Patientendaten als Irrläufer
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K-Tipp 1/2002
09.01.2002
Gefaxte Krankengeschichten: Vertrauliche Informationen landen regelmässig am falschen Ort
Zürcher Spitäler, Ärzte, Behörden und Krankenkassen faxen vertrauliche Informationen über Patienten an eine falsche Fax-Nummer. Sie verletzen damit das Arzt- und Amtsgeheimnis.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Der 1958 geborene Patient S. ist ledig und allein stehend. Er stottert seit dem 5. Altersjahr, ist HIV-positiv wegen ungeschützten homosexuelle...
Gefaxte Krankengeschichten: Vertrauliche Informationen landen regelmässig am falschen Ort
Zürcher Spitäler, Ärzte, Behörden und Krankenkassen faxen vertrauliche Informationen über Patienten an eine falsche Fax-Nummer. Sie verletzen damit das Arzt- und Amtsgeheimnis.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Der 1958 geborene Patient S. ist ledig und allein stehend. Er stottert seit dem 5. Altersjahr, ist HIV-positiv wegen ungeschützten homosexuellen Geschlechtsverkehrs, hat in drei Monaten 15 Kilo Gewicht verloren und leidet dauernd an Kopfschmerzen, Schwindel und Gangunsicherheit. Er hat «täglich Stuhlgang, abwechselnd hart/ weich».
Das sind nur einige wenige Einzelheiten aus einem dreiseitigen Arztbericht über Patient S., der Tuberkulose hat und bei dem die Ärzte zudem ein «depressives
Zustandsbild» diagnostiziert haben.
Empfänger ist immer die Alpliner AG
Die ganze ausführliche Krankengeschichte haben Mediziner des Zürcher Universitätsspitals niedergeschrieben. Sie wollten sie an die Zürcher Höhenklinik in Davos GR faxen, wohin viele Patienten zur Kur überwiesen werden.
Doch das Fax mit den intimsten Details über einen Patienten (inklusive genauer Personalien, Adresse und Telefonnummer) landete im Flughafen Zürich bei der Firma Alpliner AG, die Rund- und Taxiflüge durchführt.
Es ist nicht der einzige Irrläufer, der in unbefugte Hände geraten ist. Allein zwischen April und November 2001 kamen 24 vertrauliche Faxe am immer gleichen falschen Ort an, davon 9 im Monat Juli. In den letzten zwei Jahren seien es über 100 gewesen, heisst es bei der Alpliner AG.
Die fehlgeleiteten FaxSchreiben stammten in den meisten Fällen von Ärzten aus diversen Zürcher Spitälern. Der Grund für die Fehlleitungen liegt darin, dass die Ziffernfolge in den Fax-Nummern von Höhenklinik und Alpliner AG weitgehend gleich ist:
- Die Höhenklinik hat die Fax-Nummer 081 414 42 20.
- Für die Alpliner AG gilt aus dem Raum Zürich (ohne Vorwahl) die 814 14 42.
Die Bitte um mehr Sorgfalt nützte nichts
Ein Irrläufer kommt dann zu Stande, wenn das Personal beim Wählen der Fax-Nummer unvorsichtig ist. In Einrichtungen mit Telefonzentrale muss man in der Regel zuerst eine Null eingeben und so eine Amtsleitung aufrufen - und erst dann die eigentliche Nummer wählen.
In den vorliegenden Fällen wurde also die erste Null vergessen - und so das Fax fehlgeleitet. Detaillierte medizinische Patienteninformationen kommen nicht nur vom Zürcher Unispital, sondern auch von der Uniklinik Balgrist, von der Bircher Klinik Susenberg, vom Spital Uster, vom Limmatspital Schlieren und von einer Zürcher Arztpraxis.
Besonders peinlich für die Spitäler: Die Zürcher Höhenklinik hat sie schon im August 2000 auf das Problem aufmerksam gemacht und sie gebeten, «beim Wählen der Fax-Nummern mehr Sorgfalt walten zu lassen».
Die betroffenen Ärzte und Spitaldirektoren reagieren erschrocken und betonen, das Personal habe sich in ein paar wenigen Fällen nicht an interne Weisungen gehalten. In der Regel müssten nämlich Krankengeschichten und Austrittsberichte anonymisiert sein, das heisst Namen und Vornamen abgedeckt bleiben. Und die Betroffenen betonen, das Medium Fax sei zwar unsicher, oft aber sei eine schnelle Übermittlung von Daten im Interesse des Patienten nötig.
Fehlleitungen sind an der Tagesordnung
Bedauern auch bei Stellenleiter Beat Schneider vom Sozialdienst der Stadt Kloten. Sein Amt schrieb der Höhenklinik, Patient A. werde von der öffentlichen Fürsorge unterstützt und man gewähre ihm deshalb für den Aufenthalt in Davos ein Taschengeld von 10 Franken pro Tag.
Auch dieses Fax geriet an den falschen Ort - genauso wie ein ablehnender Bescheid der Zürcher Filiale der Krankenkasse Swica, die schrieb, die Spitalbedürftigkeit von Patient Z. sei nicht ausgewiesen und deswegen werde sie nicht die vollen Kosten übernehmen.
Die Problematik der fehlgeleiteten Faxe ist grundsätzlicher Art, sagt Thomas Kehl, ärztlicher Direktor der Höhenklinik Davos. Der Versand von sensiblen Daten per Fax sei zwar heute gängig, Fehlleitungen seien aber an der Tagesordnung. «Ein Fax bietet keine ausreichende Gewähr hinsichtlich Datenschutz.»
Eine sichere Alternative ist allerdings nicht in Sicht. «Es gibt keine flächendeckende und zeitgemässe Kommunikationsplattform im Gesundheitswesen, welche die Kriterien der Sorgfalts- und Schweigepflicht erfüllt», bedauert Kehl. Und die Post sei zu langsam für eine effiziente Abwicklung der Patientenbelange.