Nur registrierte Naturärzte dürfen Hand anlegen
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K-Tipp 4/2001
28.02.2001
Zusatzversicherung für Alternativmedizin Viele Therapeuten und Naturärztinnen sind nur noch bezahlt, wenn sie auf der Kassenliste stehen
Viele Krankenkassen haben ihre Listen mit den anerkannten Alternativ-Therapeuten gestrafft. Wer zu einem Naturheiler will, muss also vorher unbedingt mit der Kasse Kontakt aufnehmen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Drei Jahre lang lief alles rund. Jeweils im Sommer reiste Gisela Rommerskirch aus Biel BE ins d...
Zusatzversicherung für Alternativmedizin Viele Therapeuten und Naturärztinnen sind nur noch bezahlt, wenn sie auf der Kassenliste stehen
Viele Krankenkassen haben ihre Listen mit den anerkannten Alternativ-Therapeuten gestrafft. Wer zu einem Naturheiler will, muss also vorher unbedingt mit der Kasse Kontakt aufnehmen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Drei Jahre lang lief alles rund. Jeweils im Sommer reiste Gisela Rommerskirch aus Biel BE ins deutsche Bad Wörishofen, um sich dort vom Heilpraktiker Gottfried Hunner behandeln zu lassen - mit Akupunktur und Neuraltherapie.
Ihre Krankenkasse, die Wincare, zahlte stets 75 Prozent der Kosten für die Behandlung; dies entspricht dem Reglement für die Zusatzversicherung «Natura Komfort».
Doch im Sommer 2000 war Schluss. «Wir können Ihrem Wunsch um Kostenbeteiligung nicht entsprechen», heisst es im Absage-Brief, den die Versicherte erhielt.
Ähnliches passierte Ella M. aus dem Berner Oberland. Nachdem die Concordia früher 75 Prozent an die Behandlungskosten beim Herisauer Naturheiler Hans Rupp gezahlt hatte, gab es 2000 dafür kein Geld mehr.
Dem K-Tipp liegen weitere Fälle von Versicherten vor, denen das Gleiche widerfuhr.
Das Problem stellt sich bei den freiwilligen Zusatzversicherungen für Naturheilmethoden (also nicht bei der obligatorischen Grundversicherung): Seit rund zwei Jahren zahlen etliche Krankenkassen Beiträge aus solchen Zusatzversicherungen nur noch, wenn der Therapeut oder die Naturheilerin von einer zentralen Stelle anerkannt ist, dem so genannten Erfahrungsmedizinischen Register (EMR).
Ist ein Heiler hingegen nicht (oder nicht mehr) registriert, zahlen die dem EMR angeschlossenen Kassen kein Geld mehr. Auch wenn die versicherte Person weiterhin für die entsprechende Zusatzversicherung Prämien zahlt, wie das bei Gisela Rommerskirch und der Wincare der Fall ist.
Aber: Wie können die Versicherten wissen, welche Therapeuten aktuell registriert und damit von ihrer Krankenkasse anerkannt sind? Und können sie sich dagegen wehren, dass ihr Therapeut, dessen Leistung sie jahrelang bezahlt erhielten, aus dem Register gestrichen wird? Und braucht es überhaupt eine solche Zusatzversicherung?
Der K-Tipp erklärt in 6 Punkten das Wichtigste zu diesem Fragenkomplex
1. Das zahlt die Grundversicherung
Gewisse Behandlungen mit naturmedizinischen Methoden sind bereits durch die obligatorische Grundversicherung der Krankenkassen bezahlt: Homöopathie, anthroposophische und chinesische Medizin - inklusive Akupunktur -, Behandlung mit pflanzlichen Heilmitteln sowie Neuraltherapien.
Bei diesen fünf Behandlungsmethoden ist aber Voraussetzung, dass sie ein zugelassener Schulmediziner durchführt. Bedingung ist auch, dass der Arzt oder die Ärztin eine Weiterbildung im betreffenden Fachgebiet nachweisen kann.
Die Liste dieser Ärzte finden Sie auf der Internet-Homepage der Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH): www.fmh.ch unter dem Menüpunkt «Zertifikate».
Eine ausführliche Beschreibung der fünf von der Grundversicherung bezahlten Methoden bietet ein 12-seitiger Sonderdruck des Puls-Tipp. Sie können ihn bestellen: Schicken Sie ein frankiertes, an Sie adressiertes C5-Couvert mit 3 Franken in Briefmarken an die Redaktion des K-Tipp. Die Artikel sind 1999 im Puls-Tipp erschienen.
2. Wozu eine Zusatzversicherung für Naturmedizin?
Diese brauchen Sie, wenn Sie sich naturheilkundliche Behandlungen durch nichtärztliche Therapeuten von der Kasse vergüten lassen wollen - also von Heilern, die keine Zulassung als Arzt haben.
Allerdings ist nicht jede Methode bezahlt: Jede Kasse hat eine eigene Liste der Behandlungen, die sie vergütet.
Bei der Helsana beispielsweise umfasst sie rund 100 Angebote. Darunter sind bekanntere Therapien wie Akupressur, Autogenes Training, Kinesiologie und Kneipp-Therapie, aber auch exoti-sche Angebote wie Aderlass, eine Behandlung mit Egeln, Feldenkrais, Moxibustion, Shiatsu, Sumathu und Tomatis. Insgesamt gibt es in der Schweiz rund 300 Komplementärmethoden.
Die Zusatzversicherten können auch nicht zu jedem Therapeuten gehen. Sie erhalten nur Geld, wenn der Heiler auf der Liste der Kasse steht. Auch hier: Jede Kasse führt grundsätzlich eine eigene Liste.
Bei den Kassen heissen die einschlägigen Zusatzversicherungen meist Natura, Sana, Alternativ oder Komplementär. Die Tabelle zeigt, welche Angebote der 12 grössten Krankenkassen gut sind und was sie ungefähr kosten.
In der Regel müssen die Versicherten bei diesen kleinen Ergänzungsversicherungen hohe Selbstbehalte zwischen 10 und 25 Prozent zahlen. Zum Teil wird auch eine Franchise verlangt. Und es gelten Höchstbeträge pro Jahr. Beispiel: Bei der CSS zahlt die versicherte Person die ersten 230 Franken selber, danach übernimmt die Kasse 90 Prozent der anfallenden Kosten, im Jahr aber maximal 10000 Franken.
Vergessen Sie nicht: Für Zusatzversicherungen müssen Sie in der Regel einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen. Die Kassen dürfen Interessenten ohne Angabe von Gründen ablehnen; das tun sie auch, wenn auf dem Gesundheitsfragebogen nur das geringste Leiden auftaucht. Schon Übergewicht kann für eine Absage genügen.
3. Welche Methoden und Therapeuten sind bezahlt?
Weil jede Kasse eigene Listen führt, müssen die Versicherten vor jeder Behandlung wissen:
- Ist die von mir gewünschte Behandlungsmethode von der Kasse akzeptiert?
- Ist mein Therapeut von der Kasse anerkannt - und zwar genau für meine gewünschte Methode? Es kann nämlich sein, dass ein Therapeut zwar auf der Kassenliste steht, aber für eine andere Therapieform. Bei den Behandlungsmethoden ist die Sachlage noch einigermassen transparent: Bei vielen Kassen steht die Liste der anerkannten Heilverfahren in den Versicherungsbedingungen. Einige Kassen geben diese Liste auf Verlangen ab und in einigen Fällen ist sie auf www.emr.ch einsehbar (siehe Punkt 5).
Listen mit den anerkannten Heilerinnen und Heilern sind hingegen nur schwer zu erhalten - unter anderem deshalb, weil sie ständig ändern, teilweise sogar täglich.
Diese umfangreiche Aufzählung - bei der Wincare zum Beispiel umfasst sie über 10000 Namen - erhalten die Versicherten in der Regel nur auszugsweise oder sie müssen telefonisch nachfragen. Von 16 angefragten grösseren Kassen hat lediglich die KPT die Liste ins Internet gestellt.
Auch Besuche bei ausländischen Therapeuten handhaben die Kassen unterschiedlich: Bei den einen ist der Gang über die Grenze bezahlt, bei den anderen nicht.
Auf jeden Fall gilt: Sie müssen sich nicht gefallen lassen, dass man Ihnen die Kostenübernahme während einer laufenden Behandlung plötzlich verweigert mit der Begründung, der Therapeut sei nicht mehr auf der Liste. Der Ombudsman der sozialen Krankenversicherung in Luzern hat in etlichen solchen Fällen erreicht, dass die Kasse einlenkte und die Behandlung bis zum Schluss übernahm.
4. Die Kostengutsprache
Grundsätzlich sollte man sich nicht auf mündliche Auskünfte der Krankenkasse verlassen - Missverständnisse sind häufig. Versuchen Sie also, die Kostengutsprache für den Therapeuten der Erfahrungsmedizin und seine Methode wenn möglich schriftlich zu bekommen. Dies insbesondere bei länger dauernden Behandlungen. Lassen Sie sich dazu von Ihrem Therapeuten die Methode nennen, die er bei Ihnen anwenden wird.
5. Die Kassen und das EMR
Früher musste jede Kasse selber entscheiden, welchen der unzähligen Heiler sie für die jeweilige Methode anerkennen wollte oder nicht. Seit rund zwei Jahren übertragen etliche Kassen diese Auswahl dem Erfahrungsmedizinischen Register (EMR). Das EMR trifft eine Auswahl aus insgesamt rund 20000 Komplementärtherapeuten.
Das Ziel der Kassen und des EMR ist die Qualitätssicherung. Konkret geht es darum, unfähige Therapeuten auszuschliessen und damit die Patienten zu schützen.
Folge: Bei aktuell rund 35 Kassen ist die Liste der Heiler pro Heilmethode identisch. Von den 14 grossen sind CSS, Concordia, Helsana, KPT, ÖKK, Swica und Wincare dem EMR angeschlossen.
Möglich ist aber auch, dass eine Kasse nebst den EMR-Therapeuten beispielsweise auch noch die Mitglieder der Schweizer Naturärzte-Vereinigung (NVS) akzeptiert.
Dies hat dazu geführt, dass etliche Kassenlisten geschrumpft sind. Bei der CSS beispielsweise ist die Zahl der anerkannten Heiler von rund 10000 auf zirka 8000 gesunken.
Die anderen grossen Kassen führen weiterhin eigene Listen: Assura, Eidg. Gesundheitskasse, Groupe Mutuel, Intras, Sanitas, Supra und Visana.
Auf der Homepage des EMR (www.emr.ch) können die Versicherten nachschauen, welche der angeschlossenen Kassen welche Behandlungsmethoden zahlt. Listen mit Heilern sind dort allerdings nicht zu finden.
Das EMR hat zur Folge, dass viele Therapeuten, die den angeschlossenen Kassen früher genehm waren, nicht mehr auf der Liste stehen. Eine leise Hoffnung besteht aber immer noch: Die Concordia zum Beispiel schrieb einer Versicherten nach einer Ablehnung: «Sobald der Therapeut vom EMR die Anerkennung erhalten hat, können Sie die Rechnung zur Rückerstattung erneut einreichen.»
Einige Kassen betonen aber, eine solche spätere Rückerstattung sei nicht möglich. Appellieren Sie dennoch an die Kulanz.
6. Wenn die Kasse Methoden oder Therapeuten streicht
Die meisten Kassen haben sich in den Bedingungen abgesichert: Sie dürfen die Listen mit den Therapeuten jederzeit ändern und insbesondere Heiler streichen. Die Versicherten müssen sich das gefallen lassen.
Die Liste der Methoden ändern die Kassen in der Regel nur auf Anfang Jahr. Sollte die Kasse eine Methode streichen, können Versicherte bei vielen Kassen «infolge Vertragsänderung» kündigen - entscheidend ist die genaue Formulierung in den Vertragsbedingungen.
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Naturärzte gegen EMR-Register
«Nicht nachvollziehbar, existenzvernichtend und unzumutbar»: Mit diesen harten Worten kritisiert die Naturärzte-Vereinigung der Schweiz (NVS) die Arbeit des Erfahrungsmedizinischen Registers (EMR). Das EMR entscheidet für mittlerweile rund 35 Krankenkassen, welche Heilerinnen und Heiler über die Kasse abrechnen dürfen - und welche nicht.
Anlass für die Kritik war unter anderem die Tatsache, dass auch zahlreiche NVS-Mitglieder die EMR-Registrierung nicht erhielten. Es ist anzunehmen, dass die abgelehnten Therapeuten jetzt weniger Patienten haben.
Hauptkritikpunkt der Naturärzte ist, dass das EMR keine eigenen Prüfungen durchführt, sondern nur die eingereichten Dokumente der Heiler prüft, deren Ausbildungsstunden zusammenzählt und allenfalls eine Zusatzausbildung fordert.
In der Radiosendung «Espresso» sagte NVS-Geschäftsleiter Edgar Ilg: «Ich kenne ein ehemaliges NVS-Mitglied, das bei uns dreimal durch die Prüfung fiel, die EMR-Registrierung aber trotzdem erhielt.»
Der NVS hat deshalb bei der Wettbewerbskommission eine Eingabe gemacht mit dem Vorwurf, das EMR verletze das Kartellgesetz sowie die Handels- und Gewerbefreiheit.
Silva Keberle, Geschäftsleiterin des EMR, zweifelt ihrerseits an der Aussagekraft der Prüfung, welche die NVS abnimmt. «Das Bestehen dieser Prüfung sagt nichts darüber aus, ob der Therapeut eine Methode überhaupt erlernt hat.» Das EMR betrachtet die NVS-Ausbildung in vielen Fällen als «ungenügend».