Klare Wasser bilden Gift
4 von 11 getesteten Steinöbstlern enthalten mehr Urethan, als der Grenzwert erlaubt.<br />
Der Stoff ist gefährlich, denn er fördert Krebs und schädigt das Nervensystem.
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K-Tipp 18/2004
03.11.2004
Martin Arnold - redaktion@ktipp.ch
Ein Schnäpschen in Ehren - das kann durchaus die Gesundheit gefährden. Das gilt im Besonderen für gebrannte Wasser aus Steinobst. Denn was gerne unter dem Aspekt der Verdauungsförderung nach dem Essen genossen wird, enthält oft zu viel Urethan, ein wahres Gift.
Es ist nicht nur krebsfördernd, sondern kann auch das zentrale Nervensystem, das Immunsystem sowie Leber und Knochenmark nachhaltig schädigen.
Der gefährliche Stoff entsteht, wenn die Obststeine vor d...
Ein Schnäpschen in Ehren - das kann durchaus die Gesundheit gefährden. Das gilt im Besonderen für gebrannte Wasser aus Steinobst. Denn was gerne unter dem Aspekt der Verdauungsförderung nach dem Essen genossen wird, enthält oft zu viel Urethan, ein wahres Gift.
Es ist nicht nur krebsfördernd, sondern kann auch das zentrale Nervensystem, das Immunsystem sowie Leber und Knochenmark nachhaltig schädigen.
Der gefährliche Stoff entsteht, wenn die Obststeine vor dem Brand zu lange in der Maische liegen oder bei der Verarbeitung beschädigt werden. Dann löst sich aus ihnen Blausäure, die sich anschliessend unter dem Einfluss von Licht und Alkohol in Urethan umwandelt.
Seit 2003 gilt für alle gebrannten Wasser ein Grenzwert von 1 Milligramm pro Liter. Der K-Tipp liess im Zürcher Labor Veritas elf Schnäpse auf ihren UrethanGehalt untersuchen (siehe Tabelle). Resultat: Bei vier von ihnen überschritt der gemessene Urethan-Gehalt den erlaubten Grenzwert bereits frisch ab Ladentisch.
Gift-Schnaps aus dem Regal entfernt
Anschliessend setzte das Labor die Destillate eine Woche lang künstlichem Licht aus und simulierte so den Alltag. Denn: Nach dem Kauf werden die Flaschen meist - statt im Dunkeln aufbewahrt - monatelang in der Glasvitrine der Wohnwand zur Schau gestellt.
Die wiederholte Messung zeigte nun, dass unter Einfluss von Licht fünf der elf Schnäpse den Grenzwert für Urethan zum Teil massiv überschritten - und dass sich auch in den meisten restlichen Flaschen Spuren des heimtückischen Giftes gebildet hatten.
Mit 3 Milligramm pro Liter hatte der Vieille Prune Vedrenne beim Kauf den höchsten Urethan-Wert. Denner, der den Schnaps importiert, hat ihn nach dem K-Tipp-Test sofort aus den Verkaufsregalen entfernt.
Im Kleinen Pflümli von der Distillerie Etter und in Mirabelle von Morand wurde ebenfalls sowohl ohne als auch mit Licht zu viel Urethan gemessen. Beide Produzenten erklären, die Schnäpse seien noch vor der Einführung des Grenzwertes abgefüllt worden. Ausserdem habe man alle technischen Mittel ausgeschöpft, um die Bildung des krebsfördernden Stoffes zu verhindern.
«Schnaps schmeckt ohne Urethan fad»
Auffällig beim Test war auch der Basler Dybli Kirsch. Ohne Licht gemessen hielt er den Grenzwert knapp ein. Nach der Behandlung mit künstlichem Licht überschritt er ihn aber um fast das Sechsfache. «Wir destillieren nach einem alten Verfahren», rechtfertigt sich Hersteller Ueli Nebiker. «Wenn man Urethan eliminiert, schmeckt das Destillat nur noch fad.»
Dem kann Andreas Affentranger von der Distillerie Willisau nicht beipflichten. Der von seiner Firma hergestellte Original Willisauer Pflümli ist selbst unter Einfluss von Licht praktisch frei von Urethan. Er fügt an: «Unsere Brände haben schon Preise gewonnen.»