Neue Handys: Immer raffinierter, immer strahlender
Inhalt
K-Tipp 6/2001
28.03.2001
31 Winzlinge im K-Tipp-Test Die meisten Handy-Hersteller kümmern sich immer noch zu wenig um die Strahlen-Belastung
Die Strahlenwerte sinken auch bei den neusten Handy-Modellen nicht. Eine klare Strahlen-Angabe würde die «Sünder» schnell entlarven. Doch die längst versprochene Deklaration lässt auf sich warten.
Thomas Vogel tvogel@ktipp.ch
Angekündigt war sie schon lange. Doch die Deklaration der Handy-Strahlungswerte (SAR-Wert) lässt noch i...
31 Winzlinge im K-Tipp-Test Die meisten Handy-Hersteller kümmern sich immer noch zu wenig um die Strahlen-Belastung
Die Strahlenwerte sinken auch bei den neusten Handy-Modellen nicht. Eine klare Strahlen-Angabe würde die «Sünder» schnell entlarven. Doch die längst versprochene Deklaration lässt auf sich warten.
Thomas Vogel tvogel@ktipp.ch
Angekündigt war sie schon lange. Doch die Deklaration der Handy-Strahlungswerte (SAR-Wert) lässt noch immer auf sich warten.
Mit anderen Worten: Wer ein Mobiltelefon kauft, erfährt zum Thema Strahlen weiterhin wenig. Ursprünglich hätte diese wichtige Konsumenteninformation weltweit per 1. Januar 2001 Wirklichkeit werden sollen.
Die Schuld an dieser Verzögerung weist die Industrie von sich. Das weltweit zuständige Normierungskomitee ieee scc 34 habe sich noch nicht über die genaue Testmethode einigen können, heisst es bei den Herstellern.
Formell ist das richtig - und doch ist das Argument schwach: Die Hersteller hätten es längst in der Hand gehabt, einigermassen verlässliche Werte freiwillig zu deklarieren.
Doch daran hatte die Handy-Industrie bis anhin kein Interesse. Obwohl bereits seit längerer Zeit Messmethoden existieren, hielten es namhafte Produzenten nicht für nötig, die Strahlenwerte ihrer Handys messen zu lassen und die Werte publik zu machen.
Im Gegenteil: Die Produzenten liessen lange Zeit nichts unversucht, die teilweise wenig schmeichelhaften Werte geheim zu halten.
Beispiel: Noch vor vier Jahren übten sowohl verschiedene Handy-Hersteller als auch Netzbetreiber gegen die Firma Hagenuk massiven Druck aus. Grund: Hagenuk wollte ihr damaliges Mobiltelefon mit den SAR-Werten bewerben; im Vergleich zur Konkurrenz waren diese sehr tief.
In der Folge machte der Kassensturz Ende 1997 einen SAR-Test und enthüllte die bis dahin verschwiegenen Zahlen. Der K-Tipp war damals das erste Printmedium, in welchem die geheimen Strahlungswerte der Handys nachzulesen waren.
In der Zwischenzeit haben sich einige Hersteller eines Besseren besonnen oder zeigen wenigstens gute Absichten:
- «Ab Frühsommer wollen wir die SAR-Werte zu jedem Natel deklarieren», verspricht Markus Gretler von Ericsson Schweiz.
- Auch Nokia gibt sich heute betont konsumentenfreundlich: «Es ist sehr wichtig, dass Konsumenten einen sinnvollen Zugang zu SAR-Informationen erhalten», heisst es in einem Schreiben an den K-Tipp.
Was jedoch ein «sinnvoller Zugang» ist - darüber scheiden sich die Geister. «Wir wollen den Geräten in der Schachtel einen Zettel mit dem SAR-Wert sowie Informationen beilegen», sagt zum Beispiel Gretler von Ericsson. Bei Nokia sollen die Werte in der Bedienungsanleitung enthalten sein.
Nicht einverstanden damit sind die Konsumentenschützer. Eric Send von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS): «Ein Zettel in der Schachtel genügt uns nicht.» Sowohl SKS als auch das Konsumentenforum (kf) fordern eine deutlich sichtbare Deklaration am Verkaufsstandort.
Für Mirjana Moser vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) genügt der SAR-Wert alleine nicht. «Er führt nur zu Verwirrungen.» Moser möchte deshalb nicht nur die eigentlichen SAR-Werte deklarieren, sondern zusätzlich noch bewerten. Ihr schwebt eine Skala vor, die dem Konsumenten klar sagt, welches Natel ihn stark, weniger stark oder schwach belastet.
Der Vorschlag für ihre Vier-Punkte-Einteilung leitet sich vom SARGrenzwert ab, der bei 2,0 Watt pro Kilogramm (W/kg) liegt, und drückt sich in Prozent des Grenzwertes aus:
- weniger als 12,5 Prozent des Grenzwertes (also SAR unter 0,25 W/kg)
- 12,5 bis 25 Prozent des Grenzwertes
- 25,1 bis 50 Prozent des Grenzwertes
- 50,1 bis 100 Prozent des Grenzwertes (also SAR 1,01-2 W/kg).
Der K-Tipp hat diese Einteilung für die Beurteilung der Strahlenbelastung übernommen. Dementsprechend sind Geräte mit einem SAR-Wert zwischen 0,5 und 1,0 «mittel» belastend (zwischen 25,1 und 50 Prozent des Grenzwertes). Die Geräte mit höherem SAR-Wert sind im K-Tipp-Urteil «stark» belastend.
Wie auch immer die Deklaration am Ende ausfallen wird - ein Wermutstropfen bleibt. «Der Wert beruht auf einer Selbstdeklaration der Produzenten, die nicht von Amtes wegen kontrolliert wird», bedauert Mirjana Moser.
Und: Die geplante Deklaration gilt nur für neue Mobiltelefone, die dannzumal auf den Markt kommen. Wie stark jedoch die Handys strahlen, die bereits einen Besitzer fanden oder vor dem Sommer finden, wird auch die geplante Deklaration nicht zeigen.
Umso wichtiger sind Werte der aktuellen Geräte, sind doch derzeit weltweit gegen eine halbe Milliarde Natels mit dem auch in der Schweiz üblichen GSM-Standard in Betrieb.
Der K-Tipp wollte es deshalb genau wissen. Die Redaktion liess weltexklusiv von der australischen Firma EMC Technologies bei 31 der neusten und meistverkauften Mobiltelefone den SAR-Wert bestimmen. EMC testete nach den neusten europäischen Normen. Media-Markt hat die Geräte für die Messungen gratis zur Verfügung gestellt.
Die Ergebnisse: Noch immer belasten Handys den Konsumenten gleich stark wie vor vier Jahren.
Schlimmer noch: Während in den Tests 1997 und 1999 noch Telefone dabei waren, die den Konsumenten mit SAR-Werten unter 0,25 Watt pro Kilogramm (W/kg) nur wenig belasteten (Motorola StarTac 130, Nokia 8810), findet der kritische Telefonierer heute kein Produkt mehr mit einem Wert unter 0,5 W/kg.
Das schonendste Natel ist derzeit das Nokia 8890. Leider ist es mit einem offiziellen Preis von über 1200 Franken auch eines der teuersten Produkte. Enttäuschend sind vor allem die Neuheiten der Saison wie Benefon Q, Nokia 6210, Samsung A110 oder Ascom GDX350. Das erst kürzlich vorgestellte Benefon hat einen maximalen SAR von 1,45 W/kg, belastet den Benutzer also beinahe dreimal so stark wie der Testsieger Nokia 8890.
Mit den Test-Resultaten konfrontiert, meinen die Hersteller unisono, sie würden die Grenzwerte einhalten.
15 der 31 Produkte haben Werte von mehr als einem Watt pro Kilogramm. Das ist zu viel, erklärte Messpionier Niels Kuster vom Zürcher SAR-Referenzlabor It'is in der Fernsehsendung Kassensturz: «Wir sind vom Optimum noch sehr weit entfernt. Werte unterhalb 0,2 Watt pro Kilogramm erachte ich als durchaus realisierbar.»
Besonders streng geht das deutsche Institut für politische und ökologische Innovation (Nova) vor. Geschäftsführer Michael Karus fordert: «Der SAR von Handys sollte maximal 0,2 W/kg betragen.»
Während sich in Europa die Behörden und Konsumentenschützer um die genaue Deklarationsform streiten, gibt es in Amerika die ersten Handy-Opfer. Das zumindest versucht Staranwalt Peter Angelos den Gerichten darzulegen. Angelos ist kein Unbekannter: Ihm gelang es, die Asbestindustrie gerichtlich in die Knie zu zwingen. Und er war es auch, der der Tabakindustrie 4,2 Milliarden Dollar Schadenersatz abtrotzte.
Mindestens zehn Handy-Prozesse wolle Angelos anstrengen, schrieb das deutsche Magazin «Max»; genügend Fälle zu finden sei für ihn ein Leichtes. Denn bereits betreut eine amerikanische Konsumentenanwältin rund 120 Hirntumorpatienten, die vermuten, dass ihr Handy sie krank machte.
Bereits eingereicht ist die Klage des Amerikaners Brian Barret. Er leidet an einem Hirntumor und hat nur noch wenige Monate zu leben. Er ist überzeugt, dass die monatlich 30 bis 50 Stunden am Mobiltelefon seinen Tumor verursacht haben.
Frei nach Paracelsus ist Barret der Ansicht: Nicht das Telefonieren macht krank, sondern die Dosis. Er vergleicht das mit einer Tüte Popcorn in der Mikrowelle. Brät die Packung die angegebenen drei Minuten in der Mikrowelle, poppen alle Maiskörner. Bestrahlt man sie hingegen nur für 20 Sekunden, das aber 9-, 12- oder auch 20-mal, passiert nichts. Kleine Dosen reichen nicht aus, um das Öl in der Packung zu erhitzen.
Genauso verhält es sich mit der Handy-Strahlung, die nichts anderes als eine Mikrowellen-Strahlung ist. Nicht umsonst empfehlen Forscher weltweit, das Handy nur kurz zu nutzen und längere Plaudereien auf das Festnetz zu verlegen.
n
Handys mit Freisprech-Einrichtung nützen
Handy-Benützer sollten einige Sicherheitshinweise beachten:
- Begrenzen Sie die Sprechzeit auf wenige Minuten.
- Schaffen Sie sich eine Freisprech-Einrichtung an. Für die meisten Handys gibt es ein entsprechendes Angebot auf dem Markt.
- Telefonieren im Auto ohne Freisprech-Einrichtung ist in vielen Ländern wie auch bei uns verboten. Es drohen saftige Bussen (K-Tipp 2/01).
- Als Hörgerätebenutzer oder Herzschrittmacherpatient sollten Sie Ihren Arzt konsultieren, bevor Sie ein Natel anschaffen, da Handys diese Geräte beeinträchtigen können.
- Handy-Signale können elektronische Systeme im Auto wie ABS oder Airbag stören und unbeabsichtigt auslösen.
- Bei den meisten Airlines ist es verboten, im Flugzeug zu telefonieren, weil Natelsignale die Bordelektronik beeinflussen können.
- Schalten Sie im Spital Ihr Handy aus. Die Funksignale können - vor allem in der Intensivstation - medizinische Geräte stören.
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