Mast ohne Polster: Skilift haft et nicht
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K-Tipp 2/2001
31.01.2001
Schwer verletzter Familienvater blitzt vor Bundesgericht ab
Markus Zosso wollte seine Tochter retten, die vom Skilift gefallen war. Dabei prallte er gegen einen Liftmast. Hätte der Mast gepolstert sein müssen? Das Bundesgericht sagt Nein - weil der Lift zu wenig steil war.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Den einsitzigen Tellerlift benützte Familie Zosso immer in der gleichen Reihenfolge: zuerst die jüngste Tochter Claudia, dann die Mutter, danach...
Schwer verletzter Familienvater blitzt vor Bundesgericht ab
Markus Zosso wollte seine Tochter retten, die vom Skilift gefallen war. Dabei prallte er gegen einen Liftmast. Hätte der Mast gepolstert sein müssen? Das Bundesgericht sagt Nein - weil der Lift zu wenig steil war.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Den einsitzigen Tellerlift benützte Familie Zosso immer in der gleichen Reihenfolge: zuerst die jüngste Tochter Claudia, dann die Mutter, danach die ältere Tochter und der Sohn und am Schluss der Vater. «So konnte ich unsere Kinder immer im Auge behalten», begründet Markus Zosso die Tradition.
Auch am 24. Januar 1993 blieben die Zossos ihrem System treu. Die Spur des Skilifts in Les Collons VS war zwar etwas vereist, aber nichts deutete darauf hin, dass ein Unfall das Leben der fünfköpfigen Familie bald radikal verändern würde.
Bis zum vierten Mast ging alles gut. Dann aber stürzte die sechsjährige Claudia und rutschte Kopf voran dem Skilift-Trassee entlang in die Tiefe. Weil Vater Zosso seine Tochter nicht aufhalten konnte, liess er den Tellerlift los und folgte ihr auf den Skiern.
Zosso, der 15 Jahre lang Skikurse gegeben hatte, gelang es gerade noch, seine Tochter so umzulenken, dass sie nicht mit Skilift-Mast Nummer 3 kollidierte. Er selber konnte ihm jedoch nicht mehr ausweichen und prallte mit voller Wucht gegen den ungepolsterten Betonsockel.
Ein Helikopter der Air Glacier brachte den verletzten Familienvater ins Spital Sitten VS. Diagnose: mehrere offene Brüche an beiden Beinen und eine zertrümmerte Kniescheibe. Markus Zosso wurde fünfmal operiert und musste fast vier Monate im Spital bleiben.
«Meine Verletzungen machen mir noch heute jeden Tag zu schaffen», klagt Zosso. «Treppen steigen und bergab gehen sind eine Plage, weil das linke Knie seit dem Unfall instabil ist.»
Auf Hobbys wie Joggen, Wandern, Ski fahren oder Fussball spielen muss er heute verzichten. Auch seine Tätigkeit als Instruktor und Kommandant bei der Feuerwehr ist eingeschränkt, weil «ich nicht mehr längere Zeit am Stück stehen kann».
Am schlimmsten jedoch: Markus Zosso musste seinen Bauernhof in Schmitten FR aufgeben, den er nur vier Monate vor dem Unfall übernommen hatte. Er liess sich umschulen und arbeitet heute als Agro-Kaufmann.
Für die Umschulung kam die Invalidenversicherung auf, die Heilungskosten übernahm die Unfallversicherung. Doch der Schaden, den Markus Zosso durch den Unfall erlitten hat, ist weit grösser: Die Betriebsaufgabe und der Umzug in eine neue, teurere Wohnung verursachten hohe Kosten; vor allem aber ist sein Einkommen heute tiefer als früher.
Dafür - genauer gesagt für den Betrag von 625000 Franken - wollte Zosso die Betreiberin des Skilifts, die Firma Télé-Thyon S. A. in Sitten, haftbar machen. Begründung: Die Liftbetreiberin hätte den Mast polstern müssen.
Nach jahrelangem Rechtsstreit hat das Bundesgericht die Klage abgewiesen. Die Richter kamen zum Schluss, Skilift-Masten seien nur dann zu polstern,
- wenn das Gelände im Liftbereich eine Steigung von «mindestens 50 bis 60 Prozent» aufweise oder
- wenn Masten weniger als zehn Meter neben einer Skipiste stehen und damit eine Gefahr für die Pistenbenützer darstellen.
Beide Bedingungen waren im Fall Zosso nicht erfüllt. Weil das Gefälle höchstens 40 Prozent betrug, erachtete das Gericht die Unfallstelle als nicht so gefährlich, dass Vorsichtsmassnahmen nötig gewesen wären. Solche seien erforderlich, wenn eine Gefahr «schwierig zu entdecken oder schwierig zu vermeiden» sei. Es stehe aber «ausser Frage, alle Bäume eines Waldes oder alle möglichen Hindernisse zu polstern».
Der Unfall sei vor allem deshalb passiert, weil Markus Zosso den Skilift «nicht bestimmungsgemäss benutzt» habe, indem er auf dem Trassee talwärts gefahren sei. Mit diesem «unvorhersehbaren Verhalten» habe die Skilift-Betreiberin nicht rechnen und demzufolge auch keine Polster anbringen müssen. Markus Zosso versteht die Welt nicht mehr: «Was hätte ich denn tun sollen - meine kleine Tochter in den Mast prallen lassen?»
Darauf weiss auch Felix Maurhofer, Mediensprecher des Verbandes «Seilbahnen Schweiz» keine Antwort. «Ich hätte in dieser Situation gleich gehandelt wie Herr Zosso», gibt er freimütig zu. Maurhofer rät Skifahrern mit kleinen Kindern aber, Tellerlifte nach Möglichkeit zu meiden: «Bügel- oder Sessellifte sind sicherer, weil Eltern ihre Kinder dort betreuen können.»
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Skilift fahren: So kommen Sie sicher oben an
Der K-Tipp sagt, wie Skifahrer und Snowboarder Unfälle am Skilift vermeiden können.
- Steigen Sie nie während der Fahrt aus dem Skilift aus. Das Seil könnte aus der Rolle springen.
- Bleiben Sie in der Spur, fahren Sie nicht Slalom.
- Steigen Sie auf der Strecke nicht zu und hängen Sie sich nicht bei anderen Liftbenützern an.
- Fahren Sie, wenn möglich, mit einer ungefähr gleich grossen Person Skilift.
Für Skifahrer gilt zudem:
- Nehmen Sie die Hände aus den Stockschlaufen. Beide Stöcke gehören in die Aussenhand.
- Falls Sie allein auf dem Lift sind, nehmen Sie den Bügel nicht zwischen die Beine.
Polster nötig oder nicht? Steigung ist entscheidend
Steile Skilifte sind gefährlicher als flache - vor allem dann, wenn ein Benutzer vom Lift fällt, den Hang hinunterrutscht und gegen einen Mast prallt. Deshalb verlangt das Bundesgericht, dass Skilift-Masten ab einer Steigung von «50 bis 60 Prozent» zu polstern sind. Fehlt eine Polsterung und verletzt sich deswegen ein Skilift-Benutzer, haftet der Lift-Betreiber. Keine Haftung besteht hin- gegen, wenn die Steigung - wie im Fall Zosso - nur knapp 40 Prozent beträgt (in der Grafik gelb markiert).