Rollende Luftverpester
Jeder Roller bläst bis zu 100-mal mehr Dreck in die Luft als ein Auto - und die Zahl der kleinen Motorräder wächst von Tag zu Tag. Das Bundesamt für Umwelt hat diese Entwicklung verschlafen.
Inhalt
K-Tipp 17/2003
15.10.2003
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Die Freiheit auf zwei Rädern, kombiniert mit einem 50-Kubik-Motor, ist bei Jugendlichen ab 16 Jahren beliebt. Kleinroller dieser Klasse verkaufen sich wie warme Weggli. Der Bestand ist innert zehn Jahren von 22 000 auf 130 000 angewachsen, Tendenz weiter steigend.
Sehr large und völlig veraltete Normen
Das gilt auch für Roller mit Motoren bis und über 125 Kubik. Auch hier gilt: Der Bestand wächst von Tag zu Tag, zurzeit dürften es über 80 000 sein.
Die Freiheit auf zwei Rädern, kombiniert mit einem 50-Kubik-Motor, ist bei Jugendlichen ab 16 Jahren beliebt. Kleinroller dieser Klasse verkaufen sich wie warme Weggli. Der Bestand ist innert zehn Jahren von 22 000 auf 130 000 angewachsen, Tendenz weiter steigend.
Sehr large und völlig veraltete Normen
Das gilt auch für Roller mit Motoren bis und über 125 Kubik. Auch hier gilt: Der Bestand wächst von Tag zu Tag, zurzeit dürften es über 80 000 sein.
Die vor allem im Stadt- und Nahverkehr eingesetzten Flitzer brauchen wenig Benzin und müssen, wenn sie die Fabrikhallen verlassen, die Abgaswerte der Euronormen 1 und 2 für Roller und Motorräder erfüllen.
Die Umwelt sollte das eigentlich freuen - tut es aber nicht: Die Euronormen 1 und 2 sind gemäss Felix Reutimann vom Bundesamt für Umwelt (Buwal) längst veraltet und nach heutigen Massstäben zu tief angesetzt.
Kommt dazu: «Einmal in Betrieb, erfüllen die meisten Roller nicht einmal mehr diese largen Abgasvorschriften», so Martin Weilenmann von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Empa. Stichproben belegen: Einige schleudern, kaum aus dem Laden, schon bis zu 100-mal mehr des Ozon bildenden Kohlenwasserstoffes in die Luft als ein Mittelklassewagen.
Hauptursache dafür ist die fehlende obligatorische Abgaskontrolle für Roller und Motorräder. Weilenmann: «Das erlaubt den Herstellern, für die Auspuffanlagen und Katalysatoren billigste Materialien zu verwenden.» Funktionieren müsse das Ganze schliesslich nur bei der Abgasmessung ab Werk - was danach komme, kümmere sie nicht.
In der Branche bestreitet niemand, dass dem so ist, aber «die jährliche Kilometerleistung von Töffs und Rollern ist im Vergleich zu Autos gering», verharmlost beispielsweise Daniel Schor, Ehrenpräsident des Schweizerischen Fahrrad- und Motorradgewerbe-Verbandes SFMGV.
Tatsächlich aber gehts ums Geld. Geschickt haben es die wichtigsten Hersteller-Länder von Rollern und Motorrädern geschafft, in Europa die Einführung scharfer Abgasbestimmungen jahrelang zu verzögern. Wären die Abgasvorschriften für Zweiräder im Gleichschritt mit jenen für Autos strenger geworden, müssten sie nämlich schon lange bessere und teurere Motoren und Abgasreinigungs-Komponenten einbauen. Folge: Die heute ab 3000 Franken erhältlichen Flitzer würden einiges teurer.
Überrollt vom Rollerboom wurden die Umweltschützer. Jahrzehntelang war die Zahl der Roller in der Schweiz kaum der Rede wert und entsprechend vernachlässigbar deren Anteil an der Luftverschmutzung. «Die Marktentwicklung hat uns darum völlig überrascht», gesteht Moritz Christen vom Verkehrsclub VCS. «Aber jetzt drängen sich strengere Abgasnormen auf.»
Ab 2006 gibts neue Regeln für Zweiräder
Diese kommen auch, aber voraussichtlich erst ab 2006. Dann soll für Zweiräder die Euronorm 3 in Kraft treten. Das bedeutet ähnliche Abgaswerte wie bei Autos - und gleichzeitig müssen die Hersteller für schadstoffvermindernde Teile wie Katalysatoren eine Mindesthaltbarkeit von 30 000 Kilometer garantieren.
Für den VCS ist das ein Schritt in die richtige Richtung. «Aber werden die Abgaswerte und die Haltbarkeitsgarantie auch überprüft?», fragt Christen. Manon Delisle, Sektionsleiterin Verkehr beim Buwal, meint: «Wir werden wohl nicht darum herumkommen, auch bei Zweirädern über eine regelmässige Abgaswartung zu diskutieren.» Dem Touring Club TCS wäre das recht. «Es gibt keinen Grund», so TCS-Umweltexperte André Porchet, «Roller und Motorräder anders zu behandeln als Autos.»
Grosse Motorräder - grosser Dreck
In Sachen Luftverschmutzung sind Motorräder nicht besser als Roller. Rund 340 000 Töffs aller Hubraumklassen ab 125 Kubik sind in der Schweiz immatrikuliert. Für sie gelten ebenfalls die Abgaswerte der Euronorm 1 und 2, periodische Abgaskontrollen sind nicht obligatorisch.
Nur wenige teure Motorräder sind mit wirksamen, weil geregelten Katalysatoren ausgerüstet. Die meisten Hersteller verwenden - wenn überhaupt - lieber billige und kurzlebige ungeregelte Katalysatoren.
Zudem entfernen Mechaniker auf Wunsch der Besitzer schon mal die eingebauten Katalysatoren noch im Laden. Grund: kerniger Auspuff-Sound und ein paar PS mehr.