Kinder, Küche, Kirche - Kinder, Krippe, Karriere
Viele grosse Firmen sind nicht familienfreundlich. Das ergab eine Kassensturz-Umfrage. Dabei lohnt sich eine auf Familien ausgerichtete Personalpolitik für die Betriebe.
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K-Tipp 18/2005
02.11.2005
Bennie Koprio
Berufstätige mit Kindern haben es in der Schweiz schwer, vor allem die Frauen. Zwar sind immer mehr Frauen und Mütter berufstätig; da aber die Doppelbelastung von Beruf und Familie nach wie vor hauptsächlich von den Frauen getragen wird, arbeiten Mütter meist Teilzeit. Mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Karriere und Verdienst.
Wie schwer sich das Los berufstätiger Mütter auf nationaler Ebene verbessern lässt, zeigt das Beispiel Mutterschaftsversicherung: Erst nach...
Berufstätige mit Kindern haben es in der Schweiz schwer, vor allem die Frauen. Zwar sind immer mehr Frauen und Mütter berufstätig; da aber die Doppelbelastung von Beruf und Familie nach wie vor hauptsächlich von den Frauen getragen wird, arbeiten Mütter meist Teilzeit. Mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Karriere und Verdienst.
Wie schwer sich das Los berufstätiger Mütter auf nationaler Ebene verbessern lässt, zeigt das Beispiel Mutterschaftsversicherung: Erst nach jahrzehntelangem Gerangel kam eine gesamtschweizerische Lösung zustande. Und in die Kinderbetreuung investiert die Schweiz laut der OECD nur ein Zehntel dessen, was Dänemark und Schweden ausgeben.
Es hängt darum in erster Linie vom jeweiligen Arbeitgeber ab, wie gut sich Kind und Karriere unter einen Hut bringen lassen. Und da gibt es enorme Unterschiede, wie eine Umfrage des Kassensturz bei 136 der bedeutendsten Schweizer Firmen zeigt. So unterstützt die Fastfood-Kette McDonald's ihre Angestellten bei der Betreuung der Kinder gar nicht, die Leistungen bei Mutterschaft entsprechen nur dem gesetzlichen Minimum, auch bei der Gleichstellung von Frau und Mann tut sich der Betrieb nicht hervor. Ähnlich sieht es bei Batigroup, Burkhalter, Sarna und Saia-Burgess aus.
Andere hingegen sind fortschrittlich. Swiss Re, Credit Suisse und Migros bieten ihren Angestellten flexible Arbeitszeitmodelle an - von Jahresarbeitszeit über Job-Sharing zu Teleworking; ferner unterstützen sie die Betreuung der Kinder und finanzieren sie zum Teil.
Erfreulich: Der Grossteil der rund 60 Firmen, welche dem Kassensturz geantwortet haben, gewährt einen längeren Mutterschaftsurlaub bei teils besserer Entschädigung als gesetzlich vorgeschrieben. Die UBS sticht mit einem Mutterschaftsurlaub von bis zu 7 Monaten hervor.
Familienfreundliche Firmen fahren besser
Dabei zahlt sich eine familienfreundliche Personalpolitik für die Firma aus. Laut einer soeben veröffentlichten Studie von Prognos lohnt sie sich auch finanziell: Die Angestellten bleiben der Firma häufiger treu und machen öfter firmenintern Karriere; dadurch muss weniger neues Personal rekrutiert und eingearbeitet werden - das spart Geld. Gemäss Prognos übersteigen diese Einsparungen die Ausgaben für familienfreundliche Massnahmen um acht Prozent.
Das gilt laut Michael Steiner von Prognos auch für kleinere Betriebe; eine Studie aus Deutschland habe dies nachgewiesen. Steiner: «Kleine Firmen sind durch ihre geringe Grösse oft sogar im Vorteil, wenn es darum geht, die Arbeitsbedingungen den Bedürfnissen der Beschäftigten mit Kindern anzupassen.»
Umfrage-Ergebnisse im Einzelnen
Das sind die zehn Firmen, die bei der Umfrage am besten abgeschnitten haben: Swiss Re, Credit Suisse, Bundesverwaltung, Kantonale Verwaltung Bern, Migros, Roche, Swisscom, Swiss Life, Orange und UBS. Bewertet wurden das Angebot an Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuung, Regelung des Mutterschaftsurlaubs, Gleichstellung von Mann und Frau sowie der Anteil Kaderfrauen.
Die schlechtesten Resultate: Saia-Burgess, Synthes, Liebherr, Burkhalter, Batigroup, McDonald's, Sarna, Sika, Fenaco und Denner.*
* Die vollständige Liste und Stellungnahmen auf www.kassensturz.ch.
Teilzeitarbeit, Rente, Schwangerschaft, Diskriminierung
Teilzeit
Wer Teilzeit arbeitet, hat grundsätzlich die gleichen Rechte wie voll Angestellte; Teilzeit Arbeitende haben Anspruch auf Ferien, Freizeit und Lohn bei Krankheit im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang.
Auch wenn der Vertrag festlegt, wann und wie viel die Teilzeiterin arbeitet, kann die Firma eine gewisse Flexibilität verlangen, beispielsweise die Übernahme einer Ferienvertretung.
Da es die volle AHV-Rente erst ab einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 77 400 Franken gibt, erreichen viele Teilzeit Arbeitende diese nicht. Im schlechtesten Fall erhalten sie nur die Minimalrente von monatlich 1075 Franken.
Umso wichtiger ist die zweite Säule. Der Arbeitgeber muss Teilzeit Arbeitende ab einem Einkommen von derzeit 19 350 Franken pro Jahr in die Pensionskasse aufnehmen.
Beim Anstellungsgespräch lohnt es sich, nach den PK-Leistungen zu fragen - insbesondere nach dem Koordinationsabzug. Denn der versicherte Lohn berechnet sich aus dem Bruttolohn minus Koordinationsabzug (22 575 Franken). Es gibt Pensionskassen, die Teilzeitlern einen reduzierten Abzug gewähren - das ist von Vorteil, denn es erhöht die versicherte Lohnsumme.
Mutterschaft
Schwangere dürfen bei einem Anstellungsgespräch verschweigen, dass sie ein Kind erwarten. Es sei denn, die Schwangerschaft würde die Ausübung des Berufs - zum Beispiel Balletttänzerin - verunmöglichen.
Seit Juli 2005 gibt es in der Schweiz die obligatorische Mutterschaftsversicherung. Sie garantiert berufstätigen Frauen, auch selbständig erwerbenden, 14 Wochen Mutterschaftsurlaub.
Der Urlaub beginnt mit der Geburt des Kindes, die Entschädigung beträgt 80 Prozent des Lohns, maximal aber 172 Franken pro Tag. Kehrt die Versicherte vorzeitig an ihren Arbeitsplatz zurück, erlischt der Anspruch. In den ersten acht Wochen nach der Geburt dürfen Mütter jedoch nicht arbeiten.
Bleibt eine Frau wegen Komplikationen während der Schwangerschaft der Arbeit fern, gilt sie als krank: Der Arbeitgeber darf solche Absenzen nicht vom Mutterschaftsurlaub abziehen.
Werdende Mütter dürfen der Arbeit fernbleiben oder den Arbeitsplatz verlassen, ohne medizinische Gründe und ohne Arztzeugnis. Sie müssen es nur mitteilen.
Acht Wochen vor der Geburt dürfen Frauen abends und nachts zwischen 20 und 6 Uhr nicht arbeiten. Die Firma muss ihnen eine gleichwertige Arbeit am Tag anbieten. Ist dies nicht möglich, muss der Chef die Schwangere bei 80 Prozent des Lohns freistellen.
Stillt eine Frau ihr Kind, darf sie die dafür erforderliche Zeit freinehmen. Stillt sie am Arbeitsort, gilt dies als Arbeitszeit; verlässt sie den Betrieb, zählt die Hälfte als Arbeitszeit.
Berufstätige Mütter und Väter können notfalls bei vollem Lohn zu Hause bleiben, wenn ein Kind erkrankt ist. Solche Absenzen dürfen aber nur von kurzer Dauer sein. Es wird erwartet, dass die Eltern innert nützlicher Frist eine anderweitige Betreuung organisieren.
Gleichstellung
Werden Frauen schlechter entlöhnt als ihre Kollegen, können sie die Lohndifferenz vor Gericht einklagen. Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber: Die Frauen müssen lediglich belegen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Diskriminierung vorliegt.
Während des Gerichts- oder Schlichtungsverfahrens sowie sechs Monate danach darf die Firma der Klägerin nicht kündigen. Eine Frau kann die Klage einer Organisation wie etwa einer Gewerkschaft oder Frauenorganisation überlassen.