Jetzt gibts gute Gründe, mehr Lohn zu fordern
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K-Tipp 18/2000
01.11.2000
Gehälter Nach mageren Jahren besteht in vielen Wirtschaftszweigen Nachholbedarf - am meisten in den klassischen Niedriglohnbranchen
1,6 Prozent weniger Lohn als 1992: In Textil- und Gastgewerbe ist Schmalhans Küchenmeister. Auch in anderen Branchen blicken viele Beschäftigte auf magere Zeiten zurück - und verlangen bessere Saläre.
Gery Schwager gschwager@k-tip.ch
Die Zahlen der Konjunkturforschung Basel (Bak) bestätigen: Der Schweizer Wirtschaf...
Gehälter Nach mageren Jahren besteht in vielen Wirtschaftszweigen Nachholbedarf - am meisten in den klassischen Niedriglohnbranchen
1,6 Prozent weniger Lohn als 1992: In Textil- und Gastgewerbe ist Schmalhans Küchenmeister. Auch in anderen Branchen blicken viele Beschäftigte auf magere Zeiten zurück - und verlangen bessere Saläre.
Gery Schwager gschwager@k-tip.ch
Die Zahlen der Konjunkturforschung Basel (Bak) bestätigen: Der Schweizer Wirtschaft gehts blendend. Sie dürfte heuer einen Wachstumsschub von rund 3 Prozent erleben - so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und für 2001 rechnen die Bak-Experten mit einer weiteren Zunahme um 2,4 Prozent.
Jetzt müssen endlich auch die Saläre steigen, fordern die Gewerkschaften unmissverständlich. Ihr Ziel in der laufenden Lohnrunde: voller Ausgleich der Teuerung (von voraussichtlich 1,7 bis 2 Prozent) und mindestens 1,5 Prozent Reallohnerhöhung in allen Branchen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten punkto Gehalt und Arbeitsbedingungen lange genug Opfer gebracht, um die Rezession der Neunzigerjahre abzufedern. Oder wie es André Daguet, Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Smuv, formuliert: «Bei der Lohnanpassung besteht ein mehrjähriger Nachholbedarf.»
Tatsächlich: Seit 1992 sind die Löhne in vielen Branchen - nach Abzug der Teuerung - gesunken. Über die gesamte Wirtschaft hinweg beträgt der Reallohnverlust 0,1 Prozent.
Lohngefälle zwischen den Branchen wird grösser
Relativ gut stehen einzig Banken und Versicherungen da, wo die Löhne real um 7,9 beziehungsweise 6 Prozent zugelegt haben. Ein leichtes Plus verzeichnen daneben Chemie, Uhrenindustrie und Energieversorgung. Allerdings: Würde man bei der Teuerungsberechnung auch die Entwicklung der Krankenkassenprämien berücksichtigen, sähen die Reallohnzahlen weit düsterer aus.
Doch auch so haben Beschäftigte in den meisten Branchen wenig zu lachen. In den Bereichen Verkehr, Maschinenbau, Baugewerbe und Nahrungsmittel etwa haben die Gehälter seit 1992 um mindestens 1,3 Prozent abgenommen. Und die klassischen Niedriglohnbranchen Textil- und Gastgewerbe mussten gar einen Rückgang um 1,6 Prozent hinnehmen. Die Schere zwischen besser und schlechter entlöhnenden Wirtschaftszweigen hat sich also weiter geöffnet.
Und noch etwas bringen die Salärstatistiken an den Tag: Das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern hält sich trotz Gleichstellungsartikel und -gesetz äusserst hartnäckig.
Diese betrübliche Tatsache zeigt sich auch in der Lohnumfrage der Zeitschrift Facts vom vergangenen August. Danach verdienen Frauen monatlich im Schnitt 1500 Franken weniger als Männer. Bei den über 40-Jährigen beträgt die Differenz gar 2400 Franken.
Unter dem Strich gibts also zweifellos gute Gründe für die Lohnforderungen der Gewerkschaften - erst recht aus Frauensicht. Doch ob die Gehälter effektiv auf breiter Front steigen werden, ist noch keineswegs sicher.
Die Bak rechnet für 2001 zwar mit einem Zuwachs der Reallöhne um 0,8 Prozent. Und im Baugewerbe etwa haben sich die Sozialpartner bereits auf eine Lohnerhöhung von 200 Franken geeinigt.
Mehr Lohn für alle: «Ein Gebot der Gerechtigkeit»
Mehrere Unternehmen und Branchenverbände aber machen - nicht zuletzt mit Verweis auf die hohen Öl-, Benzin- und Dieselpreise - ein dickes Fragezeichen hinter die Gewerkschaftsbegehren. Der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Peter Hasler, meint zur Forderung nach einer generellen Lohnerhöhung schlicht: «Das ist den Firmen überlassen und wird wohl unterschiedlich gehandhabt.»
Für Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), ist jedoch klar: «Reallohnerhöhungen - und zwar für alle - sind ein Gebot der Gerechtigkeit.» Und: «In den Neunzigerjahren haben die unteren und mittleren Einkommen verloren, während die Kader kassiert haben. Das muss wieder ändern», so Rechsteiner in der Coopzeitung.
Der SGB-Präsident spielt damit auch auf die immer häufigere Praxis der Arbeitgeber an, auf generelle Lohnerhöhungen zu verzichten und Saläranpassungen vorab individuell über leistungsabhängige variable Lohnkomponenten vorzunehmen. Da mit zunehmender Verantwortung in der Regel auch der variable Lohnanteil steigt, profitieren Kaderangehörige zumeist deutlich mehr als gewöhnliche Angestellte.
Gleichzeitig bedeutet das auch: Selbst wenn in einem Unternehmen die gesamte Lohnsumme steigt, darf der oder die einzelne Beschäftigte nicht mit einer automatischen Gehaltserhöhung rechnen. «Die klassische Lohnkarriere ist vorbei», hat denn auch der Kaufmännische Verband schon vor zwei Jahren konstatieren müssen.
Oder anders gesagt: Wer mehr Lohn will, kommt kaum mehr darum herum, dies aktiv einzufordern - und zu lernen, sich im Gespräch mit dem Chef gut zu «verkaufen». Geduld bringt in Sachen Salärerhöhung immer seltener Rosen, denn das Giesskannenprinzip ist hier ziemlich aus der Mode gekommen.
Möchten Sie wissen, ob Ihr Lohn angemessen ist? Folgende Internet-Adressen können für gewisse Branchen weiterhelfen:
- www.skv.ch (Schweizerischer Kaufmännischer Verband)
- www.gbi.ch (Gewerkschaft Bau & Industrie)
- www.sbpv.ch (Schweizerischer Bankpersonalverband)
So verhandeln Sie erfolgreich
Wer mehr Lohn will, muss selber aktiv werden. Die besten Chancen hat, wer sich beim Chef gut «verkaufen» kann.
- Verlangen Sie rechtzeitig einen Gesprächstermin beim Chef. Im Dezember ists meist zu spät; dann sind die Budgets gemacht.
- Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, was Sie fordern wollen: mehr Lohn, mehr freie Tage, eine bezahlte Weiterbildung oder die Abgeltung Ihrer Fahrspesen?
- Klären Sie Ihren Marktwert ab: Welche konkreten Vorzüge, Leistungen und Erfolge können Sie in die Waagschale werfen? Wie sind Ihre Chancen auf dem Stellenmarkt? Eine gut durchdachte, beispielreiche und sachliche Argumentation erlaubt es Ihnen, im Lohngespräch selbstbewusst aufzutreten.
- Erkundigen Sie sich bei Gewerkschaften oder Personalverbänden über die branchenüblichen Löhne. Hilfreich können auch Gespräche mit Berufskollegen und Freunden sein.
- Vermeiden Sie in der Lohnverhandlung taktische Fehler, stellen Sie also keine unrealistischen Forderungen, drohen Sie nicht mit Kündigung und jammern Sie nicht über gestiegene Preise und Kosten.
- Bücher zum Thema: Jürgen Hesse und Hans C. Schrader: «Mehr Geld durch erfolgreiche Gehaltsverhandlungen», Eichborn Verlag, Fr. 23.-
Dieselben Autoren: «Wer was verdient. Und worauf es ankommt, wenn Sie Ihr Gehalt verhandeln», Piper Taschenbuch, Fr. 16.-
Roger Rytz: «Bestselling, Leitfaden für Lohngespräche», WM Wirtschaftsmedien, Fr. 20.-