Neue Leitplanken für die trendigen Flitzer
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K-Tipp 12/2002
12.06.2002
Inline-Skates & Co.: Ab August sind sie offiziell auf Velowegen und verkehrsarmen Nebenstrassen erlaubt
Geschäftsleute skaten ins Büro, Kinder rollen zur Schule - und mancher Fussgänger hat Angst vor ihnen. Jetzt lenkt der Bundesrat die Roller in geordnete Bahnen.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Auf Beamtendeutsch heissen sie «FäG». Nicht, weil es so schön «fägt», wenn man mit ihnen fährt, sondern als Abkürzung für «fahrzeugähnliche Ge...
Inline-Skates & Co.: Ab August sind sie offiziell auf Velowegen und verkehrsarmen Nebenstrassen erlaubt
Geschäftsleute skaten ins Büro, Kinder rollen zur Schule - und mancher Fussgänger hat Angst vor ihnen. Jetzt lenkt der Bundesrat die Roller in geordnete Bahnen.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Auf Beamtendeutsch heissen sie «FäG». Nicht, weil es so schön «fägt», wenn man mit ihnen fährt, sondern als Abkürzung für «fahrzeugähnliche Geräte». Gemeint sind Inline-Skates, Mini-Trottinette, Kickboards, Rollbretter und ähnliche Gefährte.
FäG galten bisher laut Verkehrsregeln-Verordnung als «Spiel- und Sportgeräte». Weil aber immer mehr Leute mit ihnen zur Arbeit oder zur Schule fahren, lässt sie der Bundesrat jetzt auf bestimmten Flächen auch als Verkehrsmittel zu.
Ab 1. August gilt neu Folgendes:
- Skater und Trottinett-Fahrer dürfen Radwege - nicht aber Radstreifen von Strassen - benützen.
- In Tempo-30-Zonen dürfen FäG-Benützer neu rechts auf der Strasse fahren.
- Erlaubt ist auch das Fahren am rechten Rand einer verkehrsarmen Nebenstrasse, sofern weder ein Trottoir noch ein Radweg existiert.
- Auf Fussgängerstreifen sind die Flitzer gegenüber dem Strassenverkehr vortrittsberechtigt, dürfen die Fahrbahn aber nur im Schritttempo überqueren.
- FäG-Benützer müssen ihre Fahrweise den Umständen anpassen und Fussgängern den Vortritt lassen.
- Nachts oder bei schlechter Sicht müssen sie mit Licht (vorne weiss, hinten rot) auf sich aufmerksam machen.
- Kinder im Vorschulalter dürfen nur auf den für Fussgänger bestimmten Flächen fahren. Auf Radwegen und Strassen brauchen sie eine erwachsene Begleitung.
Schon bisher durften Inline-Skater und Trottinett-Fahrer das Trottoir benützen, sofern sie die Fussgänger nicht behinderten. «Das bleibt auch so», sagt Chantal Disler, Juristin beim Bundesamt für Strassen. «FäG-Benützer werden sogar ausdrücklich den Fussgängern gleichgestellt, müssen ihnen aber den Vortritt gewähren.»
Diese Gleichstellung stösst zum Teil auf Kritik. Mehrere Kantone sowie Fussgänger- und Seniorenverbände hatten bereits in der Vernehmlassung auf das «grosse Gefahrenpotenzial» der neuen Gefährte hingewiesen. Die Sicherheit der Fussgänger, so der Tenor, sei bedroht.
So hätte es Christian Thomas vom Verband Fussverkehr Schweiz begrüsst, «wenn Skater, die so schnell fahren wie Velos, auf die Strasse müssen und nur die Langsamen aufs Trottoir dürfen». Dem stimmt auch Michael Rytz vom Verkehrsclub der Schweiz (VCS) zu, «sofern es sich um verkehrsarme Strassen handelt».
Beide Fachleute räumen allerdings ein, dass Zusammenstösse mit Fussgängern relativ selten sind.
In der Tat: Laut Beratungsstelle für Unfallverhütung verletzten sich im Jahr 2000 nur etwa 2 Prozent aller verunfallten Inline-Skater bei einem Zusammenstoss. Das waren rund 250 Fälle. Wie viele Fussgänger dabei zu Schaden kamen, ist nicht bekannt.
Weniger um die Fussgänger als um die Automobilisten sorgt sich Hans-Urs Merz, ehemaliger Generaldirektor des Automobil Club der Schweiz: «Dass Inline-Skater auf dem Fussgängerstreifen vortrittsberechtigt sind, schafft einen neuen Gefahrenherd. Autofahrer können nur schwer anhalten, wenn plötzlich ein Skater heranbraust.»
Zudem fürchtet Merz, dass die Polizei Verkehrssünder nicht konsequent verfolgt, «so wie das auch bei Velofahrern der Fall ist, die bei Rot durchfahren».
«Natürlich werden unsere Beamten einschreiten, wenn sie einen Rowdy ertappen», kontert Ueli Zoelly, Chef des Verkehrskommissariats 2 der Stadtpolizei Zürich. «Im Übrigen behalten wir uns vor, gezielte Kontrollen zu machen.»
Probleme an Fussgängerstreifen erwartet aber auch Zoelly: «In der Verordnung steht zwar klar, Skater müssten die Strasse im Schritttempo überqueren. Aber haben Sie schon mal versucht, mit Inline-Skates so langsam zu fahren?»
Bussenliste - 20 Franken für Fahren ohne Licht
So viel kostet es, wenn man sich nicht an die neuen Regeln hält:
- Missachten des Vortritts der Fussgänger: 30 Franken
- Verwendung von fahrzeugähnlichen Geräten auf nicht zugelassenen Verkehrsflächen: 20 Franken
- Nichtbeachten des Signals «Verbot für fahrzeugähnliche Geräte» oder «Verbot für Fussgänger»: 20 Franken
- Behinderndes Benützen der Fahrbahn verkehrsarmer Nebenstrassen: 20 Franken
- Behinderndes Benützen der für Fussgänger bestimmten Verkehrsflächen: 20 Franken
- Fahren ohne Licht: 20 Franken
- Nichtbenützen eines Fussgängerstreifens, der weniger als 50 Meter entfernt ist: 10 Franken
Haftpflicht-Versicherung - «Diese neuen Gefährte sind ähnlich gefährlich wie Velos»
Sollten Inline-Skater und Kickboarder eine obligatorische Haftpflicht-Versicherung haben? Die Meinungen sind geteilt.
Wer mit seinem rollenden Untersatz einen Unfall baut, muss für die verursachten Kosten aufkommen. Er muss also zum Beispiel die Heilungskosten des verletzten Fussgängers und dessen Verdienstausfall berappen. Das kann teuer werden.
Wohl dem, der in einem solchen Fall auf eine Privathaftpflicht-Versicherung zurückgreifen kann: Sie übernimmt die Kosten für die angerichteten Schäden.
Bloss: Privathaftpflicht-Versicherungen, die zwischen 90 und 170 Franken pro Jahr kosten, sind freiwillig. Braucht es also - wie beim Velo - eine obligatorische Versicherung? Ja, sagte in der Vernehmlassung nebst mehreren Kantonen und Verbänden auch die Konferenz städtischer Polizeidirektoren der Schweiz. Aus Polizeikreisen ist zu hören, dass das Risikobewusstsein der meist jüngeren Skater und Rollbrett-Fahrer zum Teil ungenügend sei.
Auch Hans-Urs Merz vom Automobil Club der Schweiz spricht sich für ein Obligatorium aus, «weil das Gefahrenpotenzial der neuen Mobilitätsformen ähnlich hoch ist wie das von Velos».
Dem widerspricht Chantal Disler vom Bundesamt für Strassen: «Skater und Kickboarder haben weniger Rechte als Velofahrer. Sie dürfen beispielsweise auf den meisten Strassen nicht fahren.» Ausserdem, so Disler, brauche es für ein Versicherungsobligatorium zuerst eine Gesetzesrevision.