Orange nimmt nicht jeden als Kunden
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K-Tipp 4/2001
28.02.2001
Auch Swisscom und Diax überprüfen die Zahlungsmoral von Neukunden
Orange-Neukunden aufgepasst: Der Handy-Anbieter lässt Ihre Zahlungsmoral überprüfen. Nur: Schon eine gesperrte Kundenkarte kann ausreichen, um in der Datensammlung der beauftragten Inkassofirma aufzutauchen.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Sie sind zahlungsunfähig. Orange will Sie nicht als Kundin», beschied der Verkäufer bei Radio TV Steiner Ruth Affolter aus Chur.
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Auch Swisscom und Diax überprüfen die Zahlungsmoral von Neukunden
Orange-Neukunden aufgepasst: Der Handy-Anbieter lässt Ihre Zahlungsmoral überprüfen. Nur: Schon eine gesperrte Kundenkarte kann ausreichen, um in der Datensammlung der beauftragten Inkassofirma aufzutauchen.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Sie sind zahlungsunfähig. Orange will Sie nicht als Kundin», beschied der Verkäufer bei Radio TV Steiner Ruth Affolter aus Chur.
Die Frau war völlig perplex. Sie hatte bloss ein Handy-Abo bei Orange beantragt. Wieder zu Hause erkundigte sie sich direkt beim Mobilfunk-Anbieter. Die Auskunft blieb die gleiche. Für Affolter war das völlig unverständlich: «Ich bin noch nie betrieben worden und bezahle meine Rechnungen pünktlich.» Verunsichert wandte sie sich an den K-Tipp.
Was war geschehen? Ruth Affolter war in einem Bonitäts-Check hängen geblieben. «Diesen führen wir bei Neukunden standardmässig durch», so Orange-Sprecherin Therese Wenger. Die Firma verkleinere das Verlustrisiko, indem sie «schlechte Zahler» als Abonnenten zurückweise.
Um die Zahlungsmoral zu überprüfen, stützt sich Orange auf die Angaben der Inkassofirma Intrum Justitia ab. Dies tat Orange auch im Fall von Ruth Affolter.
Gemäss Intrum-Sprecher Martin Jakob hat man Affolter nach mehreren Mahnungen die Manor-Kundenkarte gesperrt. Aus diesem Grund sei sie in der Intrum-Datenbank als «schleppende Zahlerin» aufgeführt.
Ruth Affolter sagt aber: «Ich habe nie eine Mahnung erhalten.» Hier steht Aussage gegen Aussage.
Über eine halbe Million Adressen schlechter Zahler
Intrum Justitia stellt ihren Kunden im Internet eine umfangreiche Datensammlung zur Verfügung. Heute sind darin über eine halbe Million Adressen von so genannt schlechten Zahlern verzeichnet. Intrum Justitia gibt pro Jahr rund 10 Millionen Bonitäts-Auskünfte und deckt damit nach eigenen Angaben in diesem Bereich über 50 Prozent des Schweizer Marktes ab.
Zu den Kunden von Intrum Justitia gehören neben Orange auch Versandhäuser, Liegenschaftenverwaltungen, Banken, Versicherungen und Fotolabors.
All diese Betriebe holen bei Intrum gegen Gebühr Auskünfte ein und verpflichten sich in der Regel, überfällige Rechnungen als Inkasso-Aufträge an Intrum Justitia abzugeben. So wiederum kommt Intrum laufend zu neuen Daten, die sie ihren Kunden gegen Bezahlung online im Internet zur Verfügung stellt. Ein einträglicher Kreislauf.
In der Datensammlung von Intrum können beispielsweise jene Konsumentinnen und Konsumenten auftauchen, die schon einmal betrieben oder gepfändet wurden.
Aber nicht nur: Wer mehrfach Mahnungen erhalten hat, verfügt in der Datenbank der Wirtschafts-Auskunftei unter Umständen nicht mehr über eine weisse Weste. Nämlich dann, wenn die Mahnungen zur Sperrung einer Kundenkarte geführt haben.
Orange ist übrigens im Telekommunikations-Bereich in guter Gesellschaft, wenn es um Bonitäts-Checks geht. Die Konkurrenten Swisscom und Diax bestätigten auf Anfrage, dass auch sie Neukunden standardmässig auf ihre Zahlungsmoral überprüfen.
«Mahnungen sagen nichts über Kreditwürdigkeit»
Dass Wirtschafts-Auskunfteien ihren Kunden Mahnungen als Bonitäts-Information zur Verfügung stellen, ist dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Odilo von Guntern ein Dorn im Auge: «Aus Mahnungen lassen sich keine aussagekräftigen Schlüsse über die Kreditwürdigkeit eines potenziellen Kunden ziehen», heisst es in seinem neusten Tätigkeitsbericht.
Der oberste Datenschützer hält es gar für «nicht im Einklang mit den allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen», wenn Wirtschafts-Auskunfteien ihren Kunden Bonitäts-Informationen zur Verfügung stellen, die bloss auf einzelnen Mahnungen beruhen. Basis müsste zumindest eine Betreibung sein.
Gerade dies war bei Ruth Affolter aber definitiv nicht der Fall.
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Als Kundin unerwünscht:Fragen Sie nach dem Grund!
Lieferanten von Waren können Ihre Zahlungsfähigkeit bei Wirtschafts-Auskunfteien prüfen lassen. Bei solchen Stellen können auch Sie Ihre Daten einsehen.
Um an die Daten heranzukommen, müssen die Kunden der Wirtschafts-Auskunfteien (Versandhäuser, Banken, Versicherungen, Telefongesellschaften u. a.) einen Interessensnachweis erbringen. Schon eine schriftliche oder telefonische Bestellung genügt. Nur: Als Konsumentin oder Konsument wissen Sie nicht, in welchen Datenbanken Sie registriert sind. Wirtschafts-Auskunfteien müssen Ihnen nicht mitteilen, wenn sie einen Eintrag über Sie machen.
Wenn ein Geschäft Sie als Kunde zurückweist oder Ihnen Waren nur gegen Nachnahme aushändigt, erkundigen Sie sich nach dem Grund. Falls das Geschäft Informationen über Ihr Zahlungsverhalten eingeholt hat, muss es Ihnen mitteilen, woher diese stammen.
Sie haben das Recht auf Einsicht in Ihre Daten:
- Verlangen Sie schriftlich einen Auszug Ihrer Daten.
- Legen Sie Ihrer Anfrage die Kopie von Identitätskarte, Pass oder Fahrausweis bei.
- Der Datensammler muss Ihnen innert 30 Tagen schriftlich, vollständig, unverschlüsselt und kostenlos Antwort geben. Sollten Sie einen Fehler feststellen, verlangen Sie, dass die Auskunftei diesen berichtigt und Ihnen die Korrektur schriftlich bestätigt.