Vor drei Jahren war es das Kugelspiel Murmelmania, 2009 Oceanmania mit Tierstickern, und 2010 das Spiel Dominomania. Und Nanomania heisst die aktuelle Sammelaktion der Migros:

Sie verteilt zu jedem Einkauf ab 20 Franken eine ovale Plastikfigur, die eine 7 g schwere Eisenkugel enthält. Diese sogenannten Kullerkapseln können die Kinder laut Migros «stapeln und purzeln» lassen.

Was Kinder allenfalls lustig finden, kommt bei vielen Eltern hingegen nicht gut an. Viele haben sich beim K-Tipp gemeldet, andere in verschiedenen Foren.

Tenor: Eltern fühlen sich genötigt, extra wegen der Plastik-Nanos in der Migros einzukaufen: «Mein Kind bettelt und klönt, ­damit es einen Nano erhält – und einer ist zu wenig, es will immer zwei oder drei», schreibt eine Mutter im Forum von Wireltern.ch.


«Ich ging extra zweimal in den Laden»

Eine andere Mutter fühlt sich ebenfalls unter Druck gesetzt: «Ich kann gar nicht anders als mitsammeln, wenn es alle rundherum auch tun.» Und eine weitere meint:

«Ich bin heute beim Grosseinkauf extra zweimal in den Laden gegangen, weil man für einen Einkauf über 200 Franken nicht mehr als zehn Nanos bekommt. Da dachte ich mir: Was mache ich hier eigentlich!»

Die Taktik der Migros liegt auf der Hand: Speziell die kleineren Kinder fördern die Kauffreudigkeit ihrer Eltern. Dies belegt eine Studie der Universität Wien (A) aus dem Jahr 2009: Eltern machen im Supermarkt jeden zweiten Spontankauf auf Drängen ihrer Kinder.


Alle Nanos sammeln? 960 Franken ausgeben

Um sämtliche Nano-Figuren für ein Kind zu er­halten, müssen Eltern für mindestens 960 Franken einkaufen. Um das Geschäft zusätzlich anzukurbeln, hat die Migros vier «Jokernanos» kreiert. Dafür muss man aber je 60 Franken in der Migros ausgeben.

Die Eltern stören sich ­allerdings nicht nur an der Marketing-Masche. Viele halten das Kinderspielzeug für nutzlos: «Die Dominosteine fand ich noch sinnvoll, damit konnten die Kinder spielen. Die Nanos sind aber für nichts gut», schreibt eine Teilnehmerin im Swissmom-Forum.

Bei der Migros prallt all diese Kritik ab: «Die ­Kinder können die Nanos herumpurzeln lassen. Dabei können sie ein physi­kalisches Grundverständnis erlangen.

Ausserdem werden die Kinder beim Spielen angeregt, ihren Verstand und ihre Fanta­sie zu benutzen», erklärt Migros-Sprecherin Olivia Luginbühl. Die Migros bestreitet, mit der Nano-Aktion den ­Umsatz gezielt anheizen zu wollen:

«Wir wollen niemanden zu planlosem Konsum verführen», sagt Luginbühl. «Wir bieten den Eltern die Möglichkeit, zusätzlich zu ihrem getätigten Einkauf noch ein Geschenk für ihr Kind zu erwerben.»

Gleichzeitig aber gibt Luginbühl zu, dass sich das Sammelfieber für den Grossverteiler finanziell auszahlt: «Die Sammel­aktion ist ein wirtschaft­licher Erfolg, es ist bestimmt nicht die letzte.»


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Nano verschluckt: Bub operiert

Für Kleinkinder können die Nanos gefährlich sein. Die Kapseln sind klein, pillenförmig – und können deshalb leicht verschluckt werden. Folge: Sie könnten in der Speiseröhre oder im Verdauungstrakt steckenbleiben.

Der «Kassensturz» berichtete im Februar von einem Fall im Wallis: Ein Vierjähriger hatte einen Nano verschluckt. Im Spital Oberwallis musste die Plastikkapsel notfallmässig aus dem Magen entfernt werden.

«Beim Übergang zwischen Dünn- und Dickdarm gibt es eine verengte Stelle, hier hätte der Nano steckenbleiben können», sagte der zuständige Arzt, Carlo Valli.