Leichtes Spiel für Betrüger
Inhalt
K-Tipp 2/2000
09.02.2000
Mit gestohlenen Postcards kommen Diebe an Bahnhöfen ohne PIN-Code zu Geld.
Achtung! Postcard-Betrüger können mit einer gestohlenen Karte an Bahnhöfen 500 Franken pro Tag abheben - ohne PIN-Code. Und die Unterschrift zu fälschen ist ein Kinderspiel. Der K-Tip hats probiert.
Zürich Hauptbahnhof, 17 Uhr: Mit der Postcard von K-Tip-Redaktor Rolf Muntwyler beziehe ich am SBB-Schalter 100 Franken. Für die Unterschrift auf der Quittung gebe ich mir keine Mühe: Gros...
Mit gestohlenen Postcards kommen Diebe an Bahnhöfen ohne PIN-Code zu Geld.
Achtung! Postcard-Betrüger können mit einer gestohlenen Karte an Bahnhöfen 500 Franken pro Tag abheben - ohne PIN-Code. Und die Unterschrift zu fälschen ist ein Kinderspiel. Der K-Tip hats probiert.
Zürich Hauptbahnhof, 17 Uhr: Mit der Postcard von K-Tip-Redaktor Rolf Muntwyler beziehe ich am SBB-Schalter 100 Franken. Für die Unterschrift auf der Quittung gebe ich mir keine Mühe: Grossbuchstaben genügen.
Zürich Wollishofen, gleiche Zeit: Rolf Muntwyler bezieht seinerseits am Bahnschalter mit meiner Postcard 100 Franken. Auch er versucht erst gar nicht, die Unterschrift auf der Postcard nachzuahmen.
Das Resultat der K-Tip-Stichprobe: In beiden Fällen erhalten wir das Geld problemlos. Den PIN-Code braucht es nicht, weil die Bahnhöfe nicht mit Lesegeräten ausgerüstet sind. Und die Unterschriften vergleichen die Schalter- Angestellten gar nicht erst.@+Dabei handelt es sich nicht etwa um Einzelfälle. Auch bei drei weiteren Versuchen in Zürich und Bern gabs problemlos Geld. "Wegen des Drucks, den eine Schlange wartender Kunden auslöst, kann die Kontrolle unserer Angestellten auch mal weniger genau ausfallen", rechtfertigt sich SBB-Pressesprecher Reto Kormann. "Sie können nicht jeden Kunden an den Pranger stellen, wenn er seine Unterschrift nicht schriftbildgetreu wiedergibt."
Indem sie die Unterschriften nicht kontrollieren, sorgen Bahn-Angestellte allerdings auch für Ärger. So bei Marc Bucher aus Zollikofen BE: Der 15- Jährige kam von den Ferien nach Hause und bemerkte, dass am Bahnhof Zollikofen jemand 500 Franken von seinem Postkonto abgehoben hatte. Ihm war vor den Ferien die Postcard abhanden gekommen.
Überrascht war er darüber, dass an Bahnhöfen Bargeldbezüge auch ohne PIN-Code möglich sind. Immerhin hatte er Glück im Unglück: Der Betrüger war ein Dilettant. Marc hatte die Karte nämlich in Blockschrift unterschrieben, der Dieb in zusammengehängter Schrift. Weil dies offensichtlich war, erhielt er die 500 Franken von der Post zurück.
Den Fall von Marc Bucher hat die Radio-Sendung Espresso publik gemacht. Dem K- Tip sind zwei weitere Fälle bekannt, in denen Diebe von fremden Konten 1500 beziehungsweise 4500 Franken abheben konnten, weil die Karten-Besitzer den Diebstahl nicht sofort bemerkten.
Geschäftsbedingungen sind irreführend formuliert
Dass Bargeldbezüge ohne Eingabe des Codes möglich sind, steht weder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Postfinance noch in den Teilnahmebedingungen zur Postcard. "Der Karteninhaber kann mit der Postcard an
entsprechend ausgerüsteten Automaten und Geräten Bargeldbezüge tätigen sowie
Waren und Dienstleistungen bezahlen", heisst es da lediglich.
Der Berner Privatrechts-Professor Thomas Koller erachtet diese Praxis als unzulässig: "Die Post erweckt den Eindruck, für den Bargeldbezug sei der PIN- Code nötig. Nur Post-Juristen merken beim Lesen der Teil-nahmebedingungen, dass eine Unterschrift genügt. Die Post erfüllt ihre Aufklärungspflicht nicht."
Die Post-Verantwortlichen sehen allerdings keinen Anlass, ihre Kunden aufzuklären. Laut Pressesprecherin Monika Stern haben nämlich "PIN-Code und Unterschrift eine vergleichbare Aufgabe. Sie sind Sicherheitselemente. Sie werden überprüft, und wenn sie in Ordnung sind, wird das Geld freigegeben." Der Haken: Die K-Tip-Stichproben haben gezeigt, dass die Unterschriften gar nicht überprüft werden.
Den Schaden trägt fast immer der Post-Kunde
Trotz dieser gravierenden Sicherheitsmängel ist die Post ausgesprochen knausrig, wenn es darum geht, Schadenersatz zu leisten. Mehrmals sichert sie sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem gleichen Satz ab: "Sofern die Post kein grobes Verschulden trifft, trägt der Kunde den Schaden." Und dies sogar dann, wenn "die Post Fälschungen nicht erkennt". Im Klartext heisst das: Wenn eine Un-terschriften-Fälschung halbwegs gelungen ist, dann zahlt die Post nicht.
Für den Uni-Professor Thomas Koller ist eine solche Regelung problematisch: "Grundsätzlich hat die Post den Schaden, nicht