Martin Vetterli Garantiert vor Gericht
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K-Tipp 1/2000
12.01.2000
Thurgauer Staatsanwalt verklagt den Kreuzlinger Garantie-Versand "Sie haben gewonnen!" Mit diesem Versprechen nervt der Garantie-Versand Kreuzlingen seit Jahren seine Kunden - und lässt sie dann leer ausgehen. Jetzt erhebt die Thurgauer Staatsanwaltschaft Anklage.
Sie sind Empfänger eines Bargeldpreises." "Offi-zielle Gewinn- Benachrichtigung. 50000 Franken Bargeld für Sie." "Fordern Sie Ihr Barguthaben an." "Wichtige persönliche Unterlagen über Ihren Gewinn." Mit solchen Spr...
Thurgauer Staatsanwalt verklagt den Kreuzlinger Garantie-Versand "Sie haben gewonnen!" Mit diesem Versprechen nervt der Garantie-Versand Kreuzlingen seit Jahren seine Kunden - und lässt sie dann leer ausgehen. Jetzt erhebt die Thurgauer Staatsanwaltschaft Anklage.
Sie sind Empfänger eines Bargeldpreises." "Offi-zielle Gewinn- Benachrichtigung. 50000 Franken Bargeld für Sie." "Fordern Sie Ihr Barguthaben an." "Wichtige persönliche Unterlagen über Ihren Gewinn." Mit solchen Sprüchen verleitet der Garantie-Versand immer wieder Ahnungslose dazu, Waren zu bestellen - aber die angekündigten Gewinne lösen sich in der Regel in Luft auf. Gerichtstermine sind für den Garantie-Versand deshalb nichts Ungewöhnliches. Regelmässig müssen sich die Verantwortlichen gegen die Ansprüche vermeintlicher Gewinner wehren. Doch der 29. März 2000 hat es in sich: Dann verhandelt das Bezirksgericht Kreuzlingen voraussichtlich die Anklage, welche die Thurgauer Staatsanwaltschaft gegen den Garantie-Versand eingereicht hat. In der 28- seitigen Anklageschrift hat Staatsanwalt Felix Gerber das Sündenregister des Kreuzlinger Versandhauses Punkt für Punkt aufgelistet. Der Vorwurf: Der Garantie-Versand habe "mehrfach" gegen das Lotteriegesetz und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstossen. Angeklagt ist der Präsident und Delegierte des Verwaltungsrats, Jürgen-Volker Ern. Dem 40-jährigen Deutschen drohen gemäss Strafantrag des Staats-anwaltes drei Monate Gefängnis, eine Busse von 50000 Franken und 10180 Franken Verfahrenskosten.
49 Geschädigte fordern 1,75 Millionen Franken Mehr noch: Die Anklage umfasst die Fälle von 49 Geschädigten. Sie machen Gewinnansprüche, Entschädigungs- und Genugtuungsforderungen von insgesamt 1,75 Millionen Franken geltend. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau hatte schon einmal geklagt, aber nur vor dem Bezirksgericht Recht bekommen. Das Obergericht in Frauenfeld stiess dessen Urteil damals um. Das war 1993. Jetzt, sieben Jahre später, präsentiere sich die Situation anders, sagt Staatsanwalt Gerber: "Neu sind nicht nur die bedeutend aggressiveren Werbemethoden. Neu ist auch, dass man erst Ware bestellen oder einen Minimalbetrag einzahlen muss, um den zugesagten Gewinn einfordern zu können."
o Vorwurf Nummer eins: "Unwahre Angaben über die eigenen Leistungen" und "besonders aggressive Werbemethode"; das sind Verstösse gegen das UWG. "Denise Rüegger aus Rüschlikon ZH gewann angeblich einen Mercedes E 230 oder 60000 Franken und zusätzliche 28500 Franken in bar", heisst es zum Beispiel in der Anklageschrift. Weder Rüegger "noch irgendjemand sonst" habe aber diesen Preis bekommen. Auch in anderen Fällen habe niemand den "in Aussicht gestellten" Preis erhalten. Anderes Beispiel: Ein als Gewinn angekündigtes "mo- dernes Telefongerät" stellte sich als ein "Spielzeugtelefon von geringstem Wert" heraus.
o Vorwurf Nummer zwei: Ern habe "mehrfach" eine in der Schweiz "verbotene Lotterie" durchgeführt. An diversen Wettbewerben konnte nämlich nur teilnehmen, wer vorher Geld einzahlte oder Waren bestellte - und eine solche Bedingung verstösst gegen das Lotteriegesetz. Beispiel aus der Anklageschrift: "Hansjakob Lehmann gewann angeblich den Hauptpreis von 50000 Franken." Um diesen Preis einfordern zu können, musste er vorher etwas bestellen. Was er auch tat. Aber ausser der Ledertasche für Fr. 49.50 bekam er nichts.
Garantie-Versand gibt sich zugeknöpft Auch bekannte Namen finden sich unter den Geschädigten. So der St. Galler Professor und Vordenker des Prager Frühlings 1968, Ota Sik.
Zwei Mitarbeiter des Garantie-Versa
nds, eine ehemalige Kundenbetreuerin und ein Techniker, hätten ihm am Telefon erklärt, er solle seinen Preis abholen, erinnert sich Sik. Er sei dann deswegen nach Kreuzlingen gereist. Das Geld hat er aber nicht erhalten. Die nachfolgende Korrespondenz - laut Sik "zwanzig Briefe in zwei Jahren" - brachte ebenfalls nichts. Zwei Monate vor dem Prozess gibt man sich beim Garantie-Versand gewohnt zugeknöpft. Jörgen-Volker Ern liess durch seinen Rechtsvertreter, den Rorschacher Anwalt Peter Di