Spuk der schwarzen Wände
Ein neues Phänomen: Wände in Wohnungen werden plötzlich schwarz. Die klebrig-russigen Flecken aber lassen sich nicht einfach wegwaschen.
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K-Tipp 19/2003
12.11.2003
Pirmin Schilliger - redaktion@ktipp.ch
Gleichsam über Nacht wurden in der Wohnung von Tanja Drixl in Reinach BL die Wände, Schränke und Vorhänge schwarz und ölig. Zuerst vermutete die junge Frau als Ursache eine defekte Heizung. Sie alarmierte die Hausverwaltung.
Nach umfangreichen Abklärungen stand fest: Es liegt nicht an der Heizung, aber es waren auch nicht Schimmelpilze oder Russ.
Mieterin, Verwaltung und Eigentümer standen vor einem Rätsel. Ob gar eine Duftkerze, welche Drixl zehn Tage vor d...
Gleichsam über Nacht wurden in der Wohnung von Tanja Drixl in Reinach BL die Wände, Schränke und Vorhänge schwarz und ölig. Zuerst vermutete die junge Frau als Ursache eine defekte Heizung. Sie alarmierte die Hausverwaltung.
Nach umfangreichen Abklärungen stand fest: Es liegt nicht an der Heizung, aber es waren auch nicht Schimmelpilze oder Russ.
Mieterin, Verwaltung und Eigentümer standen vor einem Rätsel. Ob gar eine Duftkerze, welche Drixl zehn Tage vor der Verunreinigung angezündet hatte, verantwortlich sein könnte, liess sich nicht nachweisen.
Alles muss neu gestrichen werden
Unübersehbar aber waren die Fakten: eine Wohnung so schwarz und schmutzig, dass sie gründlich geputzt und Wände und Decken neu gestrichen werden mussten. Der Schaden belief sich auf 5000 Franken.
Seit dem Ereignis sind einige Monate vergangen. Sauber und weiss ist es heute in der Wohnung. Der Spuk hat sich zum Glück bis jetzt nicht wiederholt. Reto Coutalides vom Büro für Bau- und Umweltchemie in Zürich, unter anderem auf Raumlufthygiene spezialisiert, sind Fälle wie in Drixls Wohnung nicht neu. «Wir haben immer wieder Leute, die uns deswegen um Hilfe bitten. Fachleute bezeichnen dieses Phänomen als Fogging, Magic Dust oder ganz einfach schwarze Wohnungen.» Christoph Rentsch vom Bundesamt für Umwelt (Buwal) erklärt, das Phänomen sei in der Schweiz noch nicht wissenschaftlich untersucht worden.
Die Schweizerische Interessengemeinschaft Baubiologie (SIB) verweist auf das deutsche Umweltbundesamt. Dieses hat 132 Fälle geprüft, denn in Deutschland tritt Fogging seit einigen Jahren häufiger auf. Ergebnis der Studie: Die schwarzen Ablagerungen bilden sich fast immer zu Beginn der Heizperiode, besonders häufig nach einer Renovation oder in neuen Wohnungen. Als primäre Ursache vermuten die Forscher schwerflüchtige organische Verbindungen (SVOC), allen voran so genannte Weichmacher. Diese Stoffe können noch Monate nach dem Anstrich aus Farbe und Versiegelungslacken ausdünsten.
Warum sich die SVOCs zusammen mit Staubteilchen schliesslich als schmierige Ablagerungen niederschlagen, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Bauliche Mängel, etwa kalte Wandbereiche oder Wärmebrücken, dürften einen Einfluss haben. Auch unzureichendes Lüften, unregelmässiges Heizen sowie Abbrennen von Kerzen und Lampenöl dürften den Prozess begünstigen, vermutet Coutalides. Damit es zu «schwarzen Wohnungen» kommen kann, müssen mehrere, aber nicht alle diese Bedingungen vorliegen.
Kein Risiko für die Gesundheit
Ein Gesundheitsrisiko besteht laut Umweltbundesamt nicht. Von einer chemischen Analyse der Raumluft oder der schwarzen Rückstände raten die Fachleute ab. «Das kostet schnell einmal ein paar Tausend Franken und ist damit teurer als ein Neuanstrich», gibt Coutalides zu bedenken. Verbindliche Empfehlungen, wie sich Betroffene bei Magic Dust verhalten sollten, existieren nicht.
Tanja Drixl bleibt immerhin der Trost, dass ihr keine Kosten entstanden sind. Die Hausverwaltung hat diese übernommen, unter dem Vorbehalt, dass die Mieterin nicht demnächst auszieht.
Wohnung gleichmässig heizen
Das Risiko «schwarze Wohnungen» lässt sich minimieren:
- Farben und Lacke sowie Kunst- und andere Baustoffe dürfen keine Weichmacher enthalten.
- Wohnungen regelmässig lüften und gleichmässig heizen, damit sich die Luftfeuchtigkeit nicht an kalten Stellen als Wasser absetzt (hier kann sich Schwebestaub ansammeln).
- Wer auf Nummer sicher gehen will, verzichtet auf das Abbrennen von Duftkerzen und -lämpchen.
- Weitere Infos unter www.umweltbundesamt.de