Reiche erhalten das grösste Geschenk
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K-Tipp 2/2001
31.01.2001
Steuerreform K-Tipp entlarvt Familienförderung des Bundesrats als Mogelpackung
Normalverdiener profitieren kaum. Alleinerziehende noch weniger. Finanzminister Villigers Vorschlag zur Reform der Familienbesteuerung weist gravierende Mängel auf.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Zwei Ziele hat das Finanzdepartement von Kaspar Villiger mit der Reform der direkten Bundessteuer eigentlich im Visier: Familien besser zu stellen und Ehepaare gerechter zu bes...
Steuerreform K-Tipp entlarvt Familienförderung des Bundesrats als Mogelpackung
Normalverdiener profitieren kaum. Alleinerziehende noch weniger. Finanzminister Villigers Vorschlag zur Reform der Familienbesteuerung weist gravierende Mängel auf.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Zwei Ziele hat das Finanzdepartement von Kaspar Villiger mit der Reform der direkten Bundessteuer eigentlich im Visier: Familien besser zu stellen und Ehepaare gerechter zu besteuern. Dazu ist der Bund bereit, Steuerausfälle von jährlich 1,3 Milliarden Franken in Kauf zu nehmen.
Das Resultat der Reformbemühungen will der Bundesrat dieser Tage ins Parlament schicken. «Teilsplitting» heisst sein Vorschlag.
Der K-Tipp hat das Modell unter die Lupe genommen. Fazit:
- Reiche Verheiratete erhalten das grösste Steuergeschenk. Oder anders formuliert: Wer hat, dem wird gegeben.
Beispiel: Bei einem Jahreseinkommen von 300000 Franken müsste ein Ehepaar mit zwei Kindern dem Fiskus stolze 6528 Franken weniger als heute abliefern.
Bei einem Einkommen von 160000 Franken reduziert sich die Steuerentlastung auf 2682 Franken.
Bei 90000 Franken Einkommen profitiert das Ehepaar noch mit mageren 612 Franken.
- Für Alleinerziehende mit zwei Kindern fällt die Bilanz noch dürftiger aus: Wer 90000 Franken pro Jahr verdient, zahlt 497 Franken weniger Steuern, und bei 50000 Franken Einkommen resultiert eine Entlastung von gerade mal 110 Franken.
- Konkubinatseltern schliesslich profitieren ebenfalls wenig (bis gar nicht) vom Teilsplitting-System. Das ist insofern einleuchtend, als Konkubinate heute im Vergleich zu Ehepaaren geringere Steuerlasten tragen - jedenfalls dann, wenn beide Partner erwerbstätig sind.
Was aber stossend ist: Das Teilsplitting schafft keine Gleichbehandlung. Es verschiebt die Steuervorteile lediglich von den Konkubinatseltern zu den Ehepaaren - und das in einer Zeit, in der Eltern ohne Trauschein beileibe keine Seltenheit mehr sind.
Jürg Krummenacher, Direktor der Caritas Schweiz und Präsident der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF), findet dazu deutliche Worte: «Es soll und darf nicht Aufgabe des Fiskus sein, einzelne Lebensformen der Bürgerinnen und Bürger zu belohnen - zum Beispiel die Ehe - und andere zu bestrafen - zum Beispiel die Konkubinate.»
Zivilstand sollte keine Rolle mehr spielen
Im Sinne einer modernen familienpolitischen Zielsetzung seien vor allem Lebensgemeinschaften mit Kindern steuerlich zu entlasten, und zwar unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Der Vorschlag des Bundesrats werde diesem Anliegen eindeutig nicht gerecht, so EKFF-Präsident Krummenacher: «Deshalb lehnen wir das Teilsplitting-Modell ab.» Ähnlich scharf gehen Gewerkschaften und SP mit dem Teilsplitting ins Gericht. Gewinner wären vorab Leute mit hohen und sehr hohen Einkommen, argumentieren der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG). «Diejenigen Familien, die am dringendsten eine finanzielle Entlastung bräuchten, erhalten über Steuerreduktionen wenig bis gar nichts.» Der CNG unterstreicht deshalb, die vom Bundesrat vorgeschlagene Reform ziele «vollständig an der Linderung der Familienarmut vorbei».
Bei Verheirateten gewinnt das Einverdiener-Paar
Auch für die St. Galler SP-Nationalrätin Hildegard Fässler ist das bundesrätliche Modell «ungerecht, weil es vor allem die Gutverdienenden entlastet». Familien mit Einkommen bis 90 000 Franken pro Jahr kämen viel zu schlecht weg.
Höchst ärgerlich findet Fässler zudem, dass Einverdiener-Ehepaare vom Teilsplitting stärker profitieren als partnerschaftlich erwerbstätige Ehepaare. «Das ist doch ein gleichstellungspolitischer Rückschritt», macht sie geltend. Der Bund schmälere damit den Anreiz für verheiratete Frauen, ins Berufsleben einzusteigen.
Villigers Leute wollen solche Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Man dürfe nicht nur die Frankenbeträge, sondern müsse auch die prozentualen Veränderungen vergleichen, verteidigt sich das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD).
Und es rechnet vor, dass die Steuerermässigung so für Verheiratete mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 60000 Franken volle 100 Prozent, bei 300000 Franken Bruttoeinkommen indes nur rund 30 Prozent betrage. Prozentual würden zudem Zweiverdiener-Ehepaare ebenfalls stärker entlastet als Verheiratete mit einem Einkommen.
Der Haken ist nur: Prozentzahlen nützen den Steuerpflichtigen wenig. Für sie zählt konkret, wie viel Geld sie dank der Steuerreform sparen. Und da dürfen sich gut verdienende Ehepaare beim Teilsplitting halt eindeutig mehr freuen als Familien mit bescheidenen Einkommen.
Anders wärs, wenn der Bund statt des Teilsplittings die Individualbesteuerung einführen würde und Eltern zugleich eine monatliche Kinderrente von 500 Franken fürs erste und 250 Franken für jedes weitere Kind ausbezahlt erhielten. Dieses System behandelt Ehepaare und Unverheiratete steuerlich genau gleich. Und innerhalb der meisten Kategorien profitieren Familien mit tiefen Einkommen im Vergleich zu heute stärker als begüterte Familien.
Alleinerziehende mit zwei Kindern zum Beispiel fahren bei einem Jahreseinkommen von 90000 Franken um 3129 Franken besser als heute, bei 50000 Franken Einkommen gar um 4126 Franken. Im Vergleich zum Teilsplitting stehen letztere um 4016 Franken besser da. Das Einverdiener-Ehepaar mit 160000 Franken Einkommen hingegen verliert 778 Franken.
Ganz allgemein aber profitieren Familien wesentlich stärker als beim Teilsplitting. Vor diesem Hintergrund bezeichnet selbst das Departement Villiger die Individualbesteuerung mit hoher Kinderrente als «ein interessantes Modell, das eine nähere Betrachtung verdient». Auf der Basis der bisherigen Arbeiten sei es aber nicht möglich, die gesamten finanziellen Auswirkungen abzuschätzen.
SP: «Kinderrente wäre praktisch kostenneutral»
Die SP hingegen, die sich an vorderster Front für die Kinderrente stark macht, ist überzeugt: Teurer als das Teilsplitting würde die Sache nicht. Die Kinderrente lässt sich nach ihren Berechnungen praktisch kostenneutral einführen. Dann nämlich, wenn gleichzeitig die Steuerabzüge für Familien bei den Bundes- und Staatssteuern wegfallen und die uneinheitlichen kantonalen Kinderzulagen in der neuen Rente aufgehen.
Im Nationalrat hat Jacqueline Fehr von der Zürcher SP bereits eine parlamentarische Initiative zugunsten der Kinderrente eingereicht.
Daneben fordern SP- und CVP-Leute in diversen Vorstössen weitere Massnahmen, die vorab Familien mit kleinen und mittleren Einkommen finanziell stärken sollen. Zur Debatte steht unter anderem der Vorschlag, Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Eltern einzuführen und die Krankenkassenprämien für Kinder und Jugendliche in Ausbildung abzuschaffen.
Ob sich damit die Teilsplitting-Pläne bei der Bundessteuer-Reform umbiegen lassen? SP-Vertreterin Fässler ist zuversichtlich: «Die Chancen sind intakt.»
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Ungerechtigkeiten beseitigen
- Teilsplitting: Gegenüber unverheirateten Paaren sind Ehepaare, bei denen beide Partner erwerbstätig sind, heute steuerlich im Nachteil: Sie müssen statt zweier Einzel- ihr Gesamteinkommen versteuern - und steigen so auf eine höhere Progressionsstufe. Die Mehrbelastung vermag auch der günstigere Tarif nicht auszugleichen, zu dem der Bund Ehepaare im Vergleich zu Unverheirateten besteuert.
Der Bundesrat will dieses Problem mit dem Teilsplitting-Modell angehen. Danach müssten Ehepaare zwar noch immer ihr gemeinsames Gesamteinkommen versteuern, neu aber zu einem reduzierten Satz. Konkret gälte jener Satz, der dem durch den Faktor 1,9 geteilten Einkommen entspricht.
- Individual-Besteuerung: Dieses von der SP bevorzugte Modell sieht die zivilstandsunabhängige Besteuerung aller Pflichtigen aufgrund ihres individuellen Einkommens vor. Die Stärkung der Familien wollen die Sozialdemokraten im Unterschied zum Bundesrat nicht über Steuerabzüge, sondern über eine einheitliche Kinderrente herbeiführen. Diese soll monatlich 500 Franken für das erste und 250 Franken für jedes weitere Kind betragen.
Steuern sparen
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