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K-Tipp 19/2000
15.11.2000
Last-Minute-Reisen Nicht alle Veranstalter entschädigten Kunden für Flugverspätung
Der Air-Europa-Flug von Genf nach Ibiza hatte 25 Stunden Verspätung. Hotelplan und M-Travel entschädigten ihre Kunden noch am Ferienort mit 100 Franken. L'tur-Kunden warten noch heute auf eine Antwort.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Sun, fun and nothing to do: Die drei jungen Frauen freuten sich «extrem» auf ihre Ferien auf der Mittelmeer-Insel Ibiza. Eine Woch...
Last-Minute-Reisen Nicht alle Veranstalter entschädigten Kunden für Flugverspätung
Der Air-Europa-Flug von Genf nach Ibiza hatte 25 Stunden Verspätung. Hotelplan und M-Travel entschädigten ihre Kunden noch am Ferienort mit 100 Franken. L'tur-Kunden warten noch heute auf eine Antwort.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Sun, fun and nothing to do: Die drei jungen Frauen freuten sich «extrem» auf ihre Ferien auf der Mittelmeer-Insel Ibiza. Eine Woche im Hotel «Mar Amantis» für je 560 Franken hatten sie bei der Berner Filiale des deutschen Anbieters L'tur («Europas grösster Anbieter von Last-Minute-Reisen») gebucht.
Doch die Vorfreude der beiden Schwestern Martina und Sandra Morgenthaler sowie ihrer Kollegin Samantha Büttikofer verwandelte sich am Flughafen Genf allmählich in «Ärger, Stress und Unverständnis».
Morgens um 8 Uhr waren die drei Frauen aus Ittigen BE am Flughafen Genf angekommen. Um 09.10 Uhr hätte die Maschine der spanischen Fluggesellschaft Air Europa starten sollen.
Hätte. Denn vom Flugzeug war auch eine Stunde später nichts zu sehen - und zwei, drei, vier Stunden später immer noch nicht. «Wir wurden vom Lautsprecher stündlich auf eine spätere Abflugzeit vertröstet», erinnert sich Sandra Morgenthaler.
Ab Mittag ging dann gar nichts mehr. Sechs lange Stunden gab es keine Durchsage mehr zu Flug UX 1691. «Die Informationspolitik von Air Europa war schlicht kundenverachtend», ärgert sich Mitpassagier Daniel Haller aus Langenthal BE, der mit seinem 8-jährigen Sohn schon am Vorabend nach Genf gereist war. «Erst als einige aufgebrachte Passagiere einen Schalter belagerten, gab die Airline einen technischen Defekt des Flugzeugs als Ursache an.»
«Seltene Häufung technischer Pannen»
Um 18 Uhr liess Air Europa ihre Fluggäste dann wissen, dass der Flug nach Ibiza mit dem Flug nach Mallorca zusammengelegt werde. Abflug um 22 Uhr, also mit mehr als zwölfstündiger Verspätung.
Doch auch daraus wurde nichts. Eine halbe Stunde vor der neuen Startzeit sagte Air Europa auch diesen Flug ab - wiederum wegen einer Panne. Die Airline liess die rund 110 Passagiere für die Nacht in ein Hotel bringen.
Der Vertreter von Air Europa in der Schweiz, Fernando Herrera, erklärt den Vorfall mit einer «äusserst seltenen Häufung technischer Pannen». Das vorgesehene Flugzeug habe ein Problem mit der Hydraulik gehabt, an der Ersatzmaschine sei bei einer Zwischenlandung ein Fenster gebrochen, und die zweite Ersatzmaschine habe wegen starker Motorvibrationen zuerst gründlich gecheckt werden müssen. Air Europa habe aber alle Unterkunfts- und Verpflegungskosten übernommen und sich «um eine ehrliche und rasche Information bemüht».
Am nächsten Tag, dem 1. Oktober 2000, um 10 Uhr konnte die Reise endlich los- gehen. Da waren aber nicht mehr alle gebuchten Passagiere dabei. Für Inge Mellina aus Meyrin GE waren die Ferien «wegen der ewigen Warterei ruiniert». Und auch Christine Merz aus Cartigny GE verzichtete auf den Flug, weil sie «nach mehreren Defekten Angst hatte, mit einer Maschine der Air Europa zu fliegen».
M-Travel: Kunden prompt am Ferienort entschädigt
Mit an Bord war hingegen eine Diplomklasse der Fachhochschule Biel. Die 18 Elektrotechnik-Studenten, die ihre Abschlussreise bei der Hotelplan-Tochter M-Travel gebucht hatten, erlebten am Ferienort eine angenehme Überraschung: Die Reiseleiterin überreichte jedem von ihnen 100 Franken in spanischen Peseten. «Damit haben wir am letzten Abend kräftig auf den Putz gehauen», freut sich Klassenmitglied Ueli Bach.
Bach und seine Kollegen hätten genau genommen sogar noch ein paar Franken mehr zugut gehabt, denn sie hatten für die einwöchige Pauschalreise pro Person 840 Franken bezahlt. Für den verlorenen Ferientag wäre ihnen ein Siebtel des Reisepreises - also 120 Franken - zugestanden (siehe Interview mit Reise-Ombudsman Nicolas Oetterli). Darüber mag Ueli Bach aber nicht klagen: «Wir waren mit M-Travel sehr zufrieden.»
Laut Mediensprecher Hanspeter Nehmer wollten M-Travel und Hotelplan «schnell und unbürokratisch» handeln. Deshalb habe man allen rund 50 Kunden von sich aus sofort 100 Franken gezahlt. Das Geld hätten auch Nur-Flug-Kunden erhalten, die eigentlich keinen Rechtsanspruch gehabt hätten.
Reklamationen unnötig weitergeschoben
Von solcher Grosszügigkeit können die zahlreichen L'tur-Kunden auf Flug UX 1691 nur träumen: So haben die Geschwister Morgenthaler und Daniel Haller bisher weder Geld noch eine Antwort auf ihre Reklamationsschreiben erhalten.
Andreas Kindlimann, L'tur-Geschäftsführer in der Schweiz, erklärt die Verzögerung damit, dass L'tur die Briefe an den Veranstalter, die Last-Minute-Restplatzreisen GmbH im deutschen Baden-Baden, weitergeleitet habe, welche die Reklamationen «schnellstmöglich» bearbeiten werde.
Dabei wäre alles so einfach. L'tur müsste sich nur bei Air Europa melden. Die Fluggesellschaft hat nämlich laut Fernando Herrera zugesagt, jedem Passagier via die Buchungsstelle den verpassten Ferientag sowie eine Goodwill-Entschädigung auszuzahlen.
Herrera geht sogar noch weiter: «Wenn eine Reklamation nicht bearbeitet wird, kann sich der Kunde auch direkt an uns wenden.» Die Adresse lautet: Air Europa, c/o ABS Broker Service AG, Postfach, 8025 Zürich.
Entschädigung ab vier Stunden Verspätung
Reisende müssen lange Verspätungen nicht einfach hinnehmen. «Reklamieren Sie beim Veranstalter», rät Nicolas Oetterli, Ombudsman der Schweizer Reisebranche.
K-Tip: Herr Oetterli, haben die Passagiere des verspäteten Fluges UX 1691 Anrecht auf eine Entschädigung?
Oetterli: Das kommt darauf an, ob sie nur den Flug oder eine ganze Pauschalreise mit Flug und Hotel gebucht hatten. Während Nur-Flug-Kunden aus rechtlicher Sicht schlechte Karten haben, sind Pauschalreisende dank des Pauschalreisegesetzes gut geschützt.
Wie viel haben Pauschalreisende für die eintägige Verspätung zugut?
Wenn sie eine Woche Ferien gebucht hatten, können sie vom Veranstalter einen Siebtel des Reisepreises zurückverlangen; bei zwei Wochen wäre es ein Vierzehntel. Die Ferien waren ja um diesen Teil kürzer.
Aber die Veranstalter konnten doch gar nichts für die Verspätung?
In diesem Fall spielt das keine Rolle. Abgesehen von einigen im Gesetz geregelten Ausnahmen müssen Veranstalter für Fehler ihrer Leistungsträger - zum Beispiel der Fluggesellschaft - einstehen.
Hätten die Passagiere auch ganz auf die Reise nach Ibiza verzichten und ihr Geld zurückverlangen können?
Bei einer so grossen Verspätung, die sogar eine Übernachtung notwendig machte, ist das möglich. Es kommt aber immer auf den konkreten Fall an. Wer zwei Wochen Ferien gebucht hat, muss einen Tag Verspätung eher hinnehmen als jemand, der nur einen dreitägigen Städteflug macht.
Wie wäre es gewesen, wenn der Air-Europa-Flug «nur» zwei Stunden Verspätung gehabt hätte: Hätten die Passagiere dann auch Geld zurückverlangen können?
Nein. Bis vier Stunden müssen Reisende nach der deutschen Gerichtspraxis entschädigungslos hinnehmen. Ab der fünften Stunde können sie für jede Stunde fünf Prozent des Tagespreises zurückfordern.
Was sollen Pauschalreisende ganz allgemein tun, wenn sie glauben, wegen einer Flugverspätung eine Rückerstattung zugut zu haben?
Sie sollen sich sofort nach ihrer Rückkehr schriftlich an den Reiseveranstalter wenden. Wenn sie hingegen mit den Leistungen am Ferienort - etwa mit dem Hotel - nicht zufrieden sind, genügt das nicht. Dann müssen sie unbedingt schon vor Ort reklamieren.
Was sagen Sie dazu, dass die Firmen L'tur und Last-Minute-Restplatzreisen Reklamationsbriefe ihrer Kunden seit mehreren Wochen nicht beantworten?
Das finde ich sehr dürftig.
(thm)