«Unsere Gemeinde ist keine mobilfunkfreie Insel»
Eine mobilfunkgeplagte St. Gallerin will aufs Land ziehen und sucht einen neuen Wohnort ohne Antennenstrahlung. Sie findet keinen. Man nimmt sie auch nicht überall ernst.
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K-Tipp 5/2006
08.03.2006
Ernst Meierhofer - ernst.meierhofer@ktipp.ch
Bei uns werden Sie leider nicht fündig», steht im Brief von Ratsschreiber Thomas Stricker aus Uzwil. Uzwil liege an Hauptverkehrsachsen, und die seien gut mit Mobilfunkantennen bestückt. Die Gemeinde Mels schreibt: «Leider können wir Ihnen nicht dienen, wir haben in Mels einige Mobilfunkantennen». Und aus St. Peterzell heisst es: «Unsere Gemeinde ist keine mobilfunkfreie Insel.»
Das sind drei Antworten auf insgesamt 88 Briefe, die Gigi Gubser aus St. Gallen an Gemeinden in...
Bei uns werden Sie leider nicht fündig», steht im Brief von Ratsschreiber Thomas Stricker aus Uzwil. Uzwil liege an Hauptverkehrsachsen, und die seien gut mit Mobilfunkantennen bestückt. Die Gemeinde Mels schreibt: «Leider können wir Ihnen nicht dienen, wir haben in Mels einige Mobilfunkantennen». Und aus St. Peterzell heisst es: «Unsere Gemeinde ist keine mobilfunkfreie Insel.»
Das sind drei Antworten auf insgesamt 88 Briefe, die Gigi Gubser aus St. Gallen an Gemeinden in ihrem Wohnkanton verschickt hat. Darin bat sie um Angaben über die Zahl der Antennen; sie suche einen neuen Wohnort mit wenig oder gar keiner Mobilfunkstrahlung.
Das Resultat der privaten Umfrage ist eher ernüchternd - mal abgesehen davon, dass 18 Gemeinden den Brief von Gubser gar nicht beantwortet haben.
Die meisten Gemeinden geben an, sie hätten Antennen auf ihrem Gebiet oder seien aus Nachbargemeinden gut oder genügend versorgt. Da sei heute «wohl üblich», heisst es beispielsweise aus Sennwald.
«Anlagen nur schwer zu verhindern»
Hie und da ist aus den Antworten deutlich zu spüren, dass man sich gerne hinter dem Gesetz verschanzt. Falls ein Antennen-Baugesuch die nötigen rechtlichen Voraussetzungen erfülle, müsse man es bewilligen. Punkt.
Immerhin: 25 Gemeindevertreter schreiben auf eine entsprechende Frage direkt oder indirekt, ihre Behörde sei eher mobilfunkkritisch eingestellt. Doch auch sie könnten die Rechtslage nicht ausser Acht lassen, heisst es oft bedauernd.
Zum Beispiel Widnau: «Aufgrund der Bedenken der Allgemeinheit ist selbstverständlich auch der Gemeinderat eher gegen den Neubau weiterer Anlagen; diese müssten aber nach der geltenden Gesetzgebung beurteilt werden und sind nur schwer zu verhindern.»
Ein paar Antworten zeigen allerdings, dass einige Gemeinden doch mehr tun als nur brav Gesuche bewilligen und sich in Einzelfällen sogar widerspenstig zeigen:
Gemeinden versuchen sich zu wehren
- Au hat eine Baubewilligung verweigert, ist aber vom Regierungsrat zurückgepfiffen worden. Degersheim ging sogar bis vor Bundesgericht - und verlor.
- Wattwil hat eine geplante UMTS-Antenne wegen gesundheitlicher Bedenken nicht bewilligt. Auch Nesslau-Krummenau hat eine UMTS-Anlage abgelehnt. Die definitven Entscheide fehlen noch.
- Oberuzwil stellt keine gemeindeeigenen Grundstücke oder Gebäude als Antennenstandorte zur Verfügung (was viele andere Schweizer Gemeinden auch nicht tun).
- In Flawil besteht ein vorläufiger Baustopp (Moratorium) bis zum Vorliegen einer ETH-Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Antennenstrahlung. In Jona ist der Gemeinderat «gewillt», ein Moratorium «einer näheren Prüfung zu unterziehen». Dies gilt auch für Rapperswil.
- Flums betont, man habe «nach langen Verhandlungen» die drei Mobilfunkbetreiber dazu bringen können, gemeinsam einen Antennenstandort ausserhalb der Wohnzonen zu betreiben. Ähnliche Bestrebungen gibt es in Goldingen.
- In Eggersriet sind die Antennen «fern der Wohnzonen». Aus Rüthi heisst es: «Eine Anlage im Siedlungsgebiet käme für den Gemeinderat nicht in Frage.»
- In Au sucht man zusammen mit Nachbargemeinden «Lösungen zur Eindämmung der Mobilfunkantennen».
- In Wil will man im Baureglement eine generelle Höhenbeschränkung für alle Arten von Anlagen durchsetzen. Diese Höhenlimite würde dann auch für Mobilfunkantennen gelten und könnte deren Bau in bestimmten Zonen einschränken. Die rechtliche Zulässigkeit ist noch umstritten. Auch in Gossau macht man sich Gedanken in dieser Richtung.
Willkürlicher Wert, unklare Auswirkung
Fazit der Briefeschreiberin Gigi Gubser: «Ich danke allen Gemeindevertretern, die mir ausführlich und teilweise auch einfühlsam geantwortet haben.» Insgesamt ist sie aber doch enttäuscht. «Die meisten Gemeinden nehmen die vom Bund festgelegten Schranken gutgläubig hin und setzen sich nicht entschieden für das Wohl der Einwohner ein.»
Und: «Solange die Grenzwerte so willkürlich festgelegt sind, die genauen Auswirkungen so unsicher und immer mehr Betroffene darunter leiden, erscheint es mir verantwortungslos, die ganze Bevölkerung dieser problematischen Strahlung auszusetzen.»