Unberechtigte Lohnabzüge
Lohnabzüge wegen unbezahlter Benzinrechnungen: An einer Coop-Tankstelle nahmen es Vorgesetzte mit dem Arbeitsrecht nicht so genau.
Inhalt
K-Tipp 5/2006
08.03.2006
Vera Sohmer - vera.sohmer@ktipp.ch
Die Verantwortlichen der Coop-Tankstellen und Coop-Pronto-Shops «legen Wert auf korrekte Arbeitsbedingungen» - das zumindest betont die zuständige Coop Mineralöl AG. Sie pocht nach eigenen Angaben darauf, dass in den Arbeitsverträgen alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden.
Eine 37-jährige Angestellte aus Bischofszell TG machte jedoch andere Erfahrungen: Sie arbeitete zwei Monate lang im Coop-Tankstellenshop Amriswi- TG. Speziell den Umstand, dass man ihr für unbe...
Die Verantwortlichen der Coop-Tankstellen und Coop-Pronto-Shops «legen Wert auf korrekte Arbeitsbedingungen» - das zumindest betont die zuständige Coop Mineralöl AG. Sie pocht nach eigenen Angaben darauf, dass in den Arbeitsverträgen alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden.
Eine 37-jährige Angestellte aus Bischofszell TG machte jedoch andere Erfahrungen: Sie arbeitete zwei Monate lang im Coop-Tankstellenshop Amriswi- TG. Speziell den Umstand, dass man ihr für unbezahlte Benzinrechnungen und eine Telefonkarte insgesamt rund 232 Franken vom Lohn abzog, empfindet sie als nicht gerechtfertigt.
Mit ihrer Einschätzung liegt sie aus arbeitsrechtlicher Sicht richtig: Die ehemalige Aushilfsverkäuferin muss in keinem der drei Fälle für den Schaden, der dem Tankstellenshop entstanden ist, geradestehen.
Zwar machte die Angestellte Fehler, aber keine, die einen Lohnabzug gerechtfertigt hätten. Aus Versehen kassierte sie zweimal den falschen Betrag: einmal, weil die Quittung unleserlich ausgedruckt wurde; beim anderen Mal drückte die 37-Jährige «in der Hektik» eine falsche Taste und kassierte somit auch die «falsche Summe». Doch hier bemühte sie sich sogar um Schadensbegrenzung. Sie ermittelte den Halter des Autos und erklärte ihm die Sachlage. Dieser habe sich dann sofort bereit erklärt, die Differenz zu begleichen.
Kunde zapfte Benzin - und haute ab
Im dritten Fall schaltete die ehemalige Angestellte nach ihrer Nachtschicht irrtümlicherweise die Videoüberwachung aus. Ihren Angaben nach versäumte es die Kollegin von der darauf folgenden Frühschicht, den Betrieb der Videoanlage zu überprüfen, «was aber laut Anweisung ihre Aufgabe gewesen wäre». Ein Autofahrer machte sich während der überwachungslosen Zeit aus dem Staub, ohne seine Benzinrechung bezahlt zu haben.
Auch diesen Betrag über rund 103 Franken zogen die Vorgesetzten unerlaubterweise vom Lohn der 37-Jährigen ab.
12 Tage am Stück gearbeitet
Warum er die erwähnten Rechnungen seiner damaligen Angestellten anlastete, dazu wollte sich der Geschäftsführer der Shop-Tankstelle Amriswil, Wilhelm Zwahlen, nicht äussern. Er verwies an die Coop Mineralöl AG, welche die Tankstelle betreibt. Diese hat aufgrund der Intervention des K-Tipp den Fall geprüft. Ergebnis: Die Ex-Angestellte bekommt den «unrechtmässig einbehaltenen Betrag» über 232 Franken zurück. Zudem stehe ihr noch Geld für bislang nicht bezahlte Arbeitsstunden zu. Der Tankstellen-Geschäftsführer werde von der Coop Mineralöl AG «ermahnt», die vorgeschriebenen Arbeitszeiten einzuhalten: Die 37-Jährige stand einmal 12 und einmal 11 Tage lang am Stück und damit ohne freien Tag hinter der Kasse - auch das ein klarer Verstoss gegen die Arbeitszeitregelungen.
Wann eine Kassiererin haftet - und wann nicht
Nicht jedes Kassenmanko rechtfertigt einen Lohnabzug. Wenn zum Beispiel eine Kassiererin im Stress die Übersicht über den Laden verliert, zu viel Wechselgeld herausgibt oder falsch tippt, kann man ihr keinen Vorwurf machen. Solche Verluste gehören zu den Geschäftsrisiken, die der Arbeitgeber zu tragen hat.
Eine Kassiererin haftet aber für grobe Fehler. So etwa, wenn sie vor dem Kiosk unbekümmert raucht, während die Kunden ohne zu zahlen mit der Ware verschwinden. Haben mehrere Personen Zutritt zur Kasse, muss der Arbeitgeber die schuldige Person identifizieren und ihr Fehlverhalten nachweisen können. Eine Verteilung des Schadens auf sämtliche Angestellten ist nicht erlaubt - es gibt keine Gruppenhaftung.
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