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K-Tipp 12/2002
12.06.2002
Wohnungsübernahme: Mängel frühzeitig reklamieren und schriftlich festhalten
Solange es nur wenige freie Mietwohnungen gibt, braucht es Glück, um eine gute Bleibe zu finden. Doch was tun, wenn die Traumwohnung beim Einzug Mängel hat? Wehren Sie sich - der K-Tipp sagt wie.
Markus Kellenberger mkellenberger@ktipp.ch
Anna Noser (Name geändert) freut sich. Sie hat den Vertrag für die charmante Wohnung mit dem günstigen Mietzins im Zürcher Stadtkre...
Wohnungsübernahme: Mängel frühzeitig reklamieren und schriftlich festhalten
Solange es nur wenige freie Mietwohnungen gibt, braucht es Glück, um eine gute Bleibe zu finden. Doch was tun, wenn die Traumwohnung beim Einzug Mängel hat? Wehren Sie sich - der K-Tipp sagt wie.
Markus Kellenberger mkellenberger@ktipp.ch
Anna Noser (Name geändert) freut sich. Sie hat den Vertrag für die charmante Wohnung mit dem günstigen Mietzins im Zürcher Stadtkreis 6 seit wenigen Tagen im Sack. Gezügelt wird am 1. Juli. Eines nur dämpft ihre Begeisterung: «Ich fürchte, die Verwaltung kümmert sich wenig um die Beseitigung bestehender Mängel», sagt sie.
Nosers Befürchtung ist nicht grundlos: «Der jetzigen Mieterin wurde vor Jahren versprochen, hässliche Risse in den Wänden und ein undichtes Fenster zu reparieren. Gemacht worden ist jedoch bis heute nichts.» Im Hinblick auf den baldigen Einzug mache ihr das Sorgen.
Diese teilt sie mit immer mehr Menschen. Allein beim Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband haben sich Anfragen und Reklamationen betreffend Mängel beim Wohnungswechsel in den letzten vier Jahren verdoppelt. «In den kantonalen und städtischen Sektionen zeigt sich das gleiche Bild», sagt Geschäftsführerin Regula Mühlebach. «Mängel sind mittlerweile das Spitzenthema in der Telefonberatung, lange vor Mietzinsen oder Nebenkostenabrechnungen.»
Beat Wicki vom Luzerner Mieterverband ortet drei mögliche Gründe für diese Entwicklung: die Spekulationsbauten aus den 60er-und 70er-Jahren, bei denen mittlerweile ein grosser Renovationsbedarf herrscht; ein gestiegenes Bewusstsein der Mieter für ihre Rechte und die durch den tiefen Leerwohnungsbestand in grossen Zentren gestiegenen Mieten. «Je teurer die Wohnungen werden, desto weniger tolerieren deren Bewohner beim Einzug selbst kleine Mängel», meint Wicki. Diesen Theorien stimmen nicht nur seine Kolleginnen und Kollegen zu. Auch der Hauseigentümerverband Schweiz ist dieser Ansicht.
Doch Vorsicht mit allzu pingeligen Ansprüchen: Nicht jeden Kratzer am Türrahmen, der dem Neumieter missfällt, muss der Vermieter zwingend beseitigen. Einen rechtlichen Anspruch auf Renovation oder Ersatz innert angemessener Zeit hat der Neumieter nur, wenn der festgestellte Mangel die Lebensqualität einschränkt oder die Wohnung sogar unbewohnbar macht. In solchen Fällen spricht man von mittleren oder schweren Mängeln.
Klassische Fälle von mittleren Mängeln sind abblätternde Tapeten, Ungeziefer, kaputte Herde, Waschmaschinen und Kühlschränke. Als schwer mangelhaft und praktisch unbewohnbar gelten beispielsweise Wohnungen mit starkem Schimmelbefall und solche, die im Winter trotz eingeschalteter Heizung nicht wärmer als 17 Grad werden.
Erfreulich am Ganzen ist: «Vor dem Richter enden nur die wenigsten Fälle», so Regula Mühlebach vom Schweizerischen Mieterverband. «Eigentümer gehen in der Regel auf berechtigte Wünsche der Neumieter ein.» Dazu brauche es manchmal die Hartnäckigkeit des Mieters. Denn: «Vor dem Einzug versprechen Hauseigentümer gerne, dieses und jenes in Stand zu stellen, und vergessen es dann wieder.» Mieter, die sich in solchen Fällen nicht wehren, hätten das Nachsehen.
Genau das ist im Falle der Vormieterin von Anna Noser passiert. Sie hat sich nicht getraut, die Verwaltung an ihr Renovationsversprechen zu erinnern. Für Mühlebach ist das durchaus nachvollziehbar. «Es gibt immer noch genug Leute, die ihre Rechte nicht genügend kennen und zu Unrecht fürchten, bei einer Reklamation auf die Strasse gestellt zu werden.»
Anna Noser hatte ähnliche Bedenken. Doch nach der Beratung durch den K-Tipp und den Mieterverband hat sie ihre Angst überwunden und ist bei der Verwaltung ihrer künftigen Wohnung vorstellig geworden.
Mit Erfolg: Sie hat nun die schriftliche Bestätigung, dass die reklamierten Mängel vor ihrem Einzug behoben werden. «Jetzt bin ich beruhigt», sagt sie, «und freue mich riesig auf mein neues Daheim.»
Mängel bei der Wohnungsübernahme: Was Sie tun müssen und wer Ihnen hilft
So gehen Sie bei der Wohnungsübernahme vor:
- Halten Sie bei der Wohnungsbesichtigung gemachte Versprechen im Mietvertrag fest.
- Erstellen Sie mit dem Vermieter ein Übernahmeprotokoll. Halten Sie darin detailliert fest, wann welche Mängel beseitigt werden. Das Protokoll verhindert zudem, dass man Ihnen beim Auszug Schäden verrechnet, die Vormieter verursacht haben.
- Weitere Mängel können Sie je nach Mietvertrag innert 10 bis 30 Tagen nach der Wohnungsübernahme schriftlich und eingeschrieben dem Vermieter melden.
- Mittlere und schwere Mängel muss der Vermieter beseitigen. Vereinbaren Sie mit ihm schriftlich, bis wann das geschehen muss. Bestehen Sie nach Möglichkeit darauf, dass vor dem Einzug leichte Mängel wie defekte Steckdosen beseitigt werden.
- Falls der Vermieter seine Versprechen nicht hält: Setzen Sie ihm schriftlich und eingeschrieben eine Nachfrist. Fordern Sie eine Mietzinsreduktion (siehe K-Spezial «Tipps für Mieter», Ausgabe 1/02) oder kündigen Sie ihm an, dass Sie die Miete nach Ablauf der Nachfrist bei der Schlichtungsstelle hinterlegen werden.
- Können Sie sich mit dem Vermieter nicht einigen, wollen Sie den Mietzins hinterlegen oder eine Mietzinsreduktion erwirken, wenden Sie sich an den Mieterverband Ihrer Region oder die Schlichtungsbehörde für Mietsachen. Machen Sie eigenmächtig keine Abzüge.
Rat und Informationen:
- K-Tipp-Rechtsberatung: Tel. 01 253 83 83, täglich von 9 bis 12 und von 13 bis 15 Uhr.
- Schweizerischer Mieterinnen- und Mieterverband, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 01 291 09 37. Hier können Sie Mitglied werden. Die Mitgliedschaft kostet je nach Region jährlich zwischen 60 und 100 Franken und berechtigt zu vergünstigten Dienstleistungen.
- Weitere Infos, Adressen und Links zu Mieterverbänden sowie kantonalen und kommunalen Schlichtungsstellen: www.mietrecht.ch und www.mieterverband.ch
- Die Broschüre «Mängel an der Mietsache» ist für Fr. 6.- (Nichtmitglieder Fr. 8.-) plus Porto und Verpackung beim Mieterverband erhältlich. Auch die Hauseigentümerverbände bieten Broschüren an.
- Der Saldo-Ratgeber «Das Mietrecht im Überblick» enthält das Wichtigste zum Thema Mieten. Er kostet Fr. 23.- inkl. Versand. Zu bestellen mit der Karte auf S. 13.