Die «Sonntags-Zeitung» und Tagesanzeiger.ch titelten Ende vergangenen Jahres reisserisch: «Nur Griechen bezahlen Rechnungen unpünktlicher.» Auch laut Blick.ch und «20 Minuten» steht es um die Zahlungsmoral der Schweizer schlecht: Mehr als die Hälfte zahle ihre Rechnungen zu spät, wie ein europaweiter Schuldenreport zeige.
Die Medien stützten sich bei ihren Berichten auf den «European Consumer Payment Report». In Auftrag gegeben hat ihn das Inkassobüro Intrum. Und der Report ist bloss eine Umfrage – in 24 europäischen Ländern bei je 1000 Privatpersonen. Die Umfrageteilnehmer wurden schlicht gefragt, ob sie im Lauf der vergangenen zwölf Monate eine oder mehrere Male eine Rechnung nicht rechtzeitig bezahlt hätten.
In der Schweiz bejahten das 54 Prozent der Befragten. Schlechter stehen in diesem Schuldenreport nur die Griechen da. Dort gaben 66 Prozent der Befragten an, Rechnungen mindestens einmal zu spät bezahlt zu haben. Am pünktlichsten zahlen laut Selbstauskunft die Estländer: Nur 31 Prozent gaben an, ihre Rechnungen zu spät beglichen zu haben. Auf Platz zwei und drei landeten Tschechien und die Slowakei.
Die Ergebnisse der Umfrage sind mit Vorsicht zu geniessen. Einige Befragte dürften eine Zahlung schon dann als unpünktlich bezeichnet haben, wenn sie eine Rechnung statt innert zehn erst nach zwölf Tagen bezahlten. Andere wiederum erst dann, wenn sie eine Mahnung erhielten. Intrum-Sprecherin Daniela Brunner bestätigt diese Unschärfe.
Im «European Payment Report» 2018 hat Intrum hingegen diejenigen gefragt, die es genau wissen: die Unternehmen. Sie nannten ihre Rechnungsfristen und ob diese von den Kunden eingehalten werden. Der Report zeigt, dass die Zahlungsfristen besonders in südlichen Ländern länger sind. So gewähren die Unternehmen in Portugal den Kunden durchschnittlich 36 und in Spanien 46 Tage für das Bezahlen einer Rechnung. Beglichen wird sie in Portugal im Durchschnitt innert 38 und in Spanien innert 45 Tagen. In der Schweiz gaben die Firmen eine durchschnittliche Rechnungsfrist von 27 Tagen an. Die Rechnungen werden im Durchschnitt innert 30 Tagen bezahlt. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern liegt die Schweiz im Mittelfeld. Übrigens: Schweizer Konsumenten zahlen früher als Schweizer Unternehmen, die ihre Rechnungen erst innert 34 Tagen begleichen. Die Schweizer Behörden brauchen dafür sogar 44 Tage.
Andere Studien sehen Schweizer auf Platz 2
Erhebungen anderer Inkassobüros zeigen ebenfalls, dass es um die Zahlungsmoral der Schweizer nicht schlecht steht. Creditreform wertete 2016 die Bilanzen von europäischen Unternehmen aus. Die Schweizer lagen mit einer durchschnittlichen Bezahldauer von 31 Tagen für Rechnungen zusammen mit den Österreichern hinter den Deutschen auf Platz 2.
Das müssen Sie bei Rechnungen beachten
Eine Rechnung muss man innert der Frist bezahlen, die vertraglich vereinbart wurde. Ergibt sich aus dem Vertrag keine Frist, gilt in der Regel die übliche Zahlungsfrist von 30 Tagen ab Erhalt.
Eine Mahngebühr ist bloss geschuldet, wenn sie betragsmässig im Vertrag vereinbart wurde und nicht übermässig hoch ist. Das Bundesgericht segnete die Mahngebühr einer Krankenkasse von 30 Franken ab, erachtete sie aber als «relativ hoch».
Ein Verzugszins ist ab Erhalt der Mahnung geschuldet. Ohne andere Vereinbarung im Vertrag beträgt er 5 Prozent.
Die Kosten für den Beizug einer Inkassofirma muss nicht der Schuldner zahlen, sondern der Auftraggeber. Denn es ist für jedes Unternehmen zumutbar, selbst Rechnungen und Mahnungen zu verschicken.