Schädliche Stoffe in Naturkosmetika
Gesundheitsgefährdende Stoffe im Bio-Cure-Shampoo von Yves Rocher, starke Allergene in der Body-Shop-Creme. Doch ein Vergleich zeigt: Es geht auch anders.
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K-Tipp 11/2004
02.06.2004
Marc Meschenmoser - redaktion@ktipp.ch
Serge Hasler (Name geändert) leidet unter trockener Haut. Nachdem er unzählige Kosmetika ausprobiert hatte, wollte er sich etwas Natürliches gönnen. In einem Zürcher Body Shop («Pflegeprodukte für Haut und Haar auf natürlicher Basis») empfiehlt ihm die Verkäuferin die Jojoba-Tagescreme, die er über Nacht einwirken lassen sollte.
Tags darauf war Haslers Gesicht mit roten Flecken übersät, die Haut juckte - Kontaktallergie. Der Auslöser: Body Shop mischt der Jojoba-Crem...
Serge Hasler (Name geändert) leidet unter trockener Haut. Nachdem er unzählige Kosmetika ausprobiert hatte, wollte er sich etwas Natürliches gönnen. In einem Zürcher Body Shop («Pflegeprodukte für Haut und Haar auf natürlicher Basis») empfiehlt ihm die Verkäuferin die Jojoba-Tagescreme, die er über Nacht einwirken lassen sollte.
Tags darauf war Haslers Gesicht mit roten Flecken übersät, die Haut juckte - Kontaktallergie. Der Auslöser: Body Shop mischt der Jojoba-Creme Parabene als Konservierungsmittel bei. Dieser chemische Stoff kann zu Allergien führen.
Naturkosmetik liegt im Trend und verkauft sich dementsprechend gut. Der grösste Schweizer Fachhändler - Vanadis aus Seon AG - beliefert rund 500 Bioläden und Reformhäuser mit Artikeln, die die strengen Kriterien des Gütesiegels «kontrollierte Naturkosmetik BDIH» erfüllen.
Vanadis-Produktemanagerin Chantal Lüthy: «Naturkosmetikfirmen schiessen wie Pilze aus dem Boden, die Nachfrage steigt enorm.»
Vorbildliche Produkte von vier Firmen
Für Konsumentinnen und Konsumenten sind aber die Verpackungsaufschriften oft kaum verständlich. Zwar müssen Hersteller seit 1997 deklarieren, was sie in ihre Cremen mischen, tun dies jedoch meist nur in Latein. Problematisch für Allergiker: Verschiedene Duftstoffe werden als «Parfüm» - gesetzeskonform - verschleiert.
Der K-Tipp wollte wissen, was tatsächlich hinter den Versprechen der Hersteller und in den Produkten steckt. Der Allergiespezialist Heinz Knieriemen studierte deshalb die deklarierten Inhaltsstoffe von 28 Produkten, die mit «natürlich», «auf pflanzlicher Basis» oder «bio» beworben werden.
Bestnoten erhalten vier Hersteller für die ausgewählten Produkte.
- Logona: Aftershave Balm, Aftershave Lotion, Deodorant Hamamelis.
- Farfalla: Shea-Körperbalsam, Jojoba-Körperlotion.
- Weleda: Calendula-Babycreme, Damm-Massageöl, Rosmarin-Pflegeseife.
- Lavera: Baby- & Kindercreme, Family Sun-Spray, Körperlotion bei Allergien.
All diese Artikel enthalten weder Erdöl noch chemische Inhaltsstoffe, die sich im Körper ablagern oder Allergien auslösen. Heinz Knieriemen: «Lobenswert sind die deutsche Bezeichnung der Inhaltsstoffe und der Verzicht auf kritische Stoffe.» Prädikat «empfehlenswert».
Logona, Weleda oder Lavera sind auch regelmässig unter den Siegern, wenn die deutsche Zeitschrift «Öko-Test» Produkte im Labor auf bedenkliche Inhalts- und Duftstoffe untersucht.
Namen der Duftstoffe nicht aufgeschlüsselt
Nicht ganz perfekt deklariert sind laut Knieriemen Dr. Hauschkas After Sun Lotion, das Lippenkosmetikum und die Gesichtsmilch: Unklar ist, welche Parfüms eingesetzt werden. Wala, Hersteller von Dr. Hauschka, wird «im Verlaufe des nächsten Jahres» vollständig und neu auch in Deutsch deklarieren.
Die gleichen Minuspunkte sammelt Coop für die Naturaline-Produkte Calendula Cream Multi-Active, Day Cream Sensitive malve und Shampoo Calendula normales Haar. Auch auf der Etikette der Kneipp-Reinigungsmilch für trockene und sensible Haut (gekauft bei Migros) fehlen Angaben zu den Duftstoffen.
Rocher-Produkte: Nicht nur pflanzlich
Mehr zu bemängeln gibt es bei der Kneipp-Feuchtigkeitsemulsion. Sie enthält Acrylsäure für die Gel-Bildung. Ebenfalls als «eingeschränkt empfehlenswert» beurteilt Knieriemen den Deo Nature Millénaire von Yves Rocher.
Alles andere als natürlich sind die anderen vier der fünf Yves-Rocher-Produkte («Das beste aus der Natur»), welche der Fachmann unter die Lupe nahm: Der Lippenstift Couleurs Nature enthält Stoffe auf Erdölbasis - darunter Paraffin und Phthalate. Paraffin kann Allergien auslösen und Phthalate stehen in Verdacht, krebserregend sowie leber- und nierenschädigend zu sein.
Und Rochers Gesichtsreinigungswasser mit reiner Kamille enthält Polyethylenglycol (Peg), das wegen haut- irritierender Eigenschaften umstritten ist. Ebenfalls findet sich Disodium EDTA - der Stoff reichert sich im Fettgewebe an, mit hormonverändernder Wirkung. Und in der «Pur désir de Rose»-Körpermilch findet sich u. a. das porenverschliessende Erdölprodukt Paraffinum Liquidum.
Bei Rochers Bio-Cure-Shampoo gegen Haarausfall stellt Knieriemen auf der Deklaration EDTA sowie den Krebs erregenden Formaldehyd-Abspalter Imidazoidinyl Urea fest: «Das hat in Naturkosmetik mit dem Titel "bio" nichts zu suchen.»
Yves Rocher schreibt nur lapidar: «All unsere Kosmetikprodukte entsprechen europäischen Gesetzen und werden in unseren Labors getestet, um die Sicherheit und Unbedenklichkeit zu gewährleisten.»
Body-Shop-Creme mit gefährlichen Stoffen
Nicht besser schneidet Body Shop ab: Die Feuchtigkeit spendende Tagescreme Jojoba enthält Parabene. «Verzichten Sie auf Kosmetika, die den Bestandteil Paraben enthalten», warnt die deutsche Krebsgesellschaft. Mitte Februar publizierten britische Forscher, dass sie in Krebstumoren Parabenrückstände festgestellt haben - die Industrie zweifelt das an.
Body Shops Tea-Tree-Körperpeeling enthält gar vier verschiedene Parabene und u. a. den «Allergieklassiker» Tartrazin. «Nicht empfehlenswert» ist laut Knieriemen auch die Peppermint Cooling Foot Lotion mit fünf verschiedenen Parabenen, dem Krebs erregenden Formaldehydabspalter Triethanolamine und zwei synthetischen Azofarbstoffen. Und der Körperspray Spirit of Moonflower besteht aus alkoholischen Vergällungs- und Lösemitteln sowie Wasser und Parfüm.
Body-Shop-Sprecher Bill Eyres: «Wir sind keine reine Naturfirma. Unsere Rezepturen enthalten synthetische Stoffe, Konservierungs- und Emulsionsmittel.» Man reduziere Parabene; Erdöl würde in neuen Produkten nicht mehr verwendet. Tea-Tree-Körperpeeling verschwindet - nachdem alles verkauft ist.
Heinz Knieriemens Fazit: «Die Kluft zwischen Naturkosmetika-Herstellern, die ihren Job ernst nehmen, und jenen, die mitschwimmen und Geld mit angeblicher Naturkosmetik verdienen, ist gross.»
Wer auf Nummer sicher gehen will, achtet auf kontrollierte Naturkosmetik
«Naturkosmetik» ist gesetzlich nicht geschützt. Trotzdem gibt es kontrollierte Produkte.
Mindestanforderungen für Naturkosmetika geben weder die EU noch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor. «Das wird auch so bleiben», sagt BAG-Sektionsleiter Michel Donat.
Deshalb schlossen sich 2001 führende Hersteller dem Gütesiegel «kontrollierte Naturkosmetik BDIH» an, darunter Weleda und Farfalla, Lavera, Dr. Hauschka und Logona. Wer das Label aufdrucken will, muss auf Tierversuche, Erdölprodukte, chemische und synthetische Inhaltsstoffe verzichten sowie pflanzliche Rohstoffe einsetzen. Diese Kriterien werden auch überprüft.
Doch auch wer auf natürliche Produkte umsteigt, ist nicht vor Allergien geschützt. Günter Burg, Leiter Dermatologie am Unispital Zürich: «Pflanzliche Stoffe enthalten zum Teil allergisierende ätherische Öle.» Burg empfiehlt als Selbsttest: wenig Kosmetika auf die Innenseite des Oberarms streichen, 48 Stunden mit einem Pflaster abdecken. Ist die Haut gerötet, besteht eine Allergie.
Soll gesetzlich geregelt werden, welche Stoffe in Naturkosmetika erlaubt sind? Antworten Sie unter www.ktipp.ch.