«... und ruft bald wieder an»
Sie versprechen, Licht ins Dunkel zu bringen. Vor allem aber bringen Telefon-Hellseher die Kasse zum Klingeln.
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K-Tipp 9/2007
09.05.2007
Gery Schwager
Ein Anruf kostet 2 Franken pro Minute. Er dürfte aber kaum bloss eine Minute dauern. Die unter mehreren 0901er-Nummern agierenden Hellseherinnen und Hellseher von Spirit of Lilith sind nämlich gehalten, Ratsuchende lange in der Leitung zu halten.
Spirit of Lilith ist eine US-Firma, die nach eigenen Angaben «internationale Callcenter-Dienstleistungen» erbringt. In der Schweiz ist sie mit der Site www.hell-sehen.ch aktiv. Für Anrufe auf ihre 0901er-Nummern wirbt sie auch mit Kl...
Ein Anruf kostet 2 Franken pro Minute. Er dürfte aber kaum bloss eine Minute dauern. Die unter mehreren 0901er-Nummern agierenden Hellseherinnen und Hellseher von Spirit of Lilith sind nämlich gehalten, Ratsuchende lange in der Leitung zu halten.
Spirit of Lilith ist eine US-Firma, die nach eigenen Angaben «internationale Callcenter-Dienstleistungen» erbringt. In der Schweiz ist sie mit der Site www.hell-sehen.ch aktiv. Für Anrufe auf ihre 0901er-Nummern wirbt sie auch mit Kleininseraten - zum Beispiel in der «Coop-Zeitung».
Den für sie tätigen Hellseherinnen und Hellsehern teilt Spirit of Lilith mit der «Anweisung für Top-Berater» klar mit, was sie zu tun haben. Das Papier, laut Untertitel ein «Leitfaden für die Telefon-Gesprächsführung», liegt dem K-Tipp vor. Es erinnert die Adressaten beispielreich daran, dass sich häufige und/oder lange Anrufe auch für sie bezahlt machen.
«Leitfaden» für die beratenden Hellseher
Konkret zahlte Spirit of Lilith in einem dem K-Tipp bekannten Fall knapp 60 Rappen pro Gesprächsminute, also nicht ganz 30 Prozent der 2-Franken-Gebühr. Als Zielvorgabe war eine minimale Gesprächsdauer von monatlich 20 Stunden de?niert. Ab 30 Stunden gabs einen Bonus.
Wie solche Ziele erreicht werden können? Im «Leitfaden» stehts. Er rüstet die Beraterinnen und Berater mit einer langen Liste an Floskeln aus, die dafür sorgt, dass die Telefonate nicht zu früh enden.
So rät Spirit of Lilith bei Liebesthemen zu Phrasen wie «Würde es Sie interessieren, wie Ihre Beziehung bis in einem halben Jahr aussieht?» und «Ich lege Ihnen noch schnell das ganze Bild, da sehe ich besser in die Zukunft». Dem gleichen Muster entsprechen die vorgeschriebenen Einwürfe bei Familienthemen wie «Was ist mit Ihren Kindern? Soll ich schauen, ob in Zukunft alles gut läuft?» oder «Ich probier herauszu?nden, ob Sie noch Enkelkinder haben könnten». Und ebenso läufts bei Berufsthemen, wo es beispielsweise heisst: «Soll ich für Sie heraus?nden, wie die Resonanz auf ein Stelleninserat Ihrerseits wäre? Oohhh, sieht gut aus, machen Sie also ein Inserat in der Zeitung!»
Ausgedehnte Gespräche sind das eine. Wichtig sind auch Pflege und Aufbau einer Stammkundschaft. Spirit of Lilith weist die Hellseherinnen und Hellseher vor diesem Hintergrund an, Ratsuchende zu umgarnen - mit Floskeln wie «Sie haben es nicht einfach, ich kann Ihnen nachfühlen» und «Ich ?nde, Sie machen das wirklich toll, ich bewundere Ihre Stärke/Mühe/Liebesfähigkeit/Hingabe/Selbstlosigkeit». Ob es auch stimmt, ist wohl Nebensache.
«20 bis 60 Minuten» dauernde Gespräche
Auszahlen kann es sich ausserdem, wenn man zum Schluss des Gesprächs bereits den Boden für weitere Anrufe bereitet. Warum also den Ratsuchenden nicht ein aufmunterndes «Wir schaffen das schon zusammen, ich bin ja auch noch da. Sie liegen mir wirklich sehr am Herzen» mit auf den Weg geben!
Christoph Kurath, Vertreter von Spirit of Lilith in der Schweiz, bestreitet, dass der «Leitfaden» primär auf möglichst lange Telefongespräche abziele. Das Papier diene dazu, dem Berater die Arbeit zu erleichtern und ihm zu ermöglichen, «voll und ganz auf die Fragen des Kunden zu reagieren». Anrufer zu manipulieren oder abhängig zu machen, sei gemäss Beratervertrag verboten.
Fragt sich nur, warum es im «Leitfaden» am Schluss wörtlich heisst: «Wenn sich Dein Kunde von Dir so aufgebaut und motiviert fühlt, wird er diesen Moment wieder erleben wollen und wählt bereits bald wieder Deine Nummer!» Und: «Mit der Zeit wirst Du das alles ganz automatisch machen (...), und schon bald werden Deine Gespräche 20 bis 60 Minuten gehen oder mehr!»