Qualm-Zone Spital
In Italien und Irland gilt in Beizen und Bars ein totales Rauchverbot. In der Schweiz aber darf selbst in Spitälern gequalmt werden - und dies mit dem Segen der Behörden.
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K-Tipp 5/2005
09.03.2005
Martin Arnold - redaktion@ktipp.ch
Gleich mehrere Babys sind in den letzten Tagen im Kantonsspital Frauenfeld zur Welt gekommen. Stolz listet die Verwaltung die Namen der Säuglinge im Eingangsbereich auf. Beim Lesen rümpfen empfindliche Nichtraucher allerdings ein erstes Mal ihre Nasen: Im gleichen Raum stehen ein Dutzend Tische der Cafeteria Domino, allesamt mit Aschenbechern bestückt.
Personal, Patienten und Besucher rauchen hier, weil in anderen Bereichen nicht öffentlich geraucht werden darf. Wer vom blauen...
Gleich mehrere Babys sind in den letzten Tagen im Kantonsspital Frauenfeld zur Welt gekommen. Stolz listet die Verwaltung die Namen der Säuglinge im Eingangsbereich auf. Beim Lesen rümpfen empfindliche Nichtraucher allerdings ein erstes Mal ihre Nasen: Im gleichen Raum stehen ein Dutzend Tische der Cafeteria Domino, allesamt mit Aschenbechern bestückt.
Personal, Patienten und Besucher rauchen hier, weil in anderen Bereichen nicht öffentlich geraucht werden darf. Wer vom blauen Dunst wenig hält, muss einen offenen, zwei Meter breiten Durchgang passieren, um zum Nichtraucherbereich zu gelangen - nur trägt der Durchzug den Qualm auch dorthin.
Auch gute Lüftungen lösen Problem nicht
Die Frage drängt sich auf: Ist die Schweiz eines der letzten Raucherparadiese Europas? Eigentlich nicht, denn Rauchern bläst ein zunehmend rauer Wind ins Gesicht: Die unterirdischen Bahnhöfe von Zürich und Genf sind bereits rauchfrei, ebenso die ganze Südostbahn, verschiedene Universitäten, immer mehr Kinofoyers und Restaurants.
Doch ausgerechnet viele Spitäler gehören zu den letzten Raucherinseln im Land. Auch im Kantonsspital Herisau AR darf im öffentlichen Café geraucht werden - und dies, obwohl beim Eingang mit schönen Worten eine rauchfreie Klinik propagiert wird. Die Nichtraucher sind auch hier trotz moderner Lüftung nicht wirkungsvoll vor dem Qualm geschützt. Denn laut einer ETH-Studie verpestet eine einzige Zigarette 19 000 Kubikmeter Luft - das entspricht dem Volumen von 19 stattlichen Einfamilienhäusern.
Ein paar Rauchertischchen in einer Ecke verwandeln deshalb einen ganzen Raum in einen Raucherraum. «Es ist, als ob man in einem Schwimmbad am einen Ende des Pools ins Wasser pinkeln darf und am anderen nicht», meint Jürg Barben, Lungenspezialist am St. Galler Kinderspital. Auch die beste Lüftung könne das Problem des erwiesenermassen schädlichen Passivrauchens nicht lösen.
Andreas Kundert, Spitaldirektor in Frauenfeld, doppelt nach. «Eine Lüftung ist viel zu teuer und bietet zweifelhafte Erfolgsaussichten», erklärt er. Kundert unterstreicht seine Aussage mit einer Studie der britischen Ärztegesellschaft in Schottland. Demnach filtern Entlüftungsanlagen zwar den sichtbaren Tabakrauch weg, doch zurück bleiben gasförmige Giftstoffe.
Rauchfreie Spitäler: Aufgabe der Kantone
In St. Gallen will nun das Parlament für rauchfreie öffentliche Räume sorgen. In einer Motion beauftragt es die Regierung, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Spitälern ein Rauchverbot durchsetzen zu können. Nur in Restaurants sollen auch weiterhin Ausnahmen möglich sein.
Landesweit ist man jedoch weit entfernt von einer einheitlichen Lösung. Dazu Philippe Vallat, Leiter des nationalen Programms zur Tabakprävention beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Es ist Aufgabe der Kantone, für rauchfreie Spitäler zu sorgen. Deshalb besteht für uns kein Handlungsbedarf.»
Der Bund unterstütze hingegen eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft für Tabakprävention, die in den Spitälern ein Raucherentwöhnungsangebot aufbauen will. Der Versuch startet im Sommer, ist auf ein Jahr befristet und soll vorerst in fünf bis zehn Spitälern stattfinden.
Für Lungenspezialist Jürg Barben geht dies ganz klar zu wenig weit: «Es ist grundsätzlich unverständlich, dass an einem Ort, wo die Gesundheit im Zentrum steht, geraucht werden darf.» Er fordert deshalb: An Spitälern und Schulen solle in Zukunft niemand mehr eine Zigarette anzünden dürfen.
Wo darf geraucht werden?
Der K-Tipp fragte ausser den im Text erwähnten Kliniken in 20 weiteren Spitälern nach, wie sie es mit dem Rauchen halten.
- Rauchen erlaubt (Raucherecke resp. abgetrennter Raum, aber mit offenem Durchgang):
Kantonsspital in Aarau, Baden (AG), Basel, Liestal (BL), Luzern, Olten (SO) und Zug.
Auch in den Bezirksspitälern Affoltern am Albis (ZH), Dielsdorf (ZH) sowie in den Spitälern Thun-Simmental in Thun (BE) und Zweisimmen (BE) hat die Verwaltung ein Herz für rauchende Patienten, Angestellte und Besucher.
- Rauchverbot (Ausnahme spezielle Raucherzimmer für Patienten und Personal in den Abteilungen):
Kantonsspitäler Chur, Glarus und Münsterlingen TG.
Spital Davos GR, Inselspital Bern, Regionalspitäler Emmental in Burgdorf (BE) und Langnau (BE), Triemlispital und Universitätsspital Zürich.
Sollte das Rauchen in allen öffentlichen Räumen verboten werden?
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