Jung, blond, ledig, hübsch - un d unerreichbar
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K-Tipp 15/2001
19.09.2001
Partnervermittlung Opfer von Lockvogel-Inseraten haben Anspruch auf Schadenersatz
Kontaktanzeigen in der Ich-Form, hinter denen ein Partnervermittler steckt, bescheren einsamen Herzen viel Verdruss. Und sie verstossen gegen das Gesetz.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Das Inserat im «Tages-Anzeiger» klang viel versprechend: «Hoi Du», hiess es da, «ich bin Sonja, 32, ledig, langes, blondes Haar, attraktiv, sehr sportlich und vielseitig.» Stefan M...
Partnervermittlung Opfer von Lockvogel-Inseraten haben Anspruch auf Schadenersatz
Kontaktanzeigen in der Ich-Form, hinter denen ein Partnervermittler steckt, bescheren einsamen Herzen viel Verdruss. Und sie verstossen gegen das Gesetz.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Das Inserat im «Tages-Anzeiger» klang viel versprechend: «Hoi Du», hiess es da, «ich bin Sonja, 32, ledig, langes, blondes Haar, attraktiv, sehr sportlich und vielseitig.» Stefan Mehlisch aus Sevelen SG fühlte sich sogleich angesprochen - zumal sich Sonja «eine prickelnde Beziehung mit einem ehrlichen Mann» wünschte.
Also schritt Mehlisch zur Tat: Er sandte einen Brief mit Bild an die angegebene Chiffre-Adresse und wartete hoffnungsfroh auf eine Antwort. Nach rund sechs Wochen zeigte sein Schreiben endlich Wirkung. Bloss: Nicht die attraktive Sonja war am Telefon, sondern Martin Zondler, Kundenberater der Partnervermittlungs-Firma Part-Line GmbH mit Sitz in Pratteln BL.
Das war nun gar nicht mehr nach Mehlischs Geschmack. Für ihn, der sich auch als Buchautor schon intensiv mit Kontaktanzeigen befasst hat, stand fest: Sonjas Annonce war ein Lockvogel mit dem Ziel, potenzielle Interessenten zum Abschluss eines Partnervermittlungs-Vertrags zu bewegen. Und ein solcher Vertrag kann rasch einmal Kosten von mehreren tausend Franken nach sich ziehen.
Vor allem aber: Lockvogel-Kontaktanzeigen in der Ich-Form verstossen gegen die Grundsätze der Schweizerischen Kommission für die Lauterkeit in der Werbung. Und sie sind mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht vereinbar. Das hat das Zürcher Bezirksgericht in einem Urteil gegen die BMK Beratungs AG von Partnervermittler Kurt Meier schwarz auf weiss festgehalten.
Geprellte Kunden können Geld zurückverlangen
Wer demnach aufgrund einer Lockvogel-Annonce einen Partnervermittlungs-Vertrag unterzeichnet und eine Zahlung geleistet hat, kann Schadenersatz im vollen Umfang der bezahlten Summe verlangen. Im erwähnten Fall hat das Zürcher Bezirksgericht die BMK zu Schadenersatz verknurr, konkret: zur Rückerstattung von gut 3700 Franken an die Klägerin.
Im Fall Mehlisch hingegen kam es gar nicht erst zu einem Vertragsabschluss: Mehlisch liess Part-Line-Kundenberater Zondler nämlich unmissverständlich wissen, dass er an einer Vermittlung via Institut nicht interessiert sei.
«Wenig glaubhaft war für mich auch Herr Zondlers Erklärung, das Inserat sei korrekt in Auftrag gegeben worden, aber aufgrund eines Fehlers der Zeitung ohne Name und Adresse der Part-Line erschienen», sagt Mehlisch.
Er fragte deshalb beim «Tages-Anzeiger» nach - und sah sich daraufhin in seiner Vermutung bestätigt: «Ein Fehler unsererseits ist gänzlich auszuschliessen», hielt die «Tages-Anzeiger»-Herausgeberin Tamedia in einem Schreiben an Mehlisch fest. Das Inserat stand offenbar genau so im Blatt, wie es in Auftrag gegeben worden war.
Hat die Part-Line also eine Lockvogel-Annonce geschaltet? Am Hauptsitz in Pratteln verwahrt man sich vehement gegen diesen Verdacht. Sprecher Daniel Meier beteuert: «Part-Line gibt keine Inserate auf, die den Eindruck erwecken, als stammten sie von Selbstinserenten. Das haben wir schlicht nicht nötig.»
Doch wenn hinter dem «Sonja-Inserat» nicht die Part-Line steht - wie ist die Firma denn in den Besitz von Mehlischs Unterlagen gelangt? Meier: «Da kann ich nur spekulieren.» Möglicherweise habe sich Sonja, die ja offensichtlich auf Partnersuche sei, mit einem Part-Line-Kundenberater in Verbindung gesetzt und bei dieser Gelegenheit auch Mehlischs Adresse mitgeteilt. «Sowas kommt vor», sagt Meier.
Attraktive Singles: Zu 90 Prozent erfunden
Für Stefan Mehlisch ist diese Erklärung indes «völlig unglaubwürdig». Und gegenüber dem K-Tipp haben es Branchen-Insider schon vor mehr als fünf Jahren als «absolut unüblich» bezeichnet, dass eine Selbstinserentin sich nachträglich an ein Partnervermittlungs-Institut wendet. Weshalb sollte sie das tun, nachdem sie Briefe erhalten hat und durch das Chiffre-Geheimnis geschützt ist? Ein ehemaliger Institutsinhaber hielt damals gar klipp und klar fest: «Die jungen, gut aussehenden und kinderlosen Selbstinserentinnen sind zu 90 Prozent erfunden.» Lockvögel eben.
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Kontrollieren Sie den Vermittlungsvertrag
Partnersuchende, die einen Vermittlungsvertrag unterzeichnet haben, sind den Launen der Vermittler nicht schutzlos ausgeliefert. Das müssen Sie wissen:
Geht der Vertrag auf ein Lockvogel-Inserat in Ich-Form zurück, hinter dem ein Vermittlungsinstitut steckt, liegt ein Verstoss gegen das UWG und mithin ein schädigendes Verhalten des Instituts vor. Daher haben Opfer von Lockvogel-Annoncen Anspruch auf Schadenersatz im vollen Umfang des Betrages, den sie dem Institut bezahlt haben. Ein entsprechendes Urteil hat das Zürcher Bezirksgericht in einem Prozess gegen die BMK Beratungs AG gefällt.
Seit Anfang 2000 formuliert auch das Obligationenrecht (Artikel 406a-h) klare Regeln in Sachen Partnervermittlung. Danach tritt ein Vermittlungsvertrag erst sieben Tage, nachdem die Kundin oder der Kunde ein beidseitig unterzeichnetes Vertragsdoppel erhalten hat, in Kraft. Vor Ablauf dieser Frist darf das Institut keine Zahlung entgegennehmen.
Vor allem aber hat die Kundin oder der Kunde innerhalb der Sieben-Tage-Frist das Recht, schriftlich und entschädigungslos vom Vertrag zurückzutreten. Ein im Voraus erklärter Verzicht auf dieses Recht ist unverbindlich; es genügt, die Rücktrittserklärung am siebten Tag der Frist bei der Post aufzugeben.
Die Kundin oder der Kunde darf auch nach Ablauf der siebentägigen Frist den Vertrag jederzeit schriftlich kündigen. In diesem Fall ist allerdings der Aufwand zu bezahlen, den das Institut bis zum Zeitpunkt der Kündigung geleistet hat.
Besteht der Eindruck, dass das Institut für seine Leistungen unverhältnismässig hohe Kosten geltend macht, empfiehlt sich der Gang vor Gericht. Dieses kann den Betrag auf eine angemessene Höhe herabsetzen.
Im Übrigen hält das Obligationenrecht unmissverständlich fest, was ein Vermittlungsvertrag im Minimum enthalten muss, damit er überhaupt gültig ist:
- Namen und Wohnsitz der Vertragsparteien
- die Anzahl und Art der Leistungen, zu denen sich das Institut verpflichtet
- die detaillierten Preise dieser Leistungen, insbesondere die Einschreibegebühr
- die Zahlungsbedingungen
- das siebentägige Rücktrittsrecht der Kundin oder des Kunden
- das Kündigungsrecht der Kundin oder des Kunden
- das siebentägige Inkassoverbot für das Institut
Das Obligationenrecht im Internet: www.admin.ch/ch/d/sr/c220.html