Kein Blankocheck fürs Datensammeln
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K-Tipp 17/2001
17.10.2001
Die Krankenkassen werden immer neugieriger. Sie fordern, dass in Zukunft auf den Arztrechnungen genaue Angaben zum Gesundheitszustand gemacht werden. Solche Daten über Patientinnen und Patienten dürfen nicht in falsche Hände geraten.
Nach dem Telefongespräch mit der Pensionskasse ihres neuen Arbeitgebers ist Frau Müller perplex: Dort weiss man nämlich bereits, dass sie vor ungefähr drei Jahren wegen akuter Rückenprobleme umfangreiche Untersuchungen vornehmen liess. Dabei h...
Die Krankenkassen werden immer neugieriger. Sie fordern, dass in Zukunft auf den Arztrechnungen genaue Angaben zum Gesundheitszustand gemacht werden. Solche Daten über Patientinnen und Patienten dürfen nicht in falsche Hände geraten.
Nach dem Telefongespräch mit der Pensionskasse ihres neuen Arbeitgebers ist Frau Müller perplex: Dort weiss man nämlich bereits, dass sie vor ungefähr drei Jahren wegen akuter Rückenprobleme umfangreiche Untersuchungen vornehmen liess. Dabei hat sie von der Pensionskasse nie ein Formular zum Ausfüllen erhalten.
Was heute noch Fiktion ist, kann morgen Realität sein: Denn die Krankenkassen verlangen, dass Ärzte und Spitäler in Zukunft alle Diagnosen auf den Patientenrechnungen auflisten. Zwar werden solche Daten (so genannte ICD-10- respektive ICPC-Diagnose-Codes) schon jetzt erhoben - jedoch nur für statistische Zwecke und anonymisiert. Nun wollen die Krankenkassen aber auch die Person hinter der verschlüsselten Information erfassen.
Was haben die Krankenkassen davon? Ganz einfach: Mit diesen Angaben können sie über Jahre hinweg sensible Daten sammeln und umfangreiche Patientendossiers anlegen. Will Frau Müller beispielsweise eine Zusatzversicherung abschliessen, wird ihre Krankenkasse als Erstes die Datenbank abfragen. Die ausgespuckten Informationen weisen auf mögliche Gesundheitsrisiken hin - das Rückenleiden kann nun den Abschluss einer Zusatzversicherung erschweren oder gar verhindern.
Diese Diagnose-Codes umfassen äusserst heikle Informationen. Die Ziffer K76.9 weist etwa auf eine chronische Leberkrankheit hin. Liegt da der Schluss nicht nahe, diese Person trinke zu viel? Wer garantiert, dass solche Infos nicht missbräuchlich weitergegeben werden und in falsche Hände geraten? Für die Stiftung für Konsumentenschutz gehören Gesundheitsdaten zu den sensibelsten Daten überhaupt. Sie sind besonders schützenswert und haben auf Patientenrechnungen nichts zu suchen! An der statistischen Auswertung anonymisierter Angaben ist nichts auszusetzen, doch der Daten- und Personenschutz sowie das Patientengeheimnis müssen gewahrt bleiben.
SKS-Präsidentin und SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga hat in einer Interpellation den Bundesrat aufgefordert, zu dem heiklen Thema Stellung zu nehmen. Es liegt nun an der Regierung zu entscheiden, ob Frau Müllers Erlebnis Utopie bleibt oder bald Realität wird.
Matthias Nast