Pizza miserabile
Arbeitgeber dürfen in den Arbeitsvertrag nicht beliebige Schikanen einbauen.<br />
Der K-Tipp zeigt ein paar problematische Müsterchen im Wortlaut.
Inhalt
K-Tipp 11/2005
01.06.2005
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Auf seiner Homepage im Internet preist sich der Pizza-Blitz in den höchsten Tönen. «Sorgfältig ausgewählte Produkte, attraktive Auswahl, saubere Ladenlokale, pünktliche Lieferungen, freundlicher Service.»
Zu den Arbeitsverträgen für Pizzakuriere ist auf der Pizza-Blitz-Site nichts zu lesen. Das Urteil müsste dann auch ganz anders ausfallen: unattraktiv, unsauber, unfreundlich, teilweise ungültig.
Pizza-Blitz ist eine Franchising-Ladenkette mit sechs Filia...
Auf seiner Homepage im Internet preist sich der Pizza-Blitz in den höchsten Tönen. «Sorgfältig ausgewählte Produkte, attraktive Auswahl, saubere Ladenlokale, pünktliche Lieferungen, freundlicher Service.»
Zu den Arbeitsverträgen für Pizzakuriere ist auf der Pizza-Blitz-Site nichts zu lesen. Das Urteil müsste dann auch ganz anders ausfallen: unattraktiv, unsauber, unfreundlich, teilweise ungültig.
Pizza-Blitz ist eine Franchising-Ladenkette mit sechs Filialen in der Schweiz.
Das heisst: Die einzelnen Filialleiter zahlen dem Zürcher Franchisegeber Koni Schwarz eine Gebühr. Dafür erhielten sie bis vor kurzem von der Zentrale Hilfe - bei Wareneinkauf, Werbung, Personalbetreuung, Buchhaltung usw. Zudem steht ihnen ein Muster-Arbeitsvertrag zur Verfügung.
Das Musterexemplar für die Pizzakuriere liegt dem K-Tipp vor. Es enthält etliche Vertragsbestimmungen, die in Arbeitsverträgen nicht vorkommen dürfen oder arbeitnehmerfeindlich sind.
Generelle Haftung ist verboten
«Schäden aus Verkehrsunfällen gehen zu Lasten des Arbeitnehmers.»
Der Passus ist in dieser allgemeinen Form ungültig. Bei jedem Unfall müssen zuerst die genauen Umstände geprüft werden. Erst danach entscheidet sich, ob und wie- weit der Kurier am Unfall selber eine Schuld trägt und zahlen muss.
- Nach der Gerichtspraxis müssen Arbeitnehmer bei leichtem Verschulden überhaupt keine Haftung übernehmen.
- Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt höchstens eine Teilhaftung des Arbeitnehmers in Frage.
Das könnte der Fall sein, wenn jemand zu schnell in eine Kurve fährt und dann in einem Acker landet. Wie viel Angestellte in einem solchen Fall selber übernehmen müssen, hängt von ihrem persönlichen Verschulden (Höhe der Tempoüberschreitung) und von ihrem Lohn ab.
- Nur bei grobem Verschulden (oder Absicht) dürfen Betriebe Angestellte voll zur Kasse bitten.
Unzulässig ist deshalb auch die Bestimmung des Pizza-Blitz, wonach Kosten für solche Schäden direkt dem Lohn belastet werden.
Der Pizza-Blitz ist nicht allein mit dieser unzulässigen Bestimmung. Eine generelle Haftungsklausel gibt es auch bei den Fahrern des Kurierdienstes DHL: «Eine Beteiligung des Mitarbeiters wird für alle Fahrzeugschäden verlangt, welche den Betrag von 500 Franken übersteigen.»
Unzulässiges Konkurrenzverbot
«Der Mitarbeiter darf zwei Jahre lang nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für keinen Betrieb tätig sein, der mit Pizza-Blitz in der deutschsprachigen Schweiz in Konkurrenz steht.»
Dass ein Pizzakurier zwei Jahre lang in der ganzen Schweiz für keinen anderen Pizzaladen mehr arbeiten darf, ist lächerlich. Und dass hier laut Vertrag «für den Fall der Zuwiderhandlung» eine Busse von 10 000 Franken droht, ist ein dicker Hund.
Juristisch sind Konkurrenzverbote nur berechtigt, wenn der Angestellte vertieften Einblick in den Kundenkreis oder in die Geschäfts- beziehungsweise Betriebsgeheimnisse hat. Ein Pizzakurier kennt zwar einzelne Kunden, aber sicher nicht den ganzen Kundenkreis.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Gerichte die Zulässigkeit eines Konkurrenzverbots für Pizzakuriere generell verneinen würden.
Keine Meldepflicht für Schwangere
«Sobald Kenntnis über eine Schwangerschaft besteht, muss der Arbeitgeber informiert werden.»
Eine solche Pflicht gibt es nicht. Arbeitnehmerinnen sind frei, wann sie den Chef informieren wollen.
Verbotener Lohnabzug
«Für jede unentschuldbare Absenz werden 100 Franken direkt dem Lohn belastet.»
Eine Pauschalbusse als Schadenersatz ist nicht zulässig. Der Arbeitgeber muss den effektiven Schaden - zum Beispiel entgangener Umsatz - für jeden Einzelfall betragsmässig belegen.
Arbeit auf Abruf ist nachteilig
«Der Mitarbeiter kommt auf Abruf zum Einsatz. Ein Anspruch auf Beschäftigung besteht nicht.»
Diese Klausel ist für Angestellte äusserst nachteilig. Weil der Betrieb allein über Umfang und Termin der Einsätze entscheidet, wissen die Angestellten nie, was sie Ende Monat im Portemonnaie haben. Besser sind Arbeitsverträge mit einer gewissen Mindeststundenzahl pro Woche.
Dazu passt, dass der Lohn mit 16 Franken pro Stunde sehr bescheiden ausfällt. Kommentar von Mauro Moretto von der Gewerkschaft Unia: «Hundslausig.»
Mitarbeit: Simone Thür K-Tipp-Rechtsberatung
Arbeitsgesetz verbietet Nachtjobs für Jugendliche
Der Arbeitsvertrag für die Pizzakuriere von Pizza-Blitz, der dem K-Tipp vorliegt, wurde von der Filiale Baden AG an einen 17-Jährigen zum Unterschreiben geschickt (er hat ihn nicht unterschrieben).
Werden junge Leute unter diesen Bedingungen angestellt, liegen mehrere Verstösse gegen das Arbeitsgesetz vor. Als Jugendliche im Sinne des Arbeitsgesetzes gelten Angestellte bis zum 19. Geburtstag und Lehrlinge bis zum 20. Geburtstag. Übrigens: Arbeitsverträge von Minderjährigen werden erst gültig, wenn sie die Unterschrift der Eltern tragen.
Verbotene Nachtarbeit
«Der Mitarbeiter erklärt sich bereit, regelmässig Nachtarbeit von 24.00 bis 7.00 Uhr zu verrichten.»
Jugendliche dürfen in der Nacht grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Verboten ist Nachtarbeit bei Jugendlichen über 16 Jahren zwischen 22 und 6 Uhr. Jugendliche unter 16 Jahren dürfen sogar nur bis 20 Uhr arbeiten.
Die Kantone können Ausnahmebewilligungen geben - wenn das beispielsweise für die Bäcker- oder Druckerlehre des Jugendlichen unentbehrlich ist. Weder im Kanton Zürich noch im Kanton Aargau haben Pizzakuriere eine solche Ausnahmebewilligung.
Unzulässige Arbeitszeit
«Der Arbeitgeber führt den Betrieb während sieben Tagen in der Woche.»
Auch Sonntagsarbeit ist für Jugendliche generell verboten. Zwar gibt es hier ebenfalls Ausnahmebewilligungen für Lehrlinge gewisser Berufe - aber nicht für Pizzakuriere.
Der Franchisegeber Koni Schwarz hat zu diesen zwei Punkten einen Anwalt Stellung nehmen lassen. Dieser schreibt: «Pizza-Blitz-Betriebe stellen selten Jugendliche an. Wenn in diesen wenigen Fällen der Muster-Arbeitsvertrag verwendet und die Arbeitszeit nicht jugendgerecht angepasst wird, so beweist dies noch nicht, dass tatsächlich auch gegen die Jugendschutz-Bestimmungen verstossen wird.»