In nur 65 Minuten waren 6684 Franken weg
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K-Tipp 16/2001
03.10.2001
Gestohlene Postcard zum Gelben Konto Die Post macht es Kartendieben besonders leicht - sie können ein Konto schnell plündern
Einer Frau wurde die Postcard gestohlen. Weil die Diebe auch den Pin-Code erspähten, konnten sie rasch viel Geld abheben - mehr als mit einer Bankkarte möglich gewesen wäre.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Protokoll eines Raubzuges: Um 16.41 Uhr heben Diebe mit einer gestohlenen Postcard an einem Bancomaten 1000 Frank...
Gestohlene Postcard zum Gelben Konto Die Post macht es Kartendieben besonders leicht - sie können ein Konto schnell plündern
Einer Frau wurde die Postcard gestohlen. Weil die Diebe auch den Pin-Code erspähten, konnten sie rasch viel Geld abheben - mehr als mit einer Bankkarte möglich gewesen wäre.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Protokoll eines Raubzuges: Um 16.41 Uhr heben Diebe mit einer gestohlenen Postcard an einem Bancomaten 1000 Franken ab. In den nächsten zehn Minuten beziehen sie an Schaltern in der Poststelle Winterthur 1 viermal hintereinander je 500 Franken in bar.
In den anschliessenden 13 Minuten machen sie an den Schaltern in der Poststelle Winterthur 2 zwei Bezüge zu total 900 Franken.
Und zwischen 17.09 und 17.46 Uhr kaufen sie in zwei Winterthurer Läden für insgesamt 2784 Franken ein.
Das Ganze dauerte 65 Minuten; in dieser Zeit haben die Täter vom Postkonto von Stephanie Meister (Name geändert) insgesamt 6684 Franken erbeutet.
Um 18.25 Uhr hat die Frau ihre Postcard telefonisch sperren lassen.
«Sie wurden bei der Pin-Eingabe beobachtet»
Inzwischen weiss man: Die Diebe haben nicht nur die Kontokarte zum Gelben Konto der 70-jährigen Frau gestohlen, sondern sie konnten auch ihren Pin-Code in Erfahrung bringen - offenbar indem sie ihr über die Schulter schauten. «Wir müssen davon ausgehen, dass Sie bei der Pin-Eingabe beobachtet wurden», schrieb ihr die Post.
Dass eine solche Postcard-Kontoplünderung in so kurzer Zeit möglich sein soll - das will der bestohlenen Frau nicht in den Kopf. Es sei doch klar, dass «ein berechtigter Bezüger nicht von einem Schalter zum anderen und von einer Post zur anderen rennt und in Minutenabständen sechsmal Teilbeträge» abhebt, schreibt sie. Wenn das drinliege, dann fehle bei der Post eine «funktionierende Sicherung gegen diese Art von Missbrauch».
Doch genau diesen Missbrauch innert kürzester Zeit lassen die geltenden Bezugslimiten der Postcard zu - unter anderem auch deshalb, weil die drei Limiten kumulierbar sind:
- An Postomaten der Post beziehungsweise Bancomaten einer Bank kann man mit Postcard und Pin-Code pro Tag 1000 Franken abheben.
- Für Einkäufe stehen den Postcard-Inhabern zusätzlich 3000 Franken pro Monat zur Verfügung. Auch hier genügt der Code. Eine Unterschrift ist im Geschäft nicht verlangt.
- Was viele nicht wissen: Am Schalter kann man mit der Postcard über das ganze Guthaben verfügen - und zwar bis zum Betrag von 4000 Franken ebenfalls ohne Ausweis und Unterschrift. Postcard am Kartenlesegerät einschieben, den Code eintippen, die gewünschte Summe nennen - schon schiebt das Schalterpersonal das Geld rüber.
Opfer empört sich: «Post handelt grobfahrlässig»
Mit anderen Worten: Wenn auf dem Konto genügend Geld liegt, könnten gewiefte und schnelle Diebe mit der Postcard noch viel mehr Geld erbeuten als die rund 6700 Franken im konkreten Fall. Nämlich 8000 Franken.
«Wenn die Post so etwas zulässt, ist das schlicht und einfach grobfahrlässig», empört sich Stephanie Meister. Damit ist klar: Mit ihrer Limitenregelung macht die Post die Postcard für schnelle Langfinger sehr attraktiv. Sie können innert kurzer Zeit - ohne einen Ausweis zu zeigen oder unterschreiben zu müssen - viel Geld erbeuten.
Für Kriminelle ist die Postcard damit noch lohnender als die gängigen Bankkarten. Unter den gleichen Voraussetzungen (der Dieb kennt den Code, handelt sehr schnell und muss sich nirgends ausweisen) gilt bei den Banken:
- Mit einer EC-Karte der Credit Suisse können Diebe an Geldautomaten maximal 6000 Franken erbeuten und dann noch für 1000 Franken einkaufen. Voraussetzung ist, dass die Karte gleichzeitig CS-Kontokarte ist und beide Funktionen den gleichen Pin-Code haben.
- Bei UBS, Raiffeisen-Banken und Migros-Bank beträgt das maximale Verlustrisiko ebenfalls 7000 Franken.
- Bei Zürcher Kantonalbank und Coop-Bank liegt die Grenze unter diesen Voraussetzungen bei 6000 Franken.
- Wer nur eine EC-Karte hat (egal von welcher Bank, aber ohne direkte Zugriffsmöglichkeit auf sein Bankkonto), riskiert unter diesen Voraussetzungen einen Verlust von maximal 2000 Franken.
Gegen Schaden hilft nur schnelle Sperrung
Bei all diesen Angaben gilt: Haben die Diebe mehr als einen Tag Zeit, bis die Karte gesperrt wird, ist das Verlustrisiko bedeutend grösser.
- Bei den Kreditkarten ist das Schadenrisiko beim schnellen Zugriff im Wesentlichen begrenzt auf die Möglichkeit des Barbezuges (weil man beim Einkaufen unterschreiben muss). Je nach Karte und Limite bewegt sich dieser Betrag zwischen 1000 und 3000 Franken.
Auch hier ist das Schadenrisiko aber bedeutend grösser, wenn man den Verlust der Karte nicht bemerkt und sie lange nicht sperren lässt.
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Verlorene oder gestohlene Karte sofort sperren lassen!
Plastikgeld sollten Sie so gut hüten wie Bargeld. Das sind die wichtigsten Tipps, die Sie unbedingt beachten müssen.
- Ändern Sie den Code gleich nach Erhalt auf eine Zahlenkombination, die Sie sich gut merken können. Wählen Sie aber niemals leicht zu eruierende Kombinationen wie Telefonnummer oder Geburtstag.
- Hüten Sie Ihren Code so streng wie ein persönliches Geheimnis. Behalten Sie ihn nur im Kopf. Notieren Sie ihn nirgends - auch nicht in verschlüsselter Form. Sagen Sie den Code nie einer anderen Person - selbst wenn diese sich am Telefon als Polizist, als Mitarbeiter des Card-Centers oder einer Bank ausgibt.
- Bedecken Sie das Kartenlesegerät mit Ihrem Körper oder mit Ihrer Hand, wenn Sie den Code eintippen müssen. Ideal sind Automaten in nicht einsehbaren Nischen. Schlecht postiert sind die meisten Kartenlesegeräte in Geschäften.
- Lassen Sie sich beim Bargeldbezug an Automaten nicht von Fremden ansprechen oder ablenken. Trickdiebe versuchen oft, bei Bedienungsproblemen am Automaten zu helfen. Vermeiden Sie es in einer solchen Situation, den Code noch einmal einzutippen. Brechen Sie die Transaktion sofort ab, wenn Sie von Unbekannten angesprochen werden.
- Achten Sie darauf, ob Sie nach einer Transaktion angerempelt werden. Dann ist die Gefahr am grössten, dass man Ihnen das Portemonnaie bzw. die Karte stiehlt.
- Lassen Sie eine gestohlene Karte sofort sperren. Die Details zur Limitenregelung im Text zeigen, wie schnell Diebe Ihr Konto plündern können. Notieren Sie die Nummer der Sperrhotline der zuständigen Bank an verschiedenen Orten, damit Sie sie schnell zur Hand haben.
- Was viele nicht wissen: Sie können die Bezugslimiten nach unten setzen, um das Verlustrisiko zu begrenzen. Reden Sie darüber mit Ihrer Bank. Bei der Post ist das nicht möglich. Die Post hat auch nicht die Absicht, ihre Regelung zu ändern.
- Solange Sie die Karte nicht sperren lassen, haften Sie grundsätzlich voll für unrechtmässige Bezüge mit Ihrer Karte. Im Prinzip haben Sie also für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf eine Rückerstattung. Banken und Post haben aber so genannte Schadenkommissionen, die dem Kunden auf freiwilliger Basis einen Teil des Schadens dennoch ersetzen.
- Im Fall Stephanie Meister offerierte die Post am Schluss - nach hartnäckigem Drängen seitens der Kundin - 4000 Franken, also immerhin 60 Prozent.
- Die Banken übernehmen in der Regel 80 Prozent des Schadens auf freiwilliger Basis aber nur, wenn der Karteninhaber die geforderte Sorgfaltspflicht beachtet hat, also zum Beispiel den Pin-Code nirgends notiert hatte und den Verlust der Karte sofort meldete.