag zurücktreten mit folgendem Satz: «Ich habe erst jetzt erfahren, dass ich gemäss türkischem Recht ein Rücktrittsrecht habe. Darauf haben Sie mich nicht aufmerksam gemacht. Deshalb darf ich auch jetzt noch von meinem Kaufvertrag zurücktreten, was ich hiermit tue.»
Rückerstattung nach langer Zeit möglich
Der türkische Verkäufer muss dann den Teppich abholen und die bereits bezahlte Summe zurückerstatten. Der K-Tipp kennt einen solchen Fall von Rückerstattung.
- Sie können den Vertrag auch mit dem Hinweis anfechten, dass der Teppich nicht die Eigenschaften hat, die im Vertrag bzw. Produktebeschrieb zugesichert wurden. Dazu brauchen Sie aber ein Expertengutachten.
Weitere Infos finden Sie unter www.igot.ch.