Post: Service public im tiefen Elchwald
Inhalt
K-Tipp 19/2000
15.11.2000
Schwedische Post setzt ganz auf die Partnerschaft mit Dorfläden und Tankstellen - mit Erfolg
In Schweden schliessen ab 2001 alle Postämter - doch der Service public bleibt erhalten. Grund: Die schwedische Post arbeitet konsequent mit kleinen Dorfläden zusammen.
Helena Johansson redaktion@k-tip.ch
Tief im Elchwald, nördlich von Stockholm, führen die drei Schwestern Lena, Karin und Maria Pousette im Dorf Edsbro das Familienunternehmen Pousette Trä...
Schwedische Post setzt ganz auf die Partnerschaft mit Dorfläden und Tankstellen - mit Erfolg
In Schweden schliessen ab 2001 alle Postämter - doch der Service public bleibt erhalten. Grund: Die schwedische Post arbeitet konsequent mit kleinen Dorfläden zusammen.
Helena Johansson redaktion@k-tip.ch
Tief im Elchwald, nördlich von Stockholm, führen die drei Schwestern Lena, Karin und Maria Pousette im Dorf Edsbro das Familienunternehmen Pousette Trävarufirma. Ihr Baumarkt versorgt die 700 Haushalte mit Holz, Werkzeug und Schrauben. Und: Bei ihnen können die Dorfbewohner auch Geld abheben, Rechnungen bezahlen, Einschreiben abgeben, Briefmarken kaufen und Pakete verschicken oder abholen.
Nur komplizierte Postgeschäfte - wie Wechsel ausstellen oder Fonds-Konti betreuen - stehen nicht auf ihrem Programm. Dazu reicht der dreitägige Kurs, den die Schwestern bei der Post besucht haben, nicht aus.
In Schweden gibt es 853 solche Postservice-Stellen, untergebracht in Cafés, Tabakläden, Tankstellen oder Lebensmittelläden. Grund: In den Achtzigerjahren verloren die Postämter jeden zweiten Kunden, hauptsächlich im Zahlungsverkehr. Zuerst reagierte die Post mit eingeschränkten Öffnungszeiten, schloss Filialen oder ersetzte kleine Ämter durch Briefträger. Doch darunter litt der Service public.
Überlebenshilfe für kleine Läden und Tankstellen
Deshalb entschloss sich die Post vor rund zehn Jahren, es mit Partnern zu versuchen. «Eigentlich zu spät», sagt Börge Österholm, stellvertretender Geschäftsführer der schwedischen Post. «Zwanzig Jahre früher hätten wir bessere Servicemöglichkeiten gehabt und weitere Läden und Tankstellen auf dem Land retten können.» Denn für viele kleine Geschäfte ist die Zusammenarbeit mit der Post ein willkommener finanzieller Zustupf, ohne den sie kaum überleben könnten.
Nach anfänglicher Skepsis hat sich die Bevölkerung an dieses System gewöhnt und die Vorteile erkannt. So sind zum Beispiel die Öffnungszeiten besser als früher. Bei den Schwestern Pousette in Edsbro lassen sich Postgeschäfte werktags zwischen 6.30 und 17 Uhr und samstags bis 12 Uhr erledigen. «Wenn jemand ausserhalb der Geschäftszeiten klingelt, öffnen wir den Schalter ebenfalls», sagt Maria Pousette. Die Bevölkerung schätzt dies. Der Baumarkt zählt heute mehr Postkunden als vorher das Postamt.
Ähnlich sieht es auf der kleinen Insel Ljusterö aus. Trotz heftiger Proteste der 650 Haushalte wurde dort das Postamt vor acht Jahren geschlossen. Kurz danach übernahmen Solveig Niklasson und Britt-Marie Rosén Anglehed den Postservice. In ihrer Papeterie verkaufen sie Büromaterial, Computerzubehör und Wettscheine für Pferderennen.
Für die beiden Schwägerinnen steht fest: «Wenn der Postservice überlebt, dann überleben auch die anderen Unternehmen auf der Insel», so Britt-Marie Rosén Anglehed.
Das bestätigt auch die Postkundin Eva Carlsson. Ihr Mann betreibt auf Ljusterö ein kleines Bauunternehmen. Die Löhne für die Angestellten bezahlt er am Postschalter in der Papeterie. «Unser Post-Partner ist wichtig für unsere Insel», sagt Eva Carlsson. «Ohne ihn wäre es nicht mehr möglich, hier zu wohnen und zu arbeiten.»
Und die Wahrung des Postgeheimnisses ist weder für sie noch für die beiden Geschäftsführerinnen der Papeterie ein Problem. Beide Frauen und ihre Ehemänner, die mit dem Geschäft nichts zu tun haben, mussten eine Schweigeverpflichtung unterschreiben. Laut Börge Österholm soll es beim Post-Partner-System denn auch noch nie Schwierigkeiten mit der Diskretion gegeben haben. «Es macht doch keinen Unterschied, ob man einem Ladenbesitzer oder einem Postbeamten sein Vertrauen schenkt», meint er.
Landbriefträger bieten mobilen Post-Service
In sehr dünn besiedelten Gegenden setzt die Post nebst kleinen Geschäften auch auf rund 2700 Landbriefträger. Diese nehmen auf ihrer Tour Einzahlungen entgegen, machen Barauszahlungen, verkaufen Briefmarken, Couverts oder Karten. «Ein Superservice, der uns viel Zeit und Geld spart», sagt Göran Gross. Er betreibt weit weg von jeder grösseren Stadt einen kleinen Bootshafen mit zehn Angestellten. «Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal auf einem Postamt war.»
Seine Briefträgerin, die ihm und seinem abgelegenen Kleinbetrieb das Überleben ermöglicht, heisst Ingrid Gustafsson. Täglich fährt sie 70 Kilometer weit und bedient dabei 335 Haushalte und 260 Ferienhäuser. «Nach 15 Jahren Dienst im gleichen Gebiet sind meine Kunden meine Freunde geworden», schwärmt sie von ihrem Beruf.
Nach diesen guten Erfahrungen geht die schwedische Post jetzt noch weiter. Sie besinnt sich konsequent auf ihr Kerngeschäft: Briefe, Pakete und Internet. Ab nächstem Jahr werden deshalb sämtliche noch bestehenden Postämter geschlossen. Der Postservice für Private soll danach ausschliesslich durch insgesamt 3000 Post-Partner und Landbriefträger gewährleistet werden.
Grundlage für diesen Schritt bildet der Entscheid, sich völlig aus dem Post-Bank-Geschäft zurückzuziehen. Eine rentable Post-Bank wäre nur möglich gewesen, wenn die Post einen vollen Bankservice gewährt hätte. Doch das wäre zu teuer geworden, so der stellvertretende Geschäftsführer Börge Österholm. Statt ab- hätte man die Postämter ausbauen und neues ausgebildetes Personal einstellen müssen - und dies angesichts einer etablierten grossen Bankkonkurrenz.
Als gewinnorientierte Aktiengesellschaft ein riskantes Unterfangen. Deshalb wolle die Post nun den sicheren Weg beschreiten, obschon auch in diesem Bereich freie Konkurrenz herrsche. Die deutsche, britische und holländische Post bieten ihre Dienste in Schweden ebenfalls an - aber hauptsächlich in grossen Städten, wo das Geschäft einträglicher ist. Trotzdem rechnen die Schweden damit, ihre Post mit dem neuen und vereinfachten Angebot in die schwarzen Zahlen zu bringen.
«Do it yourself» gilt auch für Postgeschäfte
Für Österholm steht aber fest, dass im Interesse eines flächendeckenden Services keine einzige Poststelle geschlossen werde, bevor nicht eine Alternative bereitstehe. Trotzdem: «Postämter, wie wir sie heute noch kennen, wird es keine mehr geben.» Selbst in grossen Städten nicht. Dort werden die Ämter durch «Do-it-yourself-Postmodule» in Lebensmittelläden und Tankstellen ersetzt.
Das heisst: Die Postkunden werden Pakete selber wiegen und frankieren und die Kosten anschliessend zusammen mit den andern Einkäufen an der Kasse bezahlen. In kleinen Dörfern, wo es keine Bank gibt, sollen einfachere Bankgeschäfte jedoch weiterhin bei den Post-Partnern möglich sein.
Doch damit nicht genug: Auch die Briefträger bekommen neue Aufgaben. Nebst Briefen und Paketen werden sie in Zukunft auf Wunsch auch Lebensmittel, Blumen, Medikamente oder Bücher aus der Bibliothek nach Hause liefern. Und über das Internet oder das Handy sollen Schwedinnen und Schweden in wenigen Jahren elektronisch Adressänderungen vornehmen, Briefmarken kaufen oder kontrollieren können, wo sich ihr bestelltes Paket gerade befindet.
Viele Unternehmer wären gerne Post-Partner
Dass das Post-Partner-System einträglich sein kann, hat sich herumgesprochen. In einigen Regionen stehen Unternehmer Schlange, um mit der Post zusammenzuarbeiten. Viele Geschäfte haben als Post-Partner ihren Umsatz nämlich deutlich gesteigert und gleichzeitig den Kundenkreis erweitert.
«Wir möchten», erklärt Börge Österholm, «das Post-Partner-System deshalb auch mit Franchising ausbauen.» Für die Post kann das finanziell sehr interessant sein. In Regionen, wo sich mehrere Unternehmen um eine Zusammenarbeit bewerben, werden diese für die Post-Partnerschaft bezahlen müssen. «Auf dem Land aber, wo es oft nur einen Anwärter gibt, bezahlt die Post», sagt Österholm. «So bleibt der Postservice auch im kleinsten Ort gewährleistet.»
Schweden machts der Schweiz vor
Wo immer möglich schränkt die Schweizer Post ihre Dienstleistungen und somit den Service public ein. Der K-Tip war in Schweden, wo die Post im Interesse der Kundschaft einen ganz andern Weg geht.
In den letzten 30 Jahren hat die Schweizer Post 500 Filialen geschlossen, weiteren 300 droht in nächster Zeit dasselbe Schicksal. Zudem werden Briefkästen früher geleert oder gar abgeschraubt, Schalteröffnungszeiten und Zustelldienste reduziert und trotzdem die Tarife für Briefe und Pakete stetig erhöht. Weitere Sparmassnahmen stehen Kundinnen und Kunden bevor. Die Post konzentriert sich verstärkt aufs grosse Bankgeschäft.
Ein Blick über die Schweizer Grenze zeigt: Das müsste nicht sein. Die schwedische Post zum Beispiel verzichtet aufs Bankgeschäft und baut dafür ihre Zusammenarbeit mit kleinen Dorfläden aus. Das Konzept ist erfolgreich und garantiert den Service public bis in den entlegensten Winkel des Landes.