«Schluss mit den Steuer geldern für Winzer»
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K-Tipp 19/2000
15.11.2000
Weinbauer Jean-Daniel Schlaepfer sticht mit seiner Forderung in ein Wespennest
Schweizer Winzer produzieren zu viel Wein von zu schlechter Qualität. Schuld daran seien die staatlichen Subventionen, erklärt der Genfer Weinbauer Jean-Daniel Schlaepfer.
Von Pirmin Schilliger redaktion@k-tip.ch
Weg mit den Subventionen», fordert Weinbauer Jean-Daniel Schlaepfer aus Peney GE. Die staatlichen Beiträge sind nach seiner Ansicht das Grundübel, das den lä...
Weinbauer Jean-Daniel Schlaepfer sticht mit seiner Forderung in ein Wespennest
Schweizer Winzer produzieren zu viel Wein von zu schlechter Qualität. Schuld daran seien die staatlichen Subventionen, erklärt der Genfer Weinbauer Jean-Daniel Schlaepfer.
Von Pirmin Schilliger redaktion@k-tip.ch
Weg mit den Subventionen», fordert Weinbauer Jean-Daniel Schlaepfer aus Peney GE. Die staatlichen Beiträge sind nach seiner Ansicht das Grundübel, das den längst fälligen Strukturwandel im Weinbau verhindert.
Dank der Staatsbeiträge würden viele kleine Rebbauern überleben und versuchen, aus ihren Rebbergen möglichst grosse Mengen herauszuholen. Resultat: eine Überproduktion an Schweizer Weinen in höchst bescheidener Qualität, die beim Konsumenten nicht mehr beliebt sind, erklärt Schlaepfer. Ganz anders ginge es jenen Winzern, die nicht möglichst viele, sondern Spitzenweine produzieren: «Die verkaufen ihren Wein ohne Probleme, können sogar ins Ausland exportieren», sagt er. Zum Beweis erwähnt er sein Weingut «Domaine des Balisiers»: Die 150000 Flaschen biologischen Qualitätsweins des Jahrgangs 99 hätten reissenden Absatz gefunden; ein Fünftel sei ins Ausland gegangen.
Winzer erhalten bis zu 7000 Franken pro Hektare
Tatsächlich profitieren die meisten Weinbauern in der Schweiz von Direktzahlungen. Sie erhalten Flächen-, Hang- und Ökobeiträge, zusammengerechnet bis zu 7000 Franken pro Hektare. Gesamthaft zahlt der Bund jährlich rund 35 Millionen Franken an die Weinbauern.
Beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) stösst Schlaepfers rigorose Forderung, alle Subventionen zu streichen, auf kein Verständnis. Frédéric Rothen, beim BLW verantwortlich für die Weinwirtschaft, ist überzeugt: «Wenn wir sämtliche Subventionen streichen würden, änderte das im Weinbau nur wenig.» Die einzelnen Rebbauern würden einfach grössere Mengen produzieren, um die ausgefallenen Subventionen wettzumachen. Für die Qualität des Weines wäre dies schlecht.
Weitere Konsequenz: «Der Weinbau würde sich von terrassierten Hängen, wo die Subventionen mit 5000 Franken pro Hektare am stärksten ins Gewicht fallen, zusehends in den Talgrund verlagern.» Aufgegeben würden mit den Rebterrassen just jene Lagen, in denen die besten Säfte wachsen - eine aus Qualitätsgründen und auch aus der Optik des Landschaftsschutzes kaum wünschenswerte Entwicklung.
Rothen glaubt zudem: «Grosse Weinbauern in flacheren Gebieten reden auf die eigene Mühle.» Für sie würde es wenig Unterschied machen, wenn die Subventionen gestrichen würden.
Das stimmt in Schlaepfers Fall nur bedingt. Zwar profitiert er im flachen Genf kaum von Hangbeiträgen. Und um in den vollen Genuss von Flächenbeiträgen zu kommen, ist Schlaepfer ein zu grosser Weinbauer. Denn ab 80000 Franken Einkommen werden diese Subventionen zurückgestutzt.
Aber im letzten Jahr bezog die «Domaine des Balisiers» dennoch 66000 Franken Subventionen - grösstenteils waren es Ökobeiträge. Diese Summe verlören Schlaepfer und sein Compagnon, würden ihre eigenen Forderungen umgesetzt. Trotzdem bekräftigt er: «Im Interesse eines transparenten und offenen Marktes bin ich bereit für dieses Opfer.»
Weniger drastisch beurteilt die Subventionspolitik des Bundes der Grossverteiler Coop, mit einem Marktanteil von über 35 Prozent grösster Weinverkäufer in der Schweiz. «Der Weinbau ist, verglichen mit anderen landwirtschaftlichen Bereichen, einer der liberalsten in der Wirtschaft», versichert Felix Wehrli, Leiter Kommunikation.
EU setzt auf Zuschüsse für Produktionsmittel
Dass die wenigsten Winzer auf Subventionen verzichten möchten, leuchtet ein. Der Deutschschweizer Weinbauverband (DWBV) könnte sich aber ein klügeres Subventionssystem vorstellen. Dessen Sekretär Urs Giezendanner verweist auf die EU-Länder. Statt mit Flächenbeiträgen fördert Brüssel die Winzer gezielt mit Zuschüssen auf Produktionsmittel, vom Traktor bis zur neuen Weinpresse. «Das beschleunigt wirksam den Strukturwandel», so Giezendanner.
Jakob Schuler hingegen, Weinhändler in Schwyz, findet jegliche Art von staatlicher Unterstützung für den Bauern, den er als freien Unternehmer sieht, «entwürdigend und entmündigend». Er ist mit Schlaepfer einig: «Ohne Subventionen hätten sich die Schweizer Winzer viel früher auf den Weltmarkt ausgerichtet; sie könnten heute bessere Weine anbieten und würden mehr verdienen.»
In einem anderen Punkt herrscht mehr Einigkeit: Die kontrollierte Ursprungsbezeichnung AOC (= Appellation d'origine controlée) sollte strengeren Kriterien unterliegen.
Wer in der Schweiz zum Beispiel Wein der besten Qualität produzieren will, darf bis zu 110 Hektoliter pro Hektare ernten. Diesen Rahmen setzt der Bund in der Weinverordnung. Er überlässt es den Kantonen, die Erträge weiter zu limitieren. Unliebsame Konsequenz dieses Föderalismus: grosser Wildwuchs in der AOC, mit je nach Kanton, Anbaugebiet und Traubensorte unterschiedlichen Normen.
Für den Konsumenten ein verwirrendes Bild, das am Image der Ursprungsbezeichnung kratzt. «Möchte man Qualitätswein exportieren, müsste man mit der AOC-Deklaration viel strenger sein», erklärt Felix Wehrli von Coop. Und Jakob Schuler kritisiert: «Was mit unserer AOC erlaubt ist, grenzt an Täuschung des Konsumenten.»
Über 90 Prozent des Rebsaftes wird in den Weinregionen der Schweiz zu AOC-Qualitätswein gekeltert, im qualitätsbewussteren Frankreich sinds nur 40 bis 45 Prozent. Die Weinbauern dort reduzieren, wenn sie Spitzenwein produzieren wollen, den Traubenertrag pro Hektare auf die Hälfte der in der Schweiz erlaubten Menge.
Nach diesem Rezept handelt auch Schlaepfer - und dies mit Erfolg: Er beschränkt den Traubenertrag auf 55 Hektoliter pro Hektare. Trotz Verzicht auf Massenproduktion kann er seine Weine zu Preisen zwischen 12 und 21 Franken anbieten.
Wein aus dem Web: Palette zum Vergleichen
- Wem das Weinangebot im Laden nicht genügt, dem bietet sich auch das Internet als Einkaufsmöglichkeit. Bereits seit drei Jahren umwerben die «Caves Mövenpick» im Netz die Kunden. Die Jakobskellerei Schuler AG in Schwyz unterhält zusammen mit zehn weiteren Weinhändlern ebenfalls seit längerem eine elektronische Verkaufsplattform. Auch Rebbauern versuchen sich immer häufiger im Online-Direktverkauf. Ende Jahr treten Globus, ab Januar Coop und im Frühling Bindella neu im Netz als Verkäufer edler Tropfen auf.
- Für den Konsumenten ist dieser Trend attraktiv. Im Internet findet er, im Gegensatz zum Laden, die ganze Palette eines Firmen-Angebotes mit detaillierten Informationen über die einzelnen Weine. Coop will die Online-Läden zusammen mit dem Aufbau von 40 Spezialitätenläden «Galeries du Vin» in der Schweiz lancieren. Internet-Weinkäufer profitieren in der Regel nebst der grossen Auswahl von günstigen Lieferkonditionen, Mengenrabatten und schnellen Preisvergleichen. Einen Nachteil müssen sie allerdings in Kauf nehmen: Degustieren können sie die Weine im Internet natürlich nicht.
- Hier können Sie sich im Web mit Wein eindecken: www.enoweb.com (ab Januar 2001: Plattform von Coop)
www.winestar.ch (Schuler AG und weitere Weinhändler)
www.moevenpick.com/wein
www.mueller-weine.ch
www.felsenkeller.ch
www.martel.ch
www.weinwisser.com
www.wermuth.ch
www.ivinum.ch
Gute Nachricht für die Konsumenten
Die Stunde der Wahrheit schlägt für die Schweizer Rebbauern im nächsten Jahr. Der Weinimport wird nämlich ab 1. Januar weiter liberalisiert. Bisher durften von den 170 Millionen für den zollbegünstigten Import zugelassenen Litern nur zehn Prozent Weisswein sein. Neu wird ab 2001 nicht mehr zwischen Rot- und Weisswein unterschieden.
Dies wird den bisher vor billigen Importen weitgehend geschützten Schweizer Weisswein mächtig unter Konkurrenzdruck setzen. Für die Konsumenten ist das eine gute Nachricht: Sie können bald einmal aus einem grösseren Angebot an besserem und erst noch billigerem Weisswein wählen.
Weitere gute Nachricht: Der 2000er dürfte erfreulich werden. Die Öchslegrade liegen in den meisten Regionen sehr hoch. Es sei mit «wohlstrukturierten Weinen» zu rechnen, heisst es beim Schweizer Weinbauernverband.