Nur Gesunde sind willkommen
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K-Tipp 6/2001
28.03.2001
Zusatzversicherungen der Krankenkassen Wer nicht vollständig gesund ist, geht leer aus
Schon eine Allergie, ein Geburtsgebrechen oder eine regelmässige Ohrenentzündung genügen den Krankenkassen, um Interessenten für Zusatzversicherungen abzulehnen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Die 27-jährige Daniela Z. aus Esslingen ZH fühlt sich «kerngesund». Nur die Ohren plagen sie ab und zu: Weil ihre Gehörgänge zu eng sind, hat sie fast jedes...
Zusatzversicherungen der Krankenkassen Wer nicht vollständig gesund ist, geht leer aus
Schon eine Allergie, ein Geburtsgebrechen oder eine regelmässige Ohrenentzündung genügen den Krankenkassen, um Interessenten für Zusatzversicherungen abzulehnen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Die 27-jährige Daniela Z. aus Esslingen ZH fühlt sich «kerngesund». Nur die Ohren plagen sie ab und zu: Weil ihre Gehörgänge zu eng sind, hat sie fast jedes Jahr eine Ohrenentzündung.
Seit Jahren ist Z. bei der Helsana grundversichert. Im letzten Oktober wollte sie dazu noch die Zusatzversicherung «Sana» für Alternativmedizin abschliessen. Sie würde gerne zur Kinesiologin gehen und sich einen Beitrag ans Fitness-Abo zahlen lassen.
Doch die Helsana hatte kein Gehör. Mit «Bedauern» schrieb sie der Kundin: «Aufgrund Ihrer Deklaration können wir die gewünschte Zusatzversicherung nicht abschliessen.»
Daniela Z. scheiterte am Gesundheitsfragebogen, den alle Antragsteller für Zusatzversicherungen wahrheitsgetreu ausfüllen müssen. Dort musste die Frau ihre Arztbesuche wegen der chronischen Ohrenentzündung angeben. Das war der Helsana Grund genug für eine Ablehnung.
Eine Rolle dürfte auch die Tatsache gespielt haben, dass Z. bei einer Körpergrösse von 174 Zentimetern 89 Kilo wiegt, also übergewichtig ist. Die Helsana bestreitet das.
Die Verweigerungen sind vollkommen legal
Das Beispiel zeigt, dass die Krankenkassen genau hinschauen, wenn Interessenten eine Zusatzversicherung wollen. Ist auch nur der geringste medizinische Hinweis vorhanden, dass die Person die gewünschte Versicherung auch tatsächlich in Anspruch nehmen wird, darf die Kasse - völlig legal - die Zusatzversicherung verweigern.
Dass die Kassen Antragsteller auch wegen Kleinigkeiten ablehnen, zeigt sich an vielen Fällen:
- Jacqueline P. aus Kloten ZH erhielt von der Swica ein «Nein», weil sie Allergikerin ist. «Ich fühle mich diskriminiert», klagt sie.
- Sandra B. aus dem Thurgau wollte sich bei der Sanitas halbprivat versichern - ohne Erfolg. Die Frau war drei Jahre zuvor von einer Zecke gebissen worden und danach an Lyme-Borreliose erkrankt. Bei diesem Leiden bestehe eine «gewisse Rückfallgefahr», schrieb ihr die Sanitas.
- Petra P. aus dem Zürcher Oberland hatte bei der CSS schon eine Halbprivat-Spitalversicherung, aber nur bei Krankheit; nun wollte sie noch die Deckung bei Unfall einschliessen. Ihr Wunsch wurde abgeschmettert. Unverblümt warf die CSS ihrer Versicherten vor, sie habe in den letzten fünf Jahren im Schnitt 3000 Franken pro Jahr gekostet, sei also zu teuer.
- Mirjam Luzzi Conti aus Reinach BL wünschte bei der KPT die Natura-Zusatzversicherung. Sie sei «komplett gesund» und habe «keine Gebrechen», sagt sie. Trotzdem lehnte die KPT mit Verweis auf die «vorliegenden Unterlagen» ab. Was darin stand, ist nicht mehr zu eruieren - die KPT findet sie nicht mehr.
- Pech hatte auch der 40-jährige Marco F. aus dem Rheintal: Die CSS verweigerte ihm die Erhöhung seiner Taggeldversicherung; er litt lange an Rückenbeschwerden. Die CSS kam deshalb zum Schluss, das «Leistungsrisiko» müsse hier «als eher ungünstig eingestuft» werden.
Pikant daran ist, dass F. zur gleichen Zeit bei einer namhaften Schweizer Versicherungsgesellschaft eine Risiko-Lebensversicherung (Rente bei Erwerbsunfähigkeit infolge Invalidität) abschliessen konnte - obwohl der CSS und der betreffenden Versicherung dieselben medizinischen Akten vorlagen.
- Pech haben auch Leute mit Geburtsgebrechen. Das musste Ines Stäheli aus Niederglatt SG erfahren, als sie ihren 8-jährigen Sohn Benjamin bei der CSS zusatzversichern wollte. Die Ablehnung kam wie so oft in solchen Fällen ohne Begründung. Telefonisch erfuhr die Mutter aber, dass die Trisomie 21 des Kindes (Mongolismus) einer der Gründe sei. Die CSS gibt zu, dass sie eine Liste von Gebrechen hat, die zu sofortiger Ablehnung führen. Ähnliches passierte dem Epileptiker Andi K. aus Zürich bei der Krankenkasse SBB.
Die Beispiele zeigen: Der Willkür bei den Ablehnungen sind Tür und Tor geöffnet. Schon hoher Blutdruck kann ausschlaggebend sein. Und das Gesetz bietet den Abgewimmelten keinerlei Hilfe.
Lassen Sie sich nicht vorschnell entmutigen!
Die Kassen argumentieren, sie müssten «die Gesamtheit der Versicherten im Auge behalten», wie es beispielsweise die Helsana in ihrer Kundenzeitung formulierte. Gemeint ist: Wenn die Versicherten mehrheitlich gesund sind und wenig Kosten verursachen, bleiben die Prämien für den entsprechenden Versicherungszweig tief.
Dennoch gibt es für abgelehnte Interessenten ein paar Tipps, die hilfreich sein können, damit sie die gewünschte Zusatzversicherung doch noch erhalten:
- Lassen Sie sich von einem ersten Ablehnungsschreiben nicht entmutigen. Es wird in vielen Fällen von medizinischen Laien auf der Stufe Regionaldirektion gefällt. Schreiben Sie einen Brief an die Direktion. Hartnäckigkeit kann sich auszahlen.
- Bitten Sie Ihren Arzt, sich für Sie einzusetzen. Er kann bestätigen, dass ein früheres Leiden vollständig geheilt ist und keine Nachwirkungen zu befürchten sind.
- Versuchen Sie es bei mehreren Kassen.
- Vielleicht erhalten Sie Ihre Zusatzversicherung, wenn Sie anbieten, dass Sie in der Grundversicherung die Franchise erhöhen. Eventuell hilft es auch, wenn Sie Ihre ganze Familie bei dieser Kasse neu versichern - allenfalls auch mit Zusatzversicherungen.
- Bitten Sie die Kasse, Sie nicht abzulehnen, sondern Sie unter Vorbehalt aufzunehmen. Das machen die Kassen zwar ungern, ist aber grundsätzlich möglich.
- Wenn Sie die Zusatzversicherung wechseln wollen: Kündigen Sie nie eine bereits bestehende Zusatzversicherung, bevor Sie von der neuen Kasse die schriftliche Bestätigung haben, dass Sie ohne Vorbehalte aufgenommen sind. Sonst riskieren Sie, dass Sie von der neuen Kasse abgelehnt und von der bisherigen nicht mehr aufgenommen werden.
Richten Sie sich darauf ein, dass es mehrere Monate dauern kann, bis die neue Kasse Ihren Antrag geprüft beziehungsweise Ihren Gesundheitszustand abgeklärt hat.
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Mehr zum Thema steht im K-Dossier «Krankenkasse und Unfallversicherung». Sie können es mit der Karte auf Seite 13 bestellen.
Fragen nach Ihrer Gesundheit sind nur in der Zusatzversicherung erlaubt
- Wenn es nur um die obligatorische Grundversicherung geht, dürfen die Krankenkassen keine Gesundheitsfragen stellen. Antragsteller müssen also bei einem Kassenwechsel keine Angaben zur Gesundheit machen. Die Krankenkassen müssen sämtliche Interessenten ohne jegliche Einschränkung in die Grundversicherung aufnehmen; ob sie alt oder jung, ob sie gesund oder krank sind, spielt keine Rolle.
- Bei den freiwilligen Zusatzversicherungen sind die Kassen zu nichts verpflichtet. Sie dürfen Interessenten willkürlich ablehnen, Alterslimiten setzen (zum Beispiel keine neue Versicherung mehr für Leute ab 50), oder sie dürfen lebenslängliche Gesundheitsvorbehalte anbringen. Abgelehnte Bewerber haben keinerlei Rechtsmittel, um eine Aufnahme zu erzwingen - auch wenn sie vorher eine entsprechende Offerte erhalten haben. Die Kassen müssen die Ablehnung nicht begründen.
- Wichtig: Halten Sie sich beim Ausfüllen des Gesundheitsfragebogens an die Wahrheit. Wenn Sie ein Leiden oder eine frühere Behandlung vergessen oder verschweigen, kann die Kasse - auch später noch - sofort vom Vertrag zurücktreten und sogar Zahlungen zurückverlangen, die sie im Rahmen dieser Zusatzversicherung bereits ausbezahlt hat. Dies gilt selbst dann, wenn Ihr jetziges Leiden nicht mit der damals nicht deklarierten Krankheit zusammenhängt.
- Voraussetzung ist aber immer, dass Sie etwas «Erhebliches» nicht angegeben haben; so steht es im Gesetz.
- Ein kleiner Trost: Wer als gesunder Mensch eine Zusatzversicherung abschliessen konnte, muss nicht befürchten, dass er ausgeschlossen wird, wenn er diese Versicherung stark beansprucht. Auf dieses Kündigungsrecht haben die meisten Krankenkassen freiwillig verzichtet.
Wenn Die Krankenkasse Sie ablehnt - Der Vorbehalt muss präzis sein!
Die Krankenkassen dürfen Interessenten für eine freiwillige Zusatzversicherung ablehnen - oder sie unter Vorbehalt aufnehmen. Das heisst: Die Person ist zwar grundsätzlich versichert - aber nicht für Behandlungen im Zusammenhang mit einem bereits bestehenden Leiden.
Die Kasse muss die betreffende Krankheit genau bezeichnen und auch angeben, wie lange der Vorbehalt gilt; lebenslängliche Vorbehalte sind bei den Zusatzversicherungen erlaubt und auch üblich.
Sie können aber jederzeit den medizinischen Nachweis erbringen, dass der Vorbehalt nicht mehr gerechtfertigt ist. Achtung: Die Kasse wird den Vorbehalt nicht von sich aus überprüfen, Sie müssen selber aktiv werden.
Wer unter Vorbehalt aufgenommen ist, zahlt trotzdem die volle Prämie.