Makler: Keine makellose Beratung
Inhalt
K-Tipp 15/2001
19.09.2001
Viele Krankenkassen-Vermittler denken nur ans eigene Portemonnaie
Wenn im Herbst die Krankenkassen-Prämien steigen, wittert die Branche der Makler fette Gewinne. Doch aufgepasst: Wer die Kasse wechseln will, ist bei Vermittlern oft schlecht aufgehoben.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Der Entscheid der Krankenkasse ist hart: Von ihren Spitalkosten in der Höhe von rund 13 000 Franken muss Rita N. aus dem Kanton Freiburg rund 10 000 selber übern...
Viele Krankenkassen-Vermittler denken nur ans eigene Portemonnaie
Wenn im Herbst die Krankenkassen-Prämien steigen, wittert die Branche der Makler fette Gewinne. Doch aufgepasst: Wer die Kasse wechseln will, ist bei Vermittlern oft schlecht aufgehoben.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Der Entscheid der Krankenkasse ist hart: Von ihren Spitalkosten in der Höhe von rund 13 000 Franken muss Rita N. aus dem Kanton Freiburg rund 10 000 selber übernehmen. Die Groupe Mutuel zahlt für die Bauchoperation nur 3000 Franken aus der Grundversicherung.
Die Kasse wirft der Frau vor, sie habe den Gesundheitsfragebogen unvollständig ausgefüllt, als sie vor zwei Jahren die Aufnahme in die Halbprivat-Spitalversicherung beantragte. «Wir sind zum Schluss gekommen, dass eine Verheimlichung vorliegt», heisst es im Brief vom Juni 2001.
Alte Leiden sind schlecht fürs Geschäft
Formell ist das richtig: Auf dem Fragebogen, den die 49-Jährige unterzeichnet hat, fehlt die Information, dass sie früher ein «Schlägli» hatte; auch ihre Krampfadern sind nicht aufgeführt.
Dennoch fühlt sich Rita N. unschuldig. Sie habe den Fragebogen in Gegenwart eines Krankenkassen-Vermittlers ausgefüllt - und der habe ihr gesagt, diese Leiden seien «nicht schwerwiegend» und für die Krankenkasse «nichtig». Sie selber habe nichts verheimlichen wollen.
Der betroffene freischaffende Makler, Hanspeter Schneider aus Belp BE, bestreitet den Vorwurf. Er betreue seine Kundschaft «zu ihrer vollsten Zufriedenheit».
Auch die Krankenkasse Groupe Mutuel verteidigt ihren Agenten.
Der K-Tipp kennt aber noch andere Fälle, in denen sich dieser Vermittler nicht allzu stark für die Leiden der Antragsteller interessierte.
Das hat handfeste Gründe. Denn für die Vermittlung von freiwilligen Zusatzversicherungen erhalten Agenten von den Krankenkassen teils hohe Provisionen. Will der Interessent hingegen nur die obligatorische Grundversicherung abschliessen, springt für den Vermittler weniger oder gar nichts heraus.
Konsequenz: Weil die Krankenkassen in den Zusatzversicherungen Antragsteller mit einem Leiden ablehnen dürfen, ist die Versuchung für den Makler gross, bestehende gesundheitliche Probleme als nicht erwähnenswert unter den Tisch fallen zu lassen. Sonst verdient er weniger oder nichts. Die Folgen bleiben an den Versicherten hängen. Sie haben das Antragsformular unterschrieben und sind somit allein verantwortlich, wenn bestehende Leiden oder frühere Operationen nicht aufgeführt sind. Die Kasse darf gemäss Gesetz die Bezahlung verweigern und den Betroffenen erst noch die Zusatzversicherungen rückwirkend kündigen.
Nach Intervention des K-Tipp hatte die Groupe Mutuel allerdings «angesichts der Umstände» ein Einsehen: Die Kasse erlässt der Kundin einen Drittel der 10 000 Franken, und sie verzichtet darauf, ihr die Zusatzversicherung zu kündigen.
Bei freischaffenden Agenten heissts aufpassen
Das Beispiel zeigt: Wenn Sie mit Krankenkassenvertretern oder freischaffenden Agenten zu tun haben, müssen Sie gut aufpassen. Gerade unter den selbständigen Vermittlern gibt es immer wieder Provisionenjäger mit wenig Fachwissen. Beachten Sie folgende Punkte:
- Neutral und unabhängig? Nein! Viele Makler nennen sich «neutral» und «unabhängig». Das ist selten der Fall. In der Regel vermitteln die Makler nur jene Kassen, von denen sie für jeden Neukunden Geld erhalten (Provisionen). Derzeit zahlt die Groupe Mutuel sehr gute Provisionen.
Mehrere Offerten ermöglichen Vergleich
Auch die Assura ist aus diesem Grund bei den Maklern sehr beliebt. Wer aber bei der billigen Assura abschliesst, nimmt einen schlechteren Kundendienst in Kauf.
Umgekehrt zahlen etliche sehr billige Kassen überhaupt keine oder nur unbedeutende Provisionen (zum Beispiel BKK Heerbrugg, Galenos oder Krankenkasse Luzerner Hinterland).
Das bedeutet: Ohne finanziellen Anreiz hat der Vermittler kein Interesse, eine solche günstige Kasse zu empfehlen.
Tipp: Achten Sie darauf, dass Ihnen der Makler mindestens drei Offerten von verschiedenen Kassen vorlegt. Seriöse Vermittler gehen vermehrt dazu über, für ihre Beratungsleistung von der Kundschaft Stundenhonorare zu verlangen. Hier haben Sie eher Gewähr, dass man Ihnen das verkauft, was tatsächlich Ihren Bedürfnissen entspricht.
- Inserate sind oft Lockvögel. Viele Vermittler arbeiten mit Zeitungsinseraten oder Handzetteln, die sie in Briefkästen verteilen. Oft enthält die Werbung scheinbar sehr günstige Prämien - ohne dass klar wird, dass die angegebenen Tarife mit einer Wahlfranchise verbilligt sind. Um welche Krankenkasse es sich handelt, ist meist auch nicht ersichtlich. Oft wird mit Kombitarifen geworben (Grundversicherung inklusive Zusatzversicherung), die es in dieser Art beispielsweise für ältere Interessenten gar nicht gibt.
Tipp: Seriöse Vermittler machen keine marktschreierische Werbung mit konkreten Prämienangaben.
- Ein Hansdampf in allen Gassen ist kein Garant für gute Beratung. Viele Agenten treten nur im Oktober und November als «Krankenkassen-Spezialisten» auf. Ansonsten betätigen sie sich als angebliche Fachleute für - wahlweise - Versicherungen aller Art, Geldanlagen, Finanzierungen, Pensionskassen, Leasing, Kredite oder Immobilien. Bei so vielen Tätigkeitsfeldern ist kaum anzunehmen, dass sich solche Makler im Krankenkassen-Dschungel detailliert auskennen.
- Hände weg von der Lebensversicherung. Viele freischaffende Makler benützen die Krankenkasse nur als Türöffner, um Ihnen anschliessend noch Sparversicherungen anzudrehen; hier locken ungleich höhere Provisionen als bei den Krankenkassen. Wer aber für eine solche Lebensversicherung unterschreibt, macht in vielen Fällen einen Fehler.
- Provisionen beeinflussen die Beratung. Wer will, kann in der obligatorischen Grundversicherung mit einer höheren Wahlfranchise Prämien sparen; das ist freiwillig. Insbesondere Assura-Vermittler drängen aber Neukunden dazu, eine höhere Franchise abzuschliessen. Der Grund: Kann der Agent «nur» eine Grundversicherung mit Normalfranchise abschliessen, gibt es von der Assura keine Provision.
In vielen Fällen wird also der Vermittler dem neuen Kunden nicht das Versicherungsangebot verkaufen, das für den Versicherten das beste ist. Er wird vielmehr derjenigen Versicherungsvariante das Wort reden, die ihm am meisten Provision einbringt.
- Vorgedruckte Kündigungsformulare sind trügerisch. Viele Makler arbeiten mit vorgedruckten Kündigungsformularen, welche die Kunden nur noch unterschreiben müssen. Da ist Vorsicht am Platz. Es kommt immer wieder vor, dass Sie dann beispielsweise auch die Zusatzversicherungen kündigen, obwohl Sie nur die Grundversicherung kündigen wollten.
Tipp: Unterschreiben Sie keine leeren vorgedruckten Antragsformulare. Unterschreiben Sie erst, wenn alles ausgefüllt ist, und verlangen Sie eine Fotokopie. So können Sie überprüfen, ob der Makler nachträglich noch etwas verändert hat.
Und: Unterschreiben Sie keine Vollmacht, die es dem Makler erlaubt, frei über Ihre Versicherungen zu verfügen.
- Vorsicht beim Gesundheitsfragebogen. Wenn der Vermittler zu einem bestimmten Leiden sagt, es sei unerheblich oder längst verjährt, dann ist es ein schlechter Vermittler. Sie sind verpflichtet, im Gesundheitsfragebogen alle Fragen zu Ihren bisherigen Leiden peinlich genau zu beantworten. Auslassungen können schlimme Folgen haben, wie der Fall von Rita N. zeigt.
- Hände weg von der NVB. Ausdrücklich zu warnen ist vor den Machenschaften der Firma «NVB Neutrale Versicherungsbörse» mit Büros in Pratteln BL und Bern, die mit marktschreierischer und teilweise irreführender Werbung auf sich aufmerksam macht.
Die schlecht ausgebildeten Berater - sie empfahlen in der Vergangenheit vorzugsweise die Groupe Mutuel - arbeiteten oft mit vorgedruckten Kündigungsformularen, verlangten von ihren Kunden eine Blanko-Unterschrift und fügten nachträglich noch Details ein. Das führte immer wieder zu Problemen, weil die Kunden so Versicherungsteile verloren, die sie eigentlich gar nicht kündigen wollten. Der Kassensturz sprach von Mauscheleien.
In Inseraten gibt die NVB als «Krankenkassen-Hotline» eine teure 0900er-Nummer an; dass sie Fr. 4.23 pro Minute kostet, ist so klein gedruckt, dass es kaum sichtbar ist.
Gebhard Eugster, Ombudsman der sozialen Krankenversicherung in Luzern, schreibt, die «fragwürdigen Anwerbemethoden» der NVB seien ihm «nur zu gut bekannt» und «schlicht unhaltbar».
Die NVB-Verantwortlichen sagen dazu, die Kunden hätten sie mit einer Vollmacht berechtigt, Kündigungen auszusprechen.
Gegen die Firma NVB laufen Betreibungen in der Höhe von fast einer Million Franken.
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