Lebensversicherung: Teil vom Sparbatzen geht verloren
Inhalt
K-Tipp 15/2001
19.09.2001
Experten und frustrierte Kunden kritisieren Sparversicherung
Wer seinen Sparbatzen einer Versicherungsgesellschaft anvertraut, macht oft einen Fehler. Der K-Tipp erläutert dies anhand von drei typischen Fällen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Tag für Tag verkaufen unzählige Agenten ihre Lebensversicherungs-Policen mit dem Argument, das sei ein gutes Sparinstrument. Und jeden Tag fallen unzählige Schweizerinnen und Schweizer darauf herein.
Experten und frustrierte Kunden kritisieren Sparversicherung
Wer seinen Sparbatzen einer Versicherungsgesellschaft anvertraut, macht oft einen Fehler. Der K-Tipp erläutert dies anhand von drei typischen Fällen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Tag für Tag verkaufen unzählige Agenten ihre Lebensversicherungs-Policen mit dem Argument, das sei ein gutes Sparinstrument. Und jeden Tag fallen unzählige Schweizerinnen und Schweizer darauf herein.
Tatsache ist jedoch: Sparversicherungen haben gravierende Nachteile:
- Versicherungsgesellschaften sind als Verwalter von Spargeldern sehr teuer. So gesehen ist es falsch, fürs Sparen zu einer Versicherung zu gehen.
- Lebensversicherungen sind als Sparinstrument unflexibel und nicht kundenfreundlich. Wer früher als vertraglich festgelegt aussteigt, kann viel Geld verlieren.
- Beim Anpreisen der Lebensversicherungen flunkern viele Verkäufer mit unwahren Behauptungen und führen so die Kunden in die Irre.
- Oft zahlen die Kunden mit der Sparversicherung eine Versicherungsdeckung mit, die sie gar nicht brauchen.
- Die Berechnungen der so genannten Überschüsse, welche bei den Auszahlungen von Geldern stets mitgegeben werden, sind völlig intransparent und geben Anlass für Ärger. Oft halten die Versicherungsgesellschaften ihre Prognosen nicht ein.
Teures Sparvehikel
Dass Lebensversicherungen ein teures Sparinstrument sind, zeigt das Beispiel von Dieter Bowitz aus Jenins GR. Er hat 22 Jahre lang der Zürich Versicherung jedes Jahr 8860 Franken eingezahlt. Doch in den Spartopf flossen jeweils nur 6165 Franken, also rund 2700 Franken weniger. «Das ist ein dicker Hund», ärgert sich der Kunde.
Weil Bowitz mit Nachdruck reklamierte, bequemte sich die Zürich nach mehreren Schreiben, ihm eine genaue Kostenaufstellung zu machen. Bowitz reagiert entsetzt: Das Blatt sei der Beweis für «völlig überzogene Verwaltungs-, Inkasso- und weitere undefinierbare Kostenpositionen».
Nebst den Kosten für den Versicherungsschutz zog die Zürich jedes Jahr 664 Franken für «Abschlusskosten» ab, 261 Franken für «Inkassokosten», 500 Franken für «Verwaltungskosten» und 300 Franken für den «Gewinnbeteiligungszuschlag».
Die Zürich sagt dazu, diese Kosten seien «realitätsnah» kalkuliert.
Das VZ VermögensZentrum hat den Fall Bowitz für den K-Tipp unter die Lupe genommen und kommt zum Schluss: Der Gang zur Versicherungsgesellschaft hat dem Kunden finanziell betrachtet keinen Vorteil gebracht.
Die Alternative wäre gewesen: Sparen bei der Bank mit einem Anlagefonds (mit hohem Obligationenanteil und entsprechend vergleichbarer Sicherheit) und die Versicherungsdeckung separat abschliessen. Denn die Sparversicherung (auch gemischte Versicherung genannt) enthält immer einen Todesfallschutz und allenfalls noch eine Invalidenrente.
Fazit der VZ-Experten: Unter dem Strich wären die beiden Lösungen für den Kunden gleichwertig gewesen. Dabei hat das VZ angenommen, dass der Anlagefonds gleich rentiert hätte wie die Versicherung, im konkreten Fall also mit 5,1 Prozent.
Dieses ausgeglichene Ergebnis war aber nur möglich, weil die Erträge von Sparversicherungen steuerfrei sind, was ein Pluspunkt für die Sparversicherung ist.
Faktisch heisst das: Die Zürich hat bei dieser Lösung mit ihren hohen Kosten das kassiert, was der Kunde an Steuern eingespart und damit dem Staat vorenthalten hat.
Die Einschätzung von VZ-Gründer und -Mitinhaber Matthias Reinhart fällt eindeutig aus: «Lebensversicherer sind sehr teure Vermögensverwalter. Dank ihrem Steuervorteil wirft eine Lebensversicherung zwar etwas mehr ab als ein Sparkonto. Mit einem Obligationenlastigen Anlagefonds lassen sich aber gleichwertige Renditen erzielen - ohne dass man die zahlreichen Nachteile der Sparversicherung in Kauf nehmen muss.»
«Sie können jederzeit über Ihr Geld verfügen.» Mit diesem Satz verkaufen viele Versicherungsvertreter die Sparversicherung. Die Aussage ist falsch. Denn eine Sparversicherung ist darauf ausgelegt, dass der Kunde bis zum Schluss eisern durchhält und jedes Jahr die vereinbarte Prämie zahlt. Wer früher aussteigt, macht ein schlechtes Geschäft und verliert unter Umständen viel Geld.
Das musste auch das Ehepaar Brotschi aus Grenchen SO erfahren. Sie unterschrieben 1983 für eine Sparversicherung. Als sie die Prämien nicht mehr zahlen konnten, verlangten sie 1991 von der Rentenanstalt eine Vorauszahlung auf die Schlusssumme (im Fachjargon ist das ein Policendarlehen).
Das kam sie teuer zu stehen. Das Paar erhielt zwar die gewünschte Summe von 8000 Franken bar ausbezahlt, musste dafür aber für die Dauer von 9 Jahren einen Zins von fast 4000 Franken zahlen.
Diesen happigen Zinsverlust realisierten Brotschis erst, als im Jahr 2000 die Schlussabrechnung kam und die 4000 Franken für den Zins fehlten.
Der Grund: Die Rentenanstalt hatte immer von einer «Vorauszahlung» gesprochen, nicht von einem Darlehen, und die Zinsrechnungen waren immer als «Prämienrechnung» deklariert.
«Wir wurden komplett getäuscht», resümieren die beiden. «Für uns hat sich die Lebensversicherung nicht gelohnt.»
Zuteilung der Überschüsse ist nicht transparent
Wer Geld einer Sparversicherung anvertraut, erhält als voraussichtlichen Auszahlungsbetrag am Ende der vereinbarten Laufzeit zwei Zahlen: einen garantierten Betrag und dazu noch einen möglichen Überschuss, der aber nicht garantiert ist und nur eine Prognose darstellt.
Ob die Gesellschaft die Prognose einhält oder nicht - das kann der Kunde im Voraus nicht wissen. Er kauft also die Katze im Sack. Und: Die effektive Zuteilung der Überschüsse ist für Kunden komplett intransparent.
Darüber ärgert sich zum Beispiel Fredy Bühler aus Ettingen BL. Die Basler Versicherung hat ihm im Jahr 2000 auf seinen zwei Policen 54 beziehungsweise 60 Prozent weniger Überschüsse gutgeschrieben als im Jahr zuvor - genau in dem Jahr also, für das die Bâloise Holding ihren Aktionären stolz «40 Prozent mehr Gewinn» bekannt gab. Die Basler begründet die Kürzung mit tieferen Zinsen auf dem Kapitalmarkt.
Bittere Folge für den Kunden: Den Gesamtüberschuss, den ihm die Basler 1992 in Aussicht stellte, wird sie bei weitem nicht einhalten können - dies im direkten Gegensatz zu Werbesprüchen, welche die Basler in Inseraten macht («Die Basler hält, was sie verspricht»).
Dem Kunden bleibt da nur ein Gefühl der Ohnmacht.
Fazit: Die Versicherungen verkaufen die Sparversicherung gerne als die «ideale Kombination von Versicherung und Sparen». Das ist weit übertrieben.
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Sparen und Versichern: Diese zwei Ziele zu kombinieren ist selten sinnvoll
Wie sorge ich am besten fürs Alter, für Invalidität vor? Wie sichere ich meine Familie ab, wenn mir etwas passiert? Hier die wichtigsten Tipps.
- Nutzen Sie fürs Alterssparen zuerst die steuerbegünstigte Säule 3a. Eröffnen Sie dazu ein 3a-Konto bei einer Bank. Angestellte mit Pensionskasse können dieses Jahr maximal 5933 Franken einzahlen und diesen Betrag in der Steuererklärung abziehen.
- Klären Sie Ihre Vorsorgesituation ab: Muss jemand Geld erhalten, wenn ich sterbe? Wie bin ich versichert, wenn ich wegen Invalidität nichts mehr verdienen kann? Versichern Sie allfällige Lücken separat bei einer Versicherungsgesellschaft mit einer reinen Risikoversicherung. Alle wichtigen Informationen dazu finden Sie im K-Dossier «So sind Sie richtig versichert».
- Sparen und Risikoabsicherung zu kombinieren ist selten sinnvoll. Meiden Sie also Sparversicherungen. Denn Versicherungsgesellschaften sind als Vermögensverwalter in der Regel zu teuer und intransparent. Und eventuell zahlen Sie so für einen Versicherungsschutz, den Sie gar nicht brauchen.
- Das Gleiche gilt für die so genannten Fondspolicen. Auch das sind Sparversicherungen. Der Unterschied zur klassischen Sparversicherung liegt darin, dass die Gesellschaft bei Fondspolicen das Sparkapital nicht zu einem festen Zinssatz verzinst, sondern an der Börse anlegt. Achtung: Verkäufer von Fondspolicen bezeichnen diese Sparversicherung gerne als «reines Fondssparen». Das ist falsch, denn auch hier ist immer ein Todesfallkapital versichert.
- Sparversicherungen sind steuerbegünstigt. Dieser Steuervorteil fällt aber weg, wenn man den Sparprozess im Rahmen der Säule 3a abwickelt: Hier sind Bankkonten genauso steuerbegünstigt wie Lebensversicherungen.
- Sparversicherungen haben in der Regel den Vorteil der Prämienbefreiung bei Invalidität. Das heisst: Ist der Kunde invalid, zahlt die Versicherung die Prämien weiter, sodass das Sparziel trotzdem erreicht wird. Doch diese Versicherungsdeckung zahlt der Kunde.
- Bleiben Sie den Beteuerungen der Versicherungsvertreter gegenüber skeptisch. Sie sind in erster Linie am Abschluss von Sparversicherungen interessiert, weil hier die höchsten Provisionen winken.
- Meiden Sie Feierabend-Verkäufer von Vertriebsorganisationen wie ITE, First oder WNB, die ähnlich dem Schneeballprinzip aufgebaut und organisiert sind.