Teure Autos zum «Nulltarif»
Gratis ein luxuriöses Auto fahren - das möchten viele. Die Firma Emotion-World verspricht, diesen Traum zu erfüllen, und zockt Gutgläubige zu Tausenden ab.
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K-Tipp 1/2003
15.01.2003
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
An diesem Dienstagabend, dem 7. Januar, ist das Säli im Hotel Ibis in Rothrist AG voll besetzt. Eng zusammengerückt lauschen fast 70 Frauen und Männer jeglichen Alters den Ausführungen von Erwin Kiefer.
Der Deutsche ist als Repräsentant der jungen Mainzer Firma Emotion-World GmbH angereist, um Träume zu erfüllen. Seit der Firmengründung vor rund drei Monaten tingelt er von einer Veranstaltung zur nächsten und zaubert mit dem, was er zu berichten hat, jedesmal Glanz in die...
An diesem Dienstagabend, dem 7. Januar, ist das Säli im Hotel Ibis in Rothrist AG voll besetzt. Eng zusammengerückt lauschen fast 70 Frauen und Männer jeglichen Alters den Ausführungen von Erwin Kiefer.
Der Deutsche ist als Repräsentant der jungen Mainzer Firma Emotion-World GmbH angereist, um Träume zu erfüllen. Seit der Firmengründung vor rund drei Monaten tingelt er von einer Veranstaltung zur nächsten und zaubert mit dem, was er zu berichten hat, jedesmal Glanz in die Augen der Zuhörer. «Gratis neue schicke Autos der Oberklasse», verspricht Kiefer. «Mercedes, BMW, Cabriolets, Sportwagen», damit zusammenhängend «Prestige und gesellschaftliche Anerkennung» sowie den «Neid der Freunde und der Nachbarschaft».
Die Menschen im Säli sind wie hypnotisiert, ihr Applaus voller Hoffnung. Kiefer setzt noch einen drauf und erklärt, dass es für alle, die mitmachen, nicht nur «Autos, sondern auch Euros» gebe. Das Zauberwort dazu heisse «Network-Marketing».
Und so solls funktionieren: Wer dabei sein will, wird für einen Beitrag von 750 Franken Mitglied im Emotion-World-Club und wirbt sofort weitere zahlende Mitglieder, die wiederum auf Anwerbetour gehen. Je fleissiger, desto besser, denn dann bekommen nicht nur alle gratis einen tollen Schlitten, sondern dank eines «ausgeklügelten Bonussystems auch bares Geld in die Haushaltskasse», so Kiefer. «Das können monatlich mehrere tausend Franken sein.»
Jetzt kippt die Stimmung im Säli ins Euphorische. Einige der Anwesenden haben den Clubbeitrag schon einbezahlt und sind definitiv überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und viele, die noch zögerten oder an diesem Abend zum ersten Mal von der Firma Emotion-World hörten, sind nun bereit, das Geld rasch zu überweisen. «Wer jetzt Ja sagt», so Kiefer, «wird zu den mittlerweile über 3000 Glücklichen gehören, die bald viel Geld verdienen und dazu kostenlos einen schicken Wagen fahren.» 3000 «Glückliche» - das bedeutet: Fast 2,5 Millionen Franken sind bisher in die Kasse von Emotion-World geflossen. Doch es sollen noch mehr werden: «10 000 Clubmitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind unser Ziel», teilt Firmengründer Günter Röll dem K-Tipp mit.
Die Autos für die hoffnungsfrohen Clubmitglieder will Röll direkt und mit «Superkonditionen» bei den Herstellern ordern. «Kaufverträge mit allen Marken stehen kurz vor dem Abschluss», behaupten er und seine Entourage.
Das ist schlicht gelogen. In den Konzernzentralen von Audi, BMW, Ford und VW ist Emotion-World unbekannt. Einzig bei Mercedes hat man schon von der Firma gehört «und prüft rechtliche Schritte, falls sie weiterhin vorgibt, mit uns zusammenzuarbeiten», sagt Sprecherin Konstanze Siola.
Ähnlich äussert sich Europcar. «Seit ein paar Wochen hat Emotion-World bei uns in Deutschland mehrere Autos gemietet», sagt Europcar-Anwältin Andrea Mertens. «Wir vermuten, dass diese quasi als Köder benutzt werden, um Clubmitglieder zu werben.» Der deutsche Automobilclub ADAC hat deshalb vor wenigen Tagen alle seine Mitglieder gewarnt. Grund: Aus seiner Sicht handelt es sich bei Emotion-World um nichts anderes als ein raffiniert aufgezogenes Schneeballsystem.
«Was soll daran schlecht sein», fragt Jörg Berlinger aus Schwyz, der für Emotion-World Veranstaltungen organisiert und Mitglieder wirbt.
Vieles, lautet die Antwort: Denn Schneeballsysteme brechen in der Regel nach kurzer Zeit zusammen und die Teilnehmer sind ihre Beiträge los, ohne dafür je die versprochene Gegenleistung bekommen zu haben.
Profit machen nur die Initianten. Aus diesem Grund sind solche Systeme gemäss dem Lotteriegesetz verboten. Allein schon die Teilnahme daran kann mit Haft oder Bussen bis zu 10 000 Franken bestraft werden.
So erkennen Sie Schneeballsysteme
Bei Schneeball- oder Pyramidensystemen müssen ständig neue Teilnehmer geworben werden.
Diese Systeme verstecken sich auch hinter Begriffen wie Strukturvertrieb, Network- und Multi-Level-Marketing sowie Kettenbriefen.
Das investierte Geld ist in der Regel verloren, da solche Systeme nach kurzer Zeit zusammenbrechen.
Lassen Sie die Finger von verlockenden Angeboten, wenn
- Sie für versprochene Waren, Dienstleistungen, Profite oder Boni Mitglieder anwerben müssen;
- Sie im Voraus Geld einzahlen müssen;
- Sie ein Grundpaket mit Waren oder Dienstleistungen kaufen müssen.