Kraftprobe im Kernkr aftwerk
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K-Tipp 18/2000
01.11.2000
Ungesetzliche Arbeitsverträge Angestellte, die vorzeitig kündigten, sollten 11 000 Franken zahlen
Das Kernkraftwerk Leibstadt operierte jahrelang mit rechtlich unzulässigen Arbeitsverträgen. Doch auch mit den neuen Verträgen sind viele Mitarbeiter nicht zufrieden. Jetzt brodelts im Kraftwerk.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Unruhe herrscht», fasst ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Leibstadt AG (KKL) die Stimmung in der Belegschaft zusammen. Gr...
Ungesetzliche Arbeitsverträge Angestellte, die vorzeitig kündigten, sollten 11 000 Franken zahlen
Das Kernkraftwerk Leibstadt operierte jahrelang mit rechtlich unzulässigen Arbeitsverträgen. Doch auch mit den neuen Verträgen sind viele Mitarbeiter nicht zufrieden. Jetzt brodelts im Kraftwerk.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Unruhe herrscht», fasst ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Leibstadt AG (KKL) die Stimmung in der Belegschaft zusammen. Grund seien die neuen Arbeitsverträge für das lizenzierte Personal; das sind jene Mitarbeiter, die im Kommandoraum den Betrieb des Kraftwerks überwachen.
Im letzten Mai überraschte die Kraftwerksleitung diese Angestellten mit der Ankündigung, die von ihr selbst aufgesetzten Arbeitsverträge seien rechtlich nicht in Ordnung und müssten ersetzt werden.
In der Tat operierte das KKL während über 15 Jahren mit rechtswidrigen Verträgen:
- Statt eines unbefristeten Vertrages schloss es mit den lizenzierten Mitarbeitern jedes Jahr einen neuen, auf zwei Jahre befristeten Vertrag ab. Solche «Kettenarbeitsverträge» sind grundsätzlich unzulässig.
- Arbeitnehmer, die vor Ablauf der zwei Jahre aussteigen wollten, mussten laut Vertrag eine Konventionalstrafe von 11 000 Franken zahlen. Auch das ist verboten, denn der Arbeitgeber darf die gesetzliche Regelung zum Vertragsbruch vertraglich nicht abändern. Laut Obligationenrecht (OR) schuldet der Angestellte einen Viertel eines Monatslohns, wenn er zum Beispiel die Kündigungsfrist nicht einhält. Der Arbeitnehmer kann aber einen kleineren, der Arbeitgeber einen grösseren Schaden nachweisen.
Trotz klarer Rechtslage gemäss OR wollte die Kraftwerksleitung auch in den neuen Verträgen an der 11 000-Franken-Strafe festhalten. Sie gab sogar noch eins drauf: Gemäss Vorschlag sollten die Mitarbeiter nicht nur bei einer vorzeitigen Kündigung, sondern bei jeder Vertragsauflösung 11 000 Franken zahlen.
Überschrieben war die ungesetzliche Klausel mit dem Titel «Rückerstattung der Ausbildungskosten». So sei die Forderung «leichter durchsetzbar», schrieb die Werksleitung in einer Information ans Personal.
«Job-Wechsel praktisch ausgeschlossen»
Erst nach heftigen Protesten der Mitarbeiter rang sich das KKL im Sommer doch noch zu einem zweiten Vorschlag durch - diesmal ohne die 11 000 Franken.
Trotzdem ist im Kraftwerk keine Ruhe eingekehrt. Denn die neuen Verträge sind zwar unbefristet, enthalten aber eine lange Kündigungsfrist von sechs Monaten und nur drei Kündigungstermine pro Jahr. Das ist zwar legal, aber unüblich. «So ist doch ein Job-Wechsel praktisch ausgeschlossen», ärgert sich ein Mitarbeiter.
Lohnzulage versüsst die lange Kündigungsfrist
Kraftwerksleiter Mario Schönenberger begründet die lange Kündigungsfrist damit, dass «der Ersatz eines lizenzierten Mitarbeiters in der Regel mit erhöhtem Aufwand, organisatorischen Umstellungen und vorübergehender Mehrbelastung des übrigen Personals verbunden ist». Als Gegenleistung zahle das KKL dem betroffenen Personal eine Zulage. Sie beträgt rund 400 Franken pro Monat.
Trotz dieses Zückerchens haben rund 15 von 60 lizenzierten Angestellten den neuen Vertrag noch nicht unterschrieben. Sie müssen nun einzeln beim Personalchef antraben.
Wer die Neuerungen weiterhin ablehnt, erhält laut Schönenberger «ein Angebot für einen neuen Vertrag mit der ordentlichen Kündigungsfrist - jedoch ohne Zulage».