Sackgeld: Kleiner Betrag - grosse Wirkung
Inhalt
K-Tipp 13/2000
23.08.2000
So lernen die Kinder, wie sie ihre Finanzen in den Griff bekommen
Die Sommerferien gehen zu Ende, das neue Schuljahr beginnt. Und in unzähligen Familien stellt sich jetzt (wieder) die Frage nach der «richtigen» Höhe des Taschengeldes.
Gery Schwager gschwager@k-tip.ch
Haben Sie sich auch schon gefragt, ab wann Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn Sackgeld bezahlen sollen? Für Rita Hermann-Huber ist die Antwort klar: «Grundsätzlich ab dem ersten Sch...
So lernen die Kinder, wie sie ihre Finanzen in den Griff bekommen
Die Sommerferien gehen zu Ende, das neue Schuljahr beginnt. Und in unzähligen Familien stellt sich jetzt (wieder) die Frage nach der «richtigen» Höhe des Taschengeldes.
Gery Schwager gschwager@k-tip.ch
Haben Sie sich auch schon gefragt, ab wann Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn Sackgeld bezahlen sollen? Für Rita Hermann-Huber ist die Antwort klar: «Grundsätzlich ab dem ersten Schuljahr», so die Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Budgetberatungsstellen (ASB) und Budgetberaterin bei der Frauenzentrale Luzern. Der Grund: «Die Kinder lernen jetzt zu zählen und zu rechnen, was ihnen den bewussten Umgang mit Geld überhaupt erst ermöglicht.» Umfragen zufolge erhalten allerdings 15 bis 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Schweiz kein Taschengeld. Das birgt Zündstoff. Einzelne der Betroffenen könnten gar versuchen, «mit unehrlichen Mitteln zu etwas Geld zu kommen», befürchtet der Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Elternorganisationen, Urs Franzini.
Auch Rita Hermann kennt das Problem. Sie schränkt aber ein: «Wenn ein Kind zu stehlen beginnt, ist mangelndes Sackgeld bestimmt nicht die Hauptursache. Da spielen noch andere Faktoren mit.»
Einig sind sich Franzini und Hermann indes, was den Hauptvorteil von Taschengeld betrifft: Die Kinder üben, mit Geld zu wirtschaften. Sie lernen, Prioritäten zu setzen, auf ein Ziel hin zu sparen und einzuteilen. Damit steigt die Chance, dass sie auch als Erwachsene ihre Finanzangelegenheiten wirklich im Griff haben.
Für die «richtige» Höhe des Taschengeldes gibt es kein Patentrezept, wohl aber Empfehlungen. Pädagogen raten zur Faustregel «einen Franken pro Woche und Schuljahr». Dem entspricht alles in allem auch der Vorschlag der ASB.
Kinder sollen über ihr Geld selber bestimmen
Auf den ersten Blick mag das vielleicht als etwas knausrig erscheinen. Rita Hermann präzisiert: «Bedingung ist, dass das Kind sein Sackgeld wirklich zur freien Verfügung hat und damit nicht Dinge zum Lebensunterhalt kaufen muss.» Es soll auch Fehler machen dürfen, um Erfahrungen sammeln zu können.
Für eine schlechte Idee halten es Urs Franzini und Rita Hermann, das Taschengeld an Leistungen zu knüpfen. So werde es vom sinnvollen Erziehungs- zum unfairen Machtmittel. Gute Schulnoten etwa seien ja nicht bloss eine Frage der Motivation, sondern mindestens ebenso sehr Begabungssache. Begabung aber lässt sich mit Geld nicht steigern.
Ausserdem fördere man auf diese Weise beim Kind die Haltung, Leistungen nur noch gegen Bezahlung zu verrichten. «Es muss jedoch selbstverständlich bleiben, dass die Übernahme alltäglicher Ämtli zum Familienleben gehört und keinen "Lohn" rechtfertigt», sagt Rita Hermann.
Und noch etwas ist für die ASB-Präsidentin in Sachen Taschengeld ganz wichtig: Dessen Höhe sollte in einer vernünftigen Relation zum Gesamtbudget der Familie stehen. «Die Kinder sollen es wissen, wenn die Familie nicht auf Rosen gebettet ist», so Hermann. Das sieht auch Hugues Renaud so. Der Autor des 1997 bei Pro Juventute erschienenen Ratgebers «L'argent de poche» ergänzt: «Kinder und Eltern müssen offen miteinander reden. Dann verstehen es die Kinder sehr gut, wenn die Eltern ihnen nicht so viel Sackgeld wie eigentlich erhofft geben können.»
Kein Sackgeld mehr für Lehrlinge
Doch wann eigentlich soll definitiv Schluss sein mit Taschengeld? Spätestens dann, wenn der Sohn oder die Tochter einen Lohn erhält, raten Budgetfachleute. Leichter fällt der Übergang in die finanzielle Selbstverantwortung laut Renaud jenen Jugendlichen, die gegen Ende der obligatorischen Schulzeit schrittweise damit beginnen konnten, das Geld zum eigenen Lebensunterhalt selbst zu verwalten.
Ist der Lehrlingslohn tief, müssen die Eltern ihren Nachwuchs natürlich weiter unterstützen. Sie sollten jetzt aber kein Sackgeld mehr bezahlen, sondern einen Beitrag an die Unterhaltskosten leisten oder für Kost und Logis vorerst noch nichts verlangen, rät Rita Hermann.
Für Mittelschüler empfiehlt die ASB, einen monatlichen Betrag zwischen 190 und 280 Franken festzulegen. Dieser steht für Kleider, Schuhe, Sport, Freizeit, Kultur und Schulmaterial zur Verfügung. «Eltern dürfen ihren Nachwuchs aber ruhig darauf hinweisen», so Hermann, «dass Mittelschüler gute Chancen auf Ferien- oder kleine Nebenjobs haben.»
So vermeiden Sie Krach mit den Kindern
Taschengeld gibt oft Anlass zu Reibereien in der Familie. Das muss nicht sein:
- Nichts verheimlichen: Setzen Sie die Höhe des Taschengeldes nicht «im stillen Kämmerlein» fest. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über den Betrag und erklären Sie ihm, aus welchen Gründen Sie nicht mehr Geld bezahlen wollen oder können. Ihr Kind muss die Zusammenhänge kennen; nur so kann es verstehen, weshalb zum Beispiel sein bester Kollege mehr Sackgeld erhält.
- Vorbild sein: Zeigen Sie Ihren Kindern, dass Sie sich ebenfalls nicht immer jeden Wunsch erfüllen (können).
- Regelmässig auszahlen: Geben Sie das Taschengeld in den ersten vier Schuljahren wöchentlich, danach monatlich, und zwar regelmässig an einem vereinbarten Tag. Ihr Kind lernt so am besten, seine Ausgaben über zunehmend längere Zeiträume zu planen.
- Interesse zeigen: Bestimmen Sie nicht, wie das Taschengeld zu verwenden ist, aber interessieren Sie sich dafür. Bestärken Sie Ihr Kind, wenn es sinnvolle Ausgaben plant. Klären Sie es aber auch darüber auf, dass gewisse Anschaffungen mit Gefahren verbunden sind, dass etwa ein Handy-Kauf saftige Telefonrechnungen nach sich ziehen kann.
- Gefahren schildern: Setzen Sie Ihr Kind ins Bild über die Probleme, die Schulden mit sich bringen. Sollte es sich trotzdem verschulden, springen Sie nicht bedingungslos in die Bresche. Verknüpfen Sie den allenfalls unumgänglichen Vorschuss mit einem Rückzahlungsmodus, an den sich Ihr Kind konsequent halten muss.
- Selbsthilfe fördern: Ferien- oder Freizeitjobs bieten die Chance, sich einen grösseren Wunsch selbst zu erfüllen. Achten Sie aber darauf, dass der Job den Sohn oder die Tochter nicht überfordert und keine arbeitsrechtlichen Vorschriften verletzt. Das Beschäftigen von Jugendlichen unter 13 Jahren ist verboten, 13- bis 15-Jährige dürfen nur leichte Arbeiten und Botengänge ausüben.
- Infos: Konkrete Empfehlungen geben die ASB-Merkblätter «Taschengeld für Schülerinnen und Schüler» sowie «Vorschläge zur Einteilung des Lehrlingslohnes». Das Einzelblatt kostet Fr. 4.50 und ist erhältlich bei: Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Budgetberatungsstellen (ASB), Hashubelweg 7, 5014 Gretzenbach, Tel./Fax 062 849 42 45.
DAS EMPFEHLEN FACHLEUTE
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Quelle: Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Budgetberatungsstellen
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