Tabakindustrie trickst mit Aromastoffen
Um den Tabakgeschmack zu übertünchen, werden Zigaretten mit Dill, Kakao, Vanille oder auch Lakritze versetzt. Doch dadurch wird man schneller nikotinsüchtig.
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K-Tipp 6/2004
24.03.2004
Julia Konstantinidis - redaktion@ktipp.ch
Dass Zigaretten nichts für Kinder sind, weiss schon jedes Kind. Trotzdem fangen Jugendliche immer früher mit dem Qualmen an. Heute liegt das Einstiegsalter der unter 20-Jährigen in der Schweiz bei 16,5 Jahren. Vor 50 Jahren begann dieselbe Altersstufe im Schnitt mit 18,5 Jahren zu rauchen.
In diesem Zusammenhang bergen nicht deklarierungspflichtige Zusatzstoffe im Tabak laut der Weltgesundheitsorganisation WHO «erhebliche Gefahren». Philip Morris etwa braucht Ingredienzen, di...
Dass Zigaretten nichts für Kinder sind, weiss schon jedes Kind. Trotzdem fangen Jugendliche immer früher mit dem Qualmen an. Heute liegt das Einstiegsalter der unter 20-Jährigen in der Schweiz bei 16,5 Jahren. Vor 50 Jahren begann dieselbe Altersstufe im Schnitt mit 18,5 Jahren zu rauchen.
In diesem Zusammenhang bergen nicht deklarierungspflichtige Zusatzstoffe im Tabak laut der Weltgesundheitsorganisation WHO «erhebliche Gefahren». Philip Morris etwa braucht Ingredienzen, die man in Glimmstängeln niemals vermuten würde: Schokolade, Dill-Öl, Kamillenblütenextrakt, Vanille, Lakritze oder Kardamomsaatöl, um nur einige zu nennen.
Diese Stoffe wirken zwar nicht direkt suchtfördernd. Sie können aber das Rauchen viel attraktiver machen: Der Tabak riecht besser und der Rauch kratzt nicht so im Hals, womit der Hustenreiz gemildert wird. Was aber gravierender ist: «Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass etwa Kakao wegen seines Bestandteils Theobromin die Atemwege erweitern und so die Aufnahme von Nikotin begünstigen könnte», erklärt Sabina Müller vom Bundesamt für Gesundheit. Das bedeutet: Nikotin wird schneller aufgenommen und Neueinsteiger werden schneller süchtig.
Menthol reduziert Schmerzempfinden
Auch Menthol, das in fast allen Zigaretten enthalten ist, hats in sich: «Menthol führt zu einer Verminderung des Schmerz- und Reizempfindens beim Inhalieren von Tabak», sagt Martina Pötschke-Langer, Leiterin des deutschen WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle in Heidelberg. Dadurch liessen sich Zigaretten leichter rauchen, und auch Kinder könnten bereits Lungenzüge machen.
Bei der Diskussion um die Schädlichkeit von Zigaretten stehen Stoffe wie Teer und Nikotin im Vordergrund. Doch nicht deklarierte Zusatzstoffe haben eine heimtückische Wirkung: «Die Verbindung dieser Stoffe macht aus den Zigaretten Giftcocktails», meint Anne-Katharina Burkhalter, Leiterin Tabakprävention der Lungenliga Schweiz.
Und Pötschke-Langer kritisiert: «Die Tabakindustrie hat durch gezielte Produktveränderungen den Zigarettenmarkt inzwischen zu einem Kindermarkt gemacht.» Dies sei erstmals Philip Morris gelungen - und zwar in den 70er-Jahren mit Marlboro. «Das Geheimnis von Marlboro sind Aromastoffe und die Ammonium-Technik, welche das Rauchen dieser Zigaretten angenehmer und dadurch auch das Nikotin schneller verfügbar macht.»
Die Zigarettenindustrie weist Vorwürfe, sie steigere mit den aromatisch aufgemotzten Zigaretten die Suchtgefahr, weit von sich: «Mit den Zusatzstoffen, die wir in unseren Zigaretten verwenden, steigern wir den Gehalt und die Wirkung des Nikotins nicht und beabsichtigen damit auch keine Attraktivitätssteigerung von Zigaretten bei Kindern», behauptet David Peter, Manager Corporate Affairs beim Philip-Morris-Konzern.
101 Zusatzstoffe bei Philip Morris
Man versetze die Zigaretten nur deshalb mit aromatischen Stoffen, um einen «besonderen Geschmack und ein besonderes Aroma» zu gewährleisten, meint Peter: «Die verwendeten Inhaltsstoffe machen unsere Zigaretten nicht suchtgefährdender. Alle Zigaretten machen abhängig und lösen Krankheiten aus», sagt er. Die Konsumenten sollten aber wissen, welche Stoffe Tabakhersteller benutzten, räumt Peter ein. Sein Konzern liste deshalb die 101 verwendeten Aromastoffe und Höchstmengen im Internet auf (www.pmintl.ch/ pages/deu/smoking/Tobacco _ch_de.asp).
Nicht nur in der Schweiz, auch in den EU-Ländern besteht noch keine Deklarationspflicht für Zusatzstoffe. Eine EU-Kommission arbeitet jedoch an einem Vorschlag für eine Liste der erlaubten Zusatzstoffe, die bis Ende Jahr den Mitgliedstaaten unterbreitet werden soll. Der deutschen Verbraucherzentrale reicht diese Massnahme allerdings nicht. Sie fordert deshalb: «Sucht steigernde Zusatzstoffe in Tabakprodukten müssen verboten werden.»
Was erwarten Sie von den Behörden, was die Tabaksucht steigernden Zusatzstoffe betrifft? Diskutieren Sie unter www.ktipp.ch.