Sunrise-Agenten mit Wildwest-Methoden
Mitarbeiter der Firma Ranger gehen im Auftrag von Sunrise mit dreisten Methoden hausieren - vor allem bei alten Menschen. Grund: Ranger-Leute leben von Provisionen.
Inhalt
K-Tipp 3/2003
12.02.2003
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Die Türglocke läutete. Herta Göhler ging die Treppen des Basler Mietshauses hinunter und öffnete die Tür. «Draussen stand ein junges Beeri», erinnert sich die 84-Jährige. «Sie sagte, sie wolle mir erklären, wie ich mit Sunrise günstiger übers Festnetz telefonieren könne.» Göhler wimmelte die Agentin ab.
Einige Wochen später klingelte es erneut. Diesmal benützte Göhler die Gegensprechanlage. Ein Sunrise-Vertreter begehrte Einlass ins Haus. «Ich sagte ihm, dass ic...
Die Türglocke läutete. Herta Göhler ging die Treppen des Basler Mietshauses hinunter und öffnete die Tür. «Draussen stand ein junges Beeri», erinnert sich die 84-Jährige. «Sie sagte, sie wolle mir erklären, wie ich mit Sunrise günstiger übers Festnetz telefonieren könne.» Göhler wimmelte die Agentin ab.
Einige Wochen später klingelte es erneut. Diesmal benützte Göhler die Gegensprechanlage. Ein Sunrise-Vertreter begehrte Einlass ins Haus. «Ich sagte ihm, dass ich die Eingangstür nur öffne, wenn er nicht zu mir komme», erzählt die betagte Frau. Der Mann versprachs - und stand kurz darauf vor ihrer Wohnungstür.
Er versuchte, Göhler einen Wechsel von Swisscom zu Sunrise schmackhaft zu machen. «Am Schluss bat er mich um eine Unterschrift - als Bestätigung, dass er bei mir war.» Die 84-Jährige realisierte nicht, dass sie eine Anmeldung bei Sunrise unterschrieb. Den ungewollten Wechsel bemerkte Göhler erst, als sie telefonieren wollte und die Bandansage «Willkommen bei Sunrise» ertönte. Daraufhin kündigte sie den Vertrag sofort.
Laut Sunrise-Sprecherin Monika Walser wurde Herta Göhler «von einem Mitarbeiter der Firma Ranger Switzerland GmbH angesprochen». Mit dieser Direktvertriebs-Firma im zugerischen Hünenberg arbeite Sunrise seit 1999 erfolgreich zusammen.
Anmeldeformular war bereits ausgefüllt
«Der Agent, der mit Frau Göhler gesprochen hat, war in seiner Arbeit stets korrekt», versichert Walser. «Auch zeigen unsere Aufzeichnungen, dass die Kundin am 4. November 2002 einen Kontrollanruf erhalten hat.» Solche Anrufe mache Ranger nach jedem Vertragsabschluss, um die Anmeldung zu bestätigen und den Kunden zu fragen, ob er mit dem Mitarbeiter zufrieden war. Göhlers Wertung sei «durchaus positiv» gewesen.
Die Angesprochene beteuert hingegen, sie habe nie einen solchen Anruf erhalten. Stattdessen sei sie nach ihrer Kündigung noch zweimal von Sunrise-Agenten aufgesucht worden. Einer habe sogar das Anmeldeformular bereits ausgefüllt gehabt. «Das ist doch kein Geschäftsgebaren», ärgert sie sich.
Ähnliches erlebte die 83-jährige E. J. aus dem Kanton Aargau. Sie erhielt eines Abends Besuch von zwei Ranger-Mitarbeitern, so genannten «Rangern». Die Frau kann sich nicht erinnern, eine Anmeldung unterschrieben oder einen Kontrollanruf erhalten zu haben. Trotzdem flatterte im nächsten Monat eine Sunrise-Rechnung ins Haus. Auch E. J. kündigte umgehend - trotzdem kamen die Rangers nochmals vorbei.
Sogar eine 90-Jährige wurde Opfer eines Rangers, wie der «Beobachter» berichtete. Der Aussendienstler hatte sich als Swisscom-Vertreter ausgegeben, der den Telefonanschluss kontrollieren müsse - und der Frau einen Sunrise-Vertrag untergejubelt.
Jeff Audrey, Ranger-Geschäftsführer in der Schweiz, beantwortete die schriftlichen Fragen des K-Tipp zu diesen Fällen nicht. Am Telefon hatte er zuvor von «Missverständnissen» gesprochen und darauf hingewiesen, dass alle 200 fest angestellten Rangers jeden Morgen geschult würden. Ausserdem gehörten zu seinen Kunden «bekannte Unternehmen wie Vodafone, Citybank und der deutsche TV-Sender Premiere».
Von der Kundenliste streichen musste Audrey die Kreditkartenfirma American Express, wie Sprecher Jean-Marc Hensch bestätigt: «Wir haben die Zusammenarbeit mit Ranger im Juni 2002 fristlos gekündigt, insbesondere weil wir viele Reklamationen über das aufdringliche Auftreten der Mitarbeiter dieser Gesellschaft erhalten haben.»
Dass die Aussendienstler von Ranger zuweilen zu unzimperlichen Methoden greifen, erstaunt nicht: Sie arbeiten ausschliesslich auf Provisionsbasis. Das zeigt ein Arbeitsvertrag der Firma Rainbow Communications GmbH in Schlieren ZH, der dem K-Tipp vorliegt. Rainbow ist eine von etwa zehn Ranger-Tochtergesellschaften, die alle die gleichen Anstellungsverträge haben.
Demnach erhält ein Ranger pro abgeschlossenen Vertrag brutto Fr. 16.25, falls der Kunde in der Vergangenheit für durchschnittlich weniger als 100 Franken pro Monat telefonierte. Waren die Kosten höher, fliessen Fr. 30.35 in die Tasche des Rangers. Garantiert ist einzig eine Mindestprovision von 500 Franken pro Monat.
«Als zusätzlichen Anreiz hat der Chef an gewissen Tagen 100 bis 200 Franken ausgesetzt für den Verkäufer, der am meisten Aufträge bringt», erzählt ein Ex-Angestellter. Er beurteilt seine ehemalige Firma als «unseriös» und «unprofessionell».
Doch Ranger ist nicht der einzige Vertriebspartner von Sunrise, der in Wildwestmanier auf Kundenfang geht:
- Ein Mitarbeiter der GAP Communications GmbH in Steffisburg BE sprach die 82-jährige L. R. vor der Migros Kriens LU an - er mache eine Umfrage. Dann bearbeitete er die Frau, bis sie einen Vertrag unterschrieb - wofür genau, wusste sie nicht.
Sunrise-Agenten tricksen mit Umfrage
GAP habe Kunden «vereinzelt mit zweifelhaften Kommentaren zu einer Unterschrift verleitet», räumt Sunrise-Sprecherin Monika Walser ein. «Deshalb haben wir den Vertrag mit dieser Firma per Ende Mai 2002 gekündigt.» GAP-Geschäftsführer Mark Bichsel bestreitet dies: «Der Vertrag wurde einvernehmlich aufgelöst. Wir waren an einer Zusammenarbeit nicht mehr interessiert, weil die aufdringlichen Rangers uns das Geschäft vermiest haben.» Und: «Sunrise ist jedes Mittel recht, um Kunden zu gewinnen.»
- Ebenfalls mit der Umfragemasche operierte die Lausanner Firma GCC, als sie in einem Einkaufszentrum in Egerkingen SO die 15-jährige Janine Geissbühler ins Visier nahm. Umstritten ist, ob die Unterschrift auf dem Sunrise-Anmeldeformular tatsächlich von der Schülerin stammt oder ob sie vom Agenten gefälscht wurde. Sunrise will das Originalformular nicht herausrücken.
So oder so hätte Sunrise die Anmeldung nicht akzeptieren dürfen, weil die Telefonnummer nicht auf Janine, sondern auf deren Vater Beat Geissbühler lautet. «Hier ist leider ein Irrtum passiert», bedauert Walser.
Den Vorwurf von Beat Geissbühler, Sunrise betreibe «Rattenfängerei», weist Walser zurück: «Sunrise hat für den Direktvertrieb strenge Verhaltensregeln erlassen. Wer sich nicht daran hält, kriegt eine Verwarnung und muss mit einer Kündigung rechnen.» In der Tat heisst es dort, dass «Kunden nicht zu einer Unterschrift gedrängt werden dürfen» und es «nicht erlaubt ist, betagte Personen, die den Sinn einer Anmeldung nicht vollständig verstehen, unterschreiben zu lassen». Zudem erhalten seit Dezember 2002 alle Neukunden mit Geburtsdatum vor 1935 zwei Kontrollanrufe.
Trotzdem ist für Herta Göhler klar: «Seriöse Firmen gehen nicht hausieren.»
Sind Sie auch schon von unzimperlichen SunriseVerkäufern belästigt worden? Der K-Tipp freut sich auf Ihre Antwort unter www.ktipp.ch
Verlangen Sie Bedenkzeit!
Mit der richtigen Reaktion lässt sich ein überstürzter Wechsel des Telefonanbieters vermeiden.
Nicht nur Sunrise, auch andere Telefongesellschaften gehen mit unzimperlichen Methoden auf Kundenfang - auch auf öffentlichen Plätzen und per Telefon.
«Der Telefonverkäufer redete, bis ich Ja sagte zum Wechsel von Swisscom zu N-Tel», beklagt sich Elsbeth Langenegger aus Gais AR. Andere K-Tipp-Leser ärgerten sich über Verkäufer von Econophone und Tele 2.
Meist gehen die Telefongesellschaften nicht selber auf Kundenjagd, sondern beauftragen Marketing-Firmen oder Call-Centers. Deren redegewandten Mitarbeitern ist oft nur schwer beizukommen. Hier ein paar Tipps:
- Unterschreiben Sie nicht in Anwesenheit des Verkäufers, sondern verlangen Sie Bedenkzeit. Nehmen Sie die Unterlagen mit nach Hause und studieren Sie sie in Ruhe.
- Wird ein Verkäufer aggressiv, beenden Sie das Gespräch. Weisen Sie ihn nötigenfalls aus der Wohnung.
- Sie können sich jederzeit wieder abmelden und zu
einem anderen Festnetz-Anbieter wechseln. Es gibt keine Kündigungsfrist.